Helfen und Handeln: Die StädteRegion Aachen denkt Hochwasserprävention und Katastrophenschutz völlig neu

14. Juli 2022: Von Detlef Funken, Pressesprecher, StädteRegion Aachen

Das Hochwasserereignis im Juli 2021 hat die StädteRegion Aachen, insbesondere die Städte Aachen, Eschweiler und Stolberg und die Gemeinde Roetgen, tief getroffen und alle kämpfen noch immer mit den Folgen. Die Gesamtschadenssumme ist, wenn man alle öffentlichen Bereiche wie zerstörte Straßen und Schulen bis hin zu den tausenden betroffenen Privatpersonen zusammenzählt, in der StädteRegion noch immer nicht abschließend zu beziffern.

Allein die Stadt Eschweiler hat vom Land eine Bewilligung von 162 Millionen Euro für ihren eigenen (kommunalen) Wiederaufbauplan erhalten. Der kommunale Wiederaufbauplan der Stadt Stolberg, die unter anderem das Rathaus komplett neu bauen muss, ist gerade im Rat beschlossen worden und hat ein Volumen von 225 Millionen Euro.    
Auch die StädteRegion selbst ist durch mehrere zerstörte Gebäude betroffen, unter anderem eine Turnhalle des Berufskollegs in Eschweiler, die nun schnellstmöglich für Kosten in Millionenhöhe saniert wird. „Die Schäden sind unvorstellbar. Es hilft aber niemandem etwas, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir haben als StädteRegion direkt nach der finanziellen Soforthilfe unter dem Motto ´Helfen und Handeln´ viel erreichen können“, fasst Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier zusammen.

Der folgende Beitrag konzentriert sich im Wesentlichen auf drei Aspekte:

  • Antragshilfe zum Wiederaufbau
  • Hochwasserrisiko-Management
  • Neuausrichtung Katastrophenschutz 

Antragshilfe zum Wiederaufbau bei der StädteRegion Aachen
Nach den Beschlüssen in Bund und Land können Betroffene der Hochwasserkatastrophe Anträge auf finanzielle Hilfe aus dem Wiederaufbaufonds stellen. Genau 12,3 Millarden Euro standen in NRW bereit, um zumindest monetäre Schäden kurzfristig und möglichst unbürokratisch zu regulieren. Die Hilfsgelder werden über eine NRW-einheitliche Online-Plattform beantragt. Aber wie soll das gehen, wenn man keinen Strom hat?


Die Hochwasserkatastrophe hatte auch in der Stolberger Altstadt im Juli 2021 eine Spur der Verwüstung und bis dahin unvorstellbare Schäden verursacht.
Quelle: Cyros Clermont, StädteRegion Aachen

Am 09. September 2021 wurde vom Land klargestellt, dass die Antragsberatung auf die Kreisebene delegiert wird. „Für uns war sofort klar, dass wir die Beratungsleistung in unmittelbarer Nähe der Betroffenen anbieten wollten, um ihnen in der extremen Ausnahmesituation lange Wege zu ersparen“, so Dr. Grüttemeier.
Praktisch war dabei, dass die StädteRegion Aachen mit dem mobilen Angebot in Bussen bei Corona-Tests und -Impfungen schon sehr gute Erfahrungen gemacht hatte. Die Idee, die Antragshilfe zum Wiederaufbau in den beiden am stärksten betroffenen Kommunen, Eschweiler und Stolberg, ebenfalls in Form eines mobilen Angebots mit Bürobussen anzubieten, lag daher auf der Hand.
Da man auf die umfassenden Erfahrungen des eigenen Gesundheitsamtes zurückgegriffen konnte, erfolgte bereits am 10. September die Vergabe und die erfolgreichen Bieter begannen sofort mit dem Umbau der neuen Bürobusse.
Mit den Verwaltungen von Eschweiler und Stolberg wurden die Standorte der jeweils drei Bürobusse abgestimmt – in jedem Bus standen je drei Beratungsplätze zur Verfügung. Roetgen und Aachen haben sich eigenverantwortlich um die Betroffenen gekümmert. Ergänzt wurde das städteregionale Angebot noch durch ein eigenes Callcenter im Haus der StädteRegion mit insgesamt fünf Arbeitsplätzen.
Die Mitarbeitenden in den Bussen und an den Telefonen wurden aus sämtlichen Organisationseinheiten der städteregionalen Verwaltung rekrutiert und umgehend auf das durchaus komplexe Antragsverfahren des Landes NRW geschult.

Über das Wochenende wurden die Bürobusse mit der erforderlichen Hardware (Laptops, Drucker, Scanner, etc.) ausgestattet, so dass am 20.09.2021 tatsächlich sechs Bürobusse an verschiedenen Standorten in den vom Hochwasser am stärksten betroffenen Gebieten die Beratung zur Antragshilfe aufnehmen konnten. Sie standen täglich von 09.00 bis 17.00 Uhr zur Verfügung.

Die Bürobusse wurden zunächst durch Ordnungsdienste der kommunalen Ordnungsämter unterstützt, dabei kamen auch die Kräfte anderer regionsangehöriger Kommunen im Rahmen der Amtshilfe zum Einsatz. Unterstützung gab es zudem von bereits im Ruhestand befindlichen Mitarbeitenden der Sparkasse Aachen, die im Kundenkontakt sehr erfahren waren und als erste Clearing-Stelle vor den Bussen fungierten.


Einer der Beratungsbusse der StädteRegion im September 2021 auf dem Marktplatz in Eschweiler.
Quelle: Detlef Funken, StädteRegion Aachen

Bemerkenswert war die Solidarität der Flutopfer untereinander. Zwar wurden durch das hauseigene Kommunale Integrationszentrum der vorhandene Dolmetscherpool genutzt, doch waren auch viele Privatpersonen bereit, diese Unterstützung für andere hilfsbedürftige Personen zu übernehmen. Bei den zur Beratung Eingesetzten entwickelte sich schon schnell eine sehr hilfreiche Kenntnis und Routine. Resultierend aus der Erfahrung, dass einige Fragen vermehrt aufkamen, hat die StädteRegion umgehend eine eigene Internetseite zu dem Thema unter der Adresse: https://hochwasserhilfe.staedteregion-aachen.de an den Start gebracht, auf der die wichtigen zur Antragsstellung erforderlichen Informationen und Hilfen zu finden sind.

Nach dem sehr erfolgreichen Start der Beratungsbusse wurde im Oktober absehbar, dass Busse – trotz Heizlüftern und Zusatzbeleuchtung – im Winterhalbjahr keine geeignete Lösung waren. So mussten ja auch die Antragstellerinnen und Antragsteller vor dem Bus in der nasskalten Witterung warten. Aus diesem Grund wurden im November die Busse zurück ins Depot gefahren und neue stationären Büros – je eines in Eschweiler und eines in Stolberg – eingerichtet.
Mit nachlassendem Antragsvolumen wurde die personelle Ausstattung der Beratungszentren dem Bedarf angepasst und sukzessive zurückgefahren.
Seit März 2022 findet die Antragsberatung ausschließlich im Haus der StädteRegion Aachen statt. Auf Grund der weiter abnehmenden Zahl Hilfe suchender Bürgerinnen und Bürger stehen die Beraterinnen und Berater der StädteRegion somit weiterhin flexibel bereit, können aber – ebenso wie die Mitarbeitenden am Telefon im Callcenter – in der Zwischenzeit ihrer eigentlichen Tätigkeit am Arbeitsplatz nachgehen.

Über allen Anpassungen in der Verfügbarkeit des Beratungsangebots steht das Versprechen des Städteregionsrats Dr. Tim Grüttemeier, der zu Beginn der Antragshilfe sagte: „Wir beenden die Antragshilfe zum Wiederaufbau erst dann, wenn der letzte Antrag gestellt wurde.“ Dies wird voraussichtlich am 30.06.2023 sein, wenn das Land das entsprechende Online-Portal schließt.Bis heute haben weit mehr als 5.000 Beratungen von Menschen stattgefunden, aus denen letztlich 2.200 Anträge auf Förderung resultieren. Zusätzlich wurden über 1.000 telefonische Beratungsgespräche geführt. Eine Mammutaufgabe – und das alles neben dem normalen Tagesgeschäft. „Aber wir müssen hier einfach Prioritäten setzen und den Menschen so gut es geht helfen“, so das Fazit des Städteregionsrates.

Aufbau eines Hochwasserrisiko-Managements in der StädteRegion Aachen
Die StädteRegion beschränkt sich aber ganz bewusst nicht auf den schon geschilderten Aspekt des Helfens, sondern sie handelt auch vorausschauend. Um präventiv bestmöglich für künftige Hochwasser- und Starkregenereignisse gewappnet zu sein, haben die Mitglieder des Städteregionstages Ende März die Einrichtung einer gemeinsamen interkommunalen Arbeitsgruppe „Regionales Hochwasserrisikomanagement“ beschlossen. Zudem haben sie der Berufung eines „Koordinators Hochwasser“ bei der StädteRegion Aachen zugestimmt.

Um im Sinne eines Risikomanagements künftig gut aufgestellt zu sein, sollen flächendeckend Risiken ermittelt und bewertet sowie präventive Maßnahmen umgesetzt werden. Als entscheidender Erfolgsfaktor stehen dabei die Vernetzung und Koordination der vielfältigen Aktivitäten und Akteure, im Fokus. Zentral ist dabei auch, dass in der neuen Struktur die Arbeit des unmittelbar nach dem Hochwasserereignis gestarteten Hochwasser-Resilienz-Projektes fortgeführt wird. Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf der Kommunikation der präventiven Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung.

Mit Sander Lutterbach, dem bisherigen Leiter des Amtes für Immobilienmanagement, ist diese wichtige Funktion zwischenzeitlich hochkarätig besetzt worden. Der Bauingenieur mit besonderer Expertise im Wasserbau ist bestens für diese herausfordernde Aufgabe qualifiziert.


Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier (li.) gratuliert Sander Lutterbach zu seiner neuen Funktion. Er soll als „Koordinator Hochwasserrisiko-Management“ geeignete Strukturen schaffen, um präventiv für künftige Hochwasser- und Starkregenereignisse gewappnet zu sein.
Quelle: Holger Benend, StädteRegion Aachen

Lutterbach hat eine bündelnde Funktion für das Gebiet der StädteRegion Aachen und arbeitet eng mit den regionsangehörigen Kommunen und der schon bestehenden Stabsstelle „Hochwasserrisikomanagement“ des Wasserverbands Eifel-Rur (WVER) zusammen.
Vereinbarungen von strategischer Bedeutung obliegen nun einem Lenkungskreis dem die Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamte und der Vorstand des Wasserverbands angehören. Zudem wurden vier Arbeitsgruppen installiert, die sich gezielt um die Gewässer Inde (und Vicht), die Wurm, die obere Rur und das Thema „kommunales Starkregenmanagement“ kümmern.    
Des Weiteren haben erste Gespräche zur Verlinkung des Katastrophenschutzes zur Wasserwirtschaft stattgefunden. Städteregionsrat Grüttemeier dazu: „Eines muss uns klar sein: Wir müssen den Hochwasserschutz engmaschig mit dem Katastrophenschutz vernetzen, damit im Falle eines Falles alle Rädchen ineinandergreifen.“ Es ist auch geplant, weitere Akteure, wie unter anderem das Hochwasser-Kompetenz-Centrum-Köln, einzubinden.

Der Vollständigkeit halber erfolgt an dieser Stelle nur ein kurzer Hinweis, dass die Untere Wasserbehörde der StädteRegion direkt nach den katastrophalen Hochwasserereignissen mit der Unterstützung für die Menschen begonnen hat. Nachdem tonnenweise Schrott und Müll entsorgt waren, wurden Schäden an Böschungen, Ufermauern und sonstigen Anlagen festgestellt. Um im Sinne der Bürgerinnen und Bürger eine zügige Bewertung vornehmen zu können, wurde in Abstimmung mit der Unteren Wasserbehörde vom Wasserverband Eifel-Rur die Möglichkeit zur Erfassung von Schäden über ein Online-Portal eingerichtet. Anschließend wurden alle Schadensfälle gemeinsam mit dem Wasserverband Eifel-Rur detailliert vor Ort bewertet. Auch heute noch finden auf Bitten der Anwohner etliche Ortstermine und Beratungsgespräche hinsichtlich der Wiederherstellung der beschädigten Uferböschungen und Anlagen statt. Ziel ist dabei, den Gewässern wenn möglich mehr Raum zu geben, und so Engstellen dauerhaft entschärfen.

Projektgruppe zur Neuausrichtung des Katastrophenschutzes
Die Ereignisse der letzten Jahre, insbesondere aber die weltweite Corona-Lage, die Gefahrenabwehrplanung rund um die Reaktoren Tihange und Doel sowie die Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben auf allen Verwaltungsebenen – Bund, Länder, Kreise und Kommunen – dazu geführt, über die bisherigen Vorkehrungen im Bereich des Katastrophenschutzes neu nachzudenken.
„Wir müssen uns im Bereich des Katastrophenschutzes künftig noch besser und professioneller aufstellen“, so Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier. Denn Helfen ist das eine, zukunftsgerichtetes Handeln ist aber nach großen Schadensereignissen wie dem Tornado 2020 in Roetgen, Waldbränden und dann letztlich der Hochwasserkatastrophe vor genau einem Jahr mindestens ebenso wichtig.“
Gesagt, getan: Seit April 2022 hat eine hauptamtliche Projektgruppe bei der StädteRegion Aachen genau damit begonnen. Andreas Dovern, zuletzt Chef der Feuerwehr in Stolberg, leitet das dreiköpfige Team, dem neben dem THW-Auslandsexperten Thomas Johnen auch Kreisbrandmeister Thomas Sprank angehört. Sie stellen den Katastrophenschutz für die Region komplett auf den Prüfstand. Egal ob es um Information, Ausstattung und Material oder Abstimmung zwischen Haupt- und Ehrenamt geht. Die Projektgruppe soll eine objektive Betrachtung und eine vollständige Überarbeitung der Konzepte liefern. Dabei beziehen sie die absehbaren Konsequenzen des Klimawandels wie Dürre und häufigere Starkregenereignisse ein.


Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier (links) mit der dreiköpfigen Projektgruppe zur Neuausrichtung des Katastrophenschutzes der StädteRegion, bestehend aus (von links) Andreas Dovern, Thomas Johnen und Tom Sprank.
Quelle: Holger Benend, StädteRegion Aachen

Diese Neubetrachtung des Katastrophenschutzes – die StädteRegion finanziert das mit mehr als 200.000 Euro im Jahr – erfolgt im regionalen Schulterschluss: „Genau wie in der akuten Gefahrenlage und beim Wiederaufbau sind wir auch hier in der engen Zusammenarbeit mit den Kommunen“, betont Städteregionsrat Grüttemeier. „Wo es eine Neuausrichtung braucht, um die Menschen hier in der StädteRegion Aachen in Katastrophenfällen noch besser zu schützen, werden wir diese zügig angehen,“ so Grüttemeier. Auf Einladung der Projektgruppe hat sich im Juni zum ersten Mal der „Runde Tisch Katastrophenschutz“ getroffen. Dabei haben sich 24 Vertreterinnen und Vertreter von DRK, JUH, THW, MHD, DLRG, Feuerwehr, Bundes- und Landespolizei sowie dem Kreisverbindungskommando der Bundeswehr an einen Tisch gesetzt, um neue Impulse für die Arbeit im Katastrophenschutz zu entwickeln. Diese gemeinsame und interdisziplinäre Plattform soll die Möglichkeit bieten, sich außerhalb der bestehenden Organisationslinie und losgelöst von bereits bestehenden Arbeitsgruppen und -kreisen über die gemeinsame Zukunft eines leistungsfähigen Katastrophenschutzes in unserer Region auszutauschen. Ziel ist es, weitere Synergien zu erkennen, zu nutzen und in Krisen noch besser verzahnt miteinander zu arbeiten.


Detlef Funken
Quelle: Claudia Fahlbusch