Das Kreisarchiv Warendorf als kommunales Zentralarchiv – ein Erfolgsmodell

29. März 2019: Von Dr. Knut Langewand, Leiter des Kreisarchivs Warendorf

Mit seiner Zentralisierung fast aller kreisangehörigen Archive ist das Kreisarchiv Warendorf eine Ausnahme unter den Kommunalarchiven. Die Bündelung von Ressourcen und Aufgaben unter einem Dach sorgen dafür, dass seine administrativen, archivischen und öffentlichkeitswirksamen Aufgaben professionell und effizient gemeistert werden. Nicht zuletzt das archivpädagogische Engagement des Kreisarchivs trägt dazu bei, dass das mittlerweile über 50 Jahre bestehende Zentralarchiv ein lebendiges Erfolgsmodell bleibt.

Das Kreisarchiv in Geschichte und Gegenwart
Alles begann im Januar 1967: Das Archiv des Kreises Beckum wurde in den Nebenräumen des Abteimuseums Liesborn errichtet und von Beginn an in die Verantwortung eines hauptamtlichen Archivars gelegt. Dem zukunftsweisenden Engagement der damaligen Kreisspitze ist es zu verdanken, dass diese vergleichsweise frühe Gründung eines Kreisarchivs noch vor Beginn der kommunalen Neugliederungsrunden erfolgte. Mit der Auflösung der Ämter und der Eingemeindung vieler Kommunen standen die neuen Großgemeinden zur selben Zeit vor dem Problem, komplette Altregistraturen – also historische Akten der eingemeindeten Ortsteile – verwahren zu müssen. In unmittelbarer Nähe ein Archiv zu haben, das diese Registraturen nicht nur übernahm, sondern nach professionellen Gesichtspunkten sichtet, ordnet und in seine Bestände integriert, war für die Kommunen und spätere Archivnutzer ein Glücksfall.


Ordnung aus Chaos: Aktenablieferung in den 1970er-Jahren
Quelle: Kreis Warendorf

Für das Kreisarchiv war nur wenige Jahre nach seiner Gründung die Übernahme ganzer Kommunalarchive eine enorme Aufgabe und zugleich Chance für die Zukunft. Denn mit der Übernahme auch größerer Stadtarchive wie Oelde (1972), Ahlen oder Beckum (1977/1978) entfaltete sich eine Sogwirkung auf diejenigen Kommunen des 1975 geschaffenen neuen Kreises Warendorf, die ihre Archive nur neben- oder ehrenamtlich pflegten. Mit der Übernahme der Archive von Drensteinfurt (2002) und Sendenhorst (2010) fand diese Zentralisierung ihren Abschluss. Mit Ausnahme von Telgte werden seither alle Kommunalarchive des Kreises im Kreisarchiv beherbergt und gepflegt. Heute verteilen sich 157 amtliche Bestände, 61 Sammlungen und 140 Nachlässe bzw. Schenkungen des Kreisarchivs auf insgesamt ca. 2.500 laufende Meter Archivgut.

Synergie und Professionalität: die Vorteile des Zentralarchivs
Die Vorteile eines zentral geführten Kommunalarchivs sind vielfältig. Im ländlichen Raum des Münsterlands sind gerade kleine Kommunen schon aus finanziellen Gründen kaum in der Lage, eine(n) fachlich ausgebildete(n) Archivar(in) zu beschäftigen und die notwendigen räumlichen Ansprüche zu erfüllen. Das Warendorfer Kreisarchiv hingegen ist in der Lage, u.a. aus der moderaten Kostenumlage der Kommunen mehrere Archivar(innen), eine Bibliothekarin, einen Buchbinder/Restaurator und eine Scankraft zu beschäftigen und über einen großzügigen Lesesaal, ein Archivmagazin sowie Ressourcen für Öffentlichkeitsarbeit und Digitalisierung zu verfügen. Für die zahlreichen Archivnutzenden hat die zentrale Archivierung den Vorteil, dass sie an einem Ort die historischen Unterlagen und Zeitungsbestände des ganzen Kreises einsehen können. Die relevante regional- und ortsgeschichtliche Literatur steht in der Bibliothek des Kreisarchivs parat, die mit 30.000 Titeln die die größte geschichtswissenschaftliche Fachbibliothek des östlichen Münsterlandes ist.


Der 2017 neugestaltete Lesesaal des Kreisarchivs
Quelle: Kreis Warendorf

Die in früherer Zeit geäußerte Befürchtung, ein weit vom Heimatort entfernt liegendes Archiv würde die Nutzung vor Ort erschweren und eine Kooperation etwa mit Heimatvereinen und
-forschern verhindern, ist in Zeiten digitaler Recherche- und Auskunftsmöglichkeiten leicht auszuräumen. Per E-Mail erhalten Bürgerinnen und Bürger Antwort auf ihre Anfragen oder gleich die gewünschten Archivdokumente als Scan. In die Findbücher des Kreisarchivs oder vermehrt auch in die Archivalien selbst kann auf den einschlägigen Archivportalen online zugegriffen werden.

Synergieeffekte ergeben sich zudem in der täglichen Arbeit des Archivs: bei der Beratung der Kommunen in der Schriftgutverwaltung (hauptsächlich bei Fragen der Aktenführung und Lagerung) und bei der Überlieferungsbildung, d.h. der Aussonderung oder Übernahme von Unterlagen der kommunalen Verwaltungen. Die gleichzeitige Betreuung von 12 Städten und Gemeinden erlaubt dem Kreisarchiv eine vergleichende Perspektive auf lokale Probleme und Stärken, überlieferungswürdige Altakten, parallele und einmalige geschichtliche Entwicklungen und Themen vor Ort. Erfahrungen, die in der einen Kommunen gemacht werden, können in der anderen nutzbringend weitergegeben werden – ein Prozess, der vielfach zu Zeit- und Kostenersparnissen führt. Zugleich schärft der Blick aufs Kreis-Ganze das inhaltliche Profil der nichtamtlichen Sammlungen des Kreisarchivs, d.h. Plakate, Fotos und Nachlässe. Eine aktive Öffentlichkeits- und Pressearbeit führt dazu, dass das Kreisarchiv immer wieder interessante Unterlagen von Privatpersonen, Familien oder Vereinen angeboten bekommt und übernimmt. Auch jenseits der amtlichen Dokumente werden so für nachfolgende Generationen historische Quellen lokaler Herkunft bewahrt.

Präsenz zeigen: Öffentlichkeitsarbeit und Archivpädagogik des Kreisarchivs
Zentrales Anliegen des Kreisarchivs ist es, seine Schätze nicht zu verstecken, sondern so oft wie möglich zu „heben“ und möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern zu präsentieren. Zu den Angeboten für Erwachsene zählen regelmäßige Ausstellungen, Führungen und die Teilnahme am bundesweiten Tag der Archive. Der Kontakt zur Heimatforschung wird durch den Kreisgeschichtsverein hergestellt, dessen Geschäftsstelle sich im Kreisarchiv befindet. Ein besonderes Interesse gilt jedoch den Schülerinnen und Schülern im Kreis. 2017 wurden daher mit vier Gymnasien im Kreisgebiet Bildungspartnerschaften geschlossen. Ein erster Meilenstein dieser Kooperation sind die insgesamt sechs Quellenhefte für den Unterricht, die das Kreisarchiv zusammen mit Lehrkräften der Gymnasien erarbeitet hat. Sie sollen den Geschichtsunterricht durch Quellenmaterial aus dem Kreisarchiv bereichern, ein Gefühl für Originalquellen schaffen und zugleich Neugier an der Geschichte der eigenen Heimat hervorrufen.

 


Quellenheft für den Geschichtsunterricht
Quelle: Kreis Warendorf


Der Archivkoffer des Kreisarchivs
Quelle: Kreis Warendorf

Der 2018 fertiggestellte Archivkoffer ist prall gefüllt mit farblichen Reproduktionen von Archivalien aus 700 Jahren lokaler Geschichte und zahlreichen Hintergrundinformationen. So können Schülerinnen und Schüler auch im Klassenraum Unterlagen aus dem Kreisarchiv kennenlernen.

Zukunft aus Tradition
Im sechsten Jahrzehnt seines Bestehens blickt das Kreisarchiv Warendorf optimistisch nach vorn. Der größten Herausforderung der Zukunft, der Digitalisierung, stellt sich das Kreisarchiv in dreifacher Weise:

  1. Die sukzessive Umstellung auf die elektronische Aktenführung in Kommunen und Kreiseinrichtungen führt zu einer verstärkten Beratung durch das Kreisarchiv, z.B. bei der Einführung von dokumentenmanagementsystem-geeigneten Aktenplänen;
  2. Mit den infolge der E-Akte entstehenden rein digitalen Unterlagen (born digitals) sind alle Archive vor die Aufgabe gestellt, genau wie bei herkömmlichen Akten eine solide Auswahl zu treffen und die archivwürdigen Daten dauerhaft zu archivieren. Diese digitale Langzeitarchivierung muss das Kreisarchiv glücklicherweise nicht allein bewältigen, sondern kann auf das Angebot des LWL-Archivamts und dessen Lösung DiPS.kommunal bauen;
  3. Der Erwartung vieler Archivnutzenden im Google-Zeitalter, Bestandsinformationen und Archivmaterialien online einsehbar vorzufinden, trägt das Kreisarchiv durch das Scannen ganzer Bestände Rechnung. Ein Großteil der etwa 350.000 archivierten Personenstandsregistereinträge (d.h. Geburtsregister/Heiratsregister/Sterberegister) ist bereits digitalisiert und am Computer benutzbar.

So richtet das Kreisarchiv Warendorf seine Bemühungen darauf, allen beteiligten Interessensgruppen, ob nun Schulklassen, Forschern oder Verwaltung von Kreis und Kommunen, eine erstklassige Dienstleistung zu bieten und „für die Zukunft gesattelt“ zu sein.


Dr. Knut Langewand
Quelle: Kreis Warendorf