Berufliche Orientierung im Kreis Mettmann

12. Oktober 2021: Von Gabriele Riedl, Dipl. Soz. Wiss., Abteilungsleiterin im Amt für Schule und Bildung und Team Regionales Bildungsbüro, Kreis Mettmann

Die Verbesserung der Bildungssituation – Schwerpunkt Berufliche Orientierung – ist seit Ende der 90er Jahre eines der wichtigsten strategischen Ziele im Kreis Mettmann. Mit dem Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss – KAoA“ und der staatlich-kommunalen Partnerschaft im Regionalen Bildungsbüro, das als Abteilung im Amt für Schule und Bildung angesiedelt ist, wurden beste Voraussetzungen geschaffen, um der Erreichung dieses Ziels näher zu kommen.

Ein Landesvorhaben wird zum Standard
Das Regionale Bildungsbüro im Kreis Mettmann ist das Produkt des Kooperationsvertrages mit dem Land NRW zur Gründung des regionalen Bildungsnetzwerkes. Da dieses im Kreis Mettmann den Schwerpunkt „Übergang Schule-Beruf“ gewählt hat, ist auch die Koordinierungsstelle „Kein Abschluss ohne Anschluss, KAoA“ hier angesiedelt.
Von hier aus werden die Standardelemente im Prozess „Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA)“ über alle Schulformen verpflichtend implementiert. Dabei handelt es sich um eine logische Verantwortungskette, beginnend mit der Potenzialanalyse in der Klasse 7, der Berufsfelderkundung in der Klasse 8 und den Praktika, die für die Klasse 9 vorgesehen sind. Wer danach in die Sek. II einmündet, kann mit individualisierten Werkzeugen rechnen, die derzeit im Rahmen der Konzeptionierung von Verantwortungsketten der beteiligten Akteure entwickelt werden.

Der Beginn im Kreis Mettmann
Im Kreis Mettmann wurden die Standardelemente für die Sekundarstufe I bereits seit 2013 implementiert. Der Aufbau der Kommunalen Koordinierungsstelle (KoKo), ein Bestandteil des Landesprojektes von Anfang an, gestaltete sich zunächst schwierig. Zehn starke kreisangehörige Städte, entsprechende Schulträgerverantwortung und lokale Besonderheiten machten es erforderlich, an manchen Stellen Überzeugungsarbeit zu leisten.
Die Ansiedlung der KoKo im Regionalen Bildungsbüro (RBB), das Ausdruck gemeinsamer staatlich kommunaler Verantwortung im Bildungsbereich ist, erweist sich hier als zielführend. Denn zur Verantwortungsgemeinschaft des Regionalen Bildungsnetzwerkes gehören die kreisangehörigen Städte, die Kammern, die Agentur für Arbeit und die Schulaufsicht. Insbesondere mit Unterstützung letzterer fand KAoA mit seinen Standardelementen nach und nach Zugang zu den Schulen. Heute ist das KAoA-Konzept im Kreis Mettmann flächendeckend eingeführt.
Bereits bestehende, in Eigenregie durchgeführte Maßnahmen zur Berufsorientierung (z.B. Kooperation Schule Wirtschaft, KSW-Projekte) der Schulen oder Bildungspartner werden in gewohnter Weise fortgesetzt, oder, dort wo es möglich ist, mit den oben beschriebenen KAoA-Standardelementen verschränkt. Der Eintritt in den KAoA Prozess selbst ist für alle Schulen obligatorisch.

Konkrete Schritte in den Beruf
Anhand einiger Beispiele aus der Berufsorientierung im Kreis Mettmann soll deutlich werden, welche weiteren Formate die Kooperation der Verantwortungsgemeinschaft ermöglicht.

Schools-out-Broschüre
Alle Schülerinnen und Schüler erhalten frühzeitig die Möglichkeit, im Prozess der Beruflichen Orientierung ihre eigenen Berufs- und Studienwahlentscheidungen zu treffen. Im Kreis Mettmann durch das „Schulpaket“ das zu Beginn der 7. Klasse an alle Schulen versandt wird. Es enthält u.a. die Broschüre „schools out“, die in jugendgerechter Form auf die Möglichkeiten und Partnerstrukturen der Berufsorientierung im Kreisgebiet hinweist.

Projekt „HandWerkStärken“ 

Das Standardelement „Berufsfelderkundung (BFE)“ wird im Kreis Mettmann durch das Projekt „HandWerkStärken“ erweitert. Es wurde zur Verbesserung der Nachwuchssituation im Handwerk und zur Unterstützung von Handwerksbetrieben bei der Beteiligung an der BFE-Woche konzipiert. Es zeigte sich, dass Schülergruppen über die bestehenden Angebote hinaus zusätzliche Anreize benötigen, um die Attraktivität der handwerklich geprägten Berufszweige wahrzunehmen. Um ihre Neugier für diese Berufsfelder zu wecken, sollten sie diese „praktisch“ kennen lernen. Gleichzeitig haben gerade kleinere Handwerksbetriebe Probleme, ein ganztägiges Programm im Rahmen von BFE anzubieten.

Die erste Schraube wird im Berufsbild Holz versenkt.
Quelle: Kreis Mettmann

An diesen Erkenntnissen setzt das Projekt „HandWerkStärken“ an: Schüler und Schülerinnen besuchen im Rahmen der BFE-Woche am Vormittag einen Workshop zum jeweiligen Handwerk, bei dem sie ein eigenes Werkstück anfertigen. Am Nachmittag steht eine Betriebserkundung in einem passenden Handwerksbetrieb an, bei der sie moderne Fertigungsmethoden kennenlernen und gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, mit heimischen Handwerksbetrieben in persönlichen Kontakt zu treten.


Schülerinnen und Schüler beim Kennenlernen des Berufsbildes Holz.
Quelle: Kreis Mettmann

Während der BFE-Woche 2019 wurden an den Vormittagen drei Workshops in den Bereichen Tischlerei, Glaserei und Elektrotechnik durchgeführt. Zwei Workshops wurden außerdem ehrenamtlich von der „Werkstatt Erkrath“ in den Bereichen Tischlerei und Metallbau ermöglicht.


Schüler beim Kennenlernen des Berufsbildes Elektrik / Elektronik.
Quelle: Kreis Mettmann

Im Rahmen der ca. anschließenden Exkursion wird ein moderner Handwerksfachbetrieb erkundet. Hier werden die im Workshop erlernten Kenntnisse in der Praxis veranschaulicht und intensiviert. Die Besichtigung der Handwerksbetriebe wird von den jeweiligen Unternehmen in Eigenregie durchgeführt und unterliegt ihrer Gestaltungshoheit.

Die Jugendlichen erhalten sowohl nach der Teilnahme an einem der Workshops als auch nach der Betriebsbesichtigung eine Bescheinigung, die sie in ihrem Berufswahlpass archivieren.
Insgesamt nahmen 2019 ca. 50 Jugendliche teil, die Workshops waren im BFE-Portal des Kreises sehr schnell ausgebucht.
Grundsätzlich ist eine Fortführung und auch Ausweitung des Projektes geplant, auch wenn die Organisation und Durchführung aufwendig ist. Viele teilnehmende Jugendliche hatten zum ersten Mal echten Kontakt zum Handwerk, d.h. sie haben vorher noch nie mit eigenen Händen ein Werkstück erstellt bzw. überhaupt eine handwerkliche Tätigkeit probiert. Dazu bieten die Workshops optimale Bedingungen.
Für HandwerkStärken 2020 war die Durchführung von 8 Workshops mit Plätzen für ca. 100 Schüler und Schülerinnen geplant, diesmal auch unter Beteiligung der Kreishandwerkerschaft. Leider musste auf Grund des 1. Corona-Lockdowns die BFE-Woche komplett abgesagt werden und konnte bekanntermaßen auch 2021 nicht stattfinden.

Für 2022 werden derzeit neue Angebote geplant und vorbereitet.

Infotag für Lehrkräfte
Die schulische Berufliche Orientierung zielt darauf ab, möglichst gute Schulabschlüsse zu sichern und realistische Anschlussperspektiven für Berufsausbildung oder Studium zu eröffnen. Auf der Grundlage guter Schulpraxis und bestehender Angebote und Strukturen wird die Berufliche Orientierung weiter systematisiert und ausgebaut. Neben den Eltern sind die Lehrkräfte für Jugendliche in diesem Alter die wichtigsten Bezugspersonen, sie sollten gut informierte Begleiter sein.
Seit 2018 werden im Kreis Mettmann Lehrkräfte, die eine Klasse 8 neu übernehmen, mit dem KAoA-Ablauf vertraut gemacht. Das KAoA-Team kooperiert dabei mit den Lehrkräften für Studien- und Berufsorientierung (StuBos) und der Schulamtskoordination. So können die vielfältigen Fragen der Lehrkräfte aus den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen beantwortet werden. Die positive Resonanz auf diese Veranstaltungen hat zum Versuch mit digitalen Formaten geführt, die ebenfalls gut besucht waren. In diesem Jahr fand erstmals wieder eine solche Tagung in Präsenz statt, das Projekt wurde so verstetigt.

Projekt Ausbildungspaten
Für Jugendliche, die besondere Probleme haben (Förderbedarf, Migrationshintergrund, soziale Schwierigkeiten) bietet der Kreis Mettmann über das Projekt „Ausbildungspaten“ eine persönliche Begleitung am Ende der Schulzeit an. In Zusammenarbeit mit Freiwilligenbörsen in den Städten und Ansprechpartnerinnen und -partner in den Schulen werden Patenschaften vermittelt, in deren Verlauf die Berufsmotivation geklärt, das Interesse an Berufsfeldern geweckt, Unterstützung beim Vorbereiten der Bewerbungsunterlagen bis zum Üben von Vorstellungsgesprächen (und Daumen drücken während dieser Gespräche), sowie eine Nachbereitung geleistet wird. Die Paten setzen ihre Kenntnisse der Erwerbswelt aktiv ein, um den Jugendlichen die Zugänge zu erleichtern. Einige dieser „Tandems“ haben auch während der Coronazeit digital zusammengearbeitet.

Elternbrief
2021 wurde erstmals in der 8. Klasse ein Elternbrief in Kooperation mit der Arbeitsagentur und den Kammern entwickelt und versandt, um auch die Eltern in den Berufswahlprozess mit einzubeziehen. Ziel ist es dabei, den Eltern die Bedeutung ihrer Rolle bei der Berufswahl deutlicher zu machen. Durch Verlinkung auf informative Seiten der Kooperationspartner können sie ihre Kinder beim Navigieren durch und in die Berufswelt aktiv unterstützen.
Beim Versand an die Eltern war die gute Kooperation mit der Schulaufsicht hilfreich, denn die Schulen dürfen diese Adressen nicht an Dritte geben.

Stabile Kooperationen und Netzwerke

Zielgruppe des Programms sind Kinder der Altersgruppe 8. Klasse.
Quelle: adobestock.com Autor: WavebreakMediaMicro

Kreisangehörige Städte, Schulen, Hochschulen, Arbeitsagentur und die regionale Wirtschaft kooperieren im Prozess der Berufs- und Studienorientierung, um allen Schülerinnen und Schülern eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem Studium und/oder einer dualen Ausbildung zu ermöglichen.
Ziel ist es, allen jungen Menschen nach der Schule eine Anschlussperspektive für die Berufsausbildung oder für ein Studium zu eröffnen und durch ein effektives, kommunal koordiniertes Gesamtsystem unnötige Warteschleifen zu vermeiden.
Durch personelle Kontinuität ist gewährleistet, dass Netzwerkpartnerinnen und -partnern als handelnde Personen frühzeitig auf Augenhöhe in den Prozess mit eingebettet werden und somit aus professioneller Sichtweise keine Entkoppelung von Übergangssystemen entsteht. Durch den Austausch mit den regionalen Akteurinnen und Akteuren hat die KoKo stets einen guten Gesamtüberblick über die Prozesse der Berufsorientierung und ggfs. neue spezifische Bedarfe im Kreisgebiet.
Dabei sieht sich die KoKo als Interessensvertretung des Kreises und seiner Städte an und trägt als Sprachrohr dazu bei, die Zusammenarbeit zu stärken. Daher sind transparentes Arbeiten und kollegialer Austausch in Ausschüssen, Sitzungen, Arbeitskreisen und Gremien sowie weiteren Informationsveranstaltungen unerlässliche Werkzeuge, um im Kreis Mettmann einen passgenauen Anschluss an die Schule zu gewährleisten.
Jugendliche und Eltern werden im Kreis Mettmann auf dem Weg in die Berufswelt nachhaltig unterstützt. Somit sind Angebote transparent und der Zugang zu Ansprechpartnern gesichert.

Erfahrungen und Evaluierung
Die langjährige Erfahrung bei der Implementierung der Standardelemente insgesamt, verbunden mit den eigenständig entwickelten Werkzeugen und dem beschriebenen Netzwerk machen es möglich, im Rahmen von jährlichen Evaluierungen und Berichten eventuelle Defizite und Strömungen zu erkennen und schnell gegen zu steuern. Gelegentlich führt ein offenes Gespräch mit einem Netzwerkpartner zu veränderten Ergebnissen oder auch eine Veränderung an einer scheinbar kleinen Stellschraube erzeugt große Wirkung.
Der Prozess der Beruflichen Orientierung in der Sekundarstufe II nach KAoA startete auch im Kreis Mettmann zum Schuljahr 2019/20 zum ersten Mal. Etliche Schulen und auch die Berufskollegs haben in der Sekundarstufe II bereits seit langem wichtige Netzwerke zu Betrieben und Hochschulen aufgebaut und eigene Module der Berufsorientierung entwickelt. Diese werden durch die Einführung der Standardelemente keineswegs obsolet. Sie bilden einen Mindeststandard ab, der keineswegs bereits bestehende Strukturen entkräftet oder ersetzt.

Fazit
Mit der Kommunalen Koordinierungsstelle „Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA)“ im Regionalen Bildungsbüro hat der Kreis Mettmann ein wirksames Instrument für die Erreichung seines strategischen Zieles im Bildungsbereich sowie zur Umsetzung der vom Land verbindlich vorgegebenen Berufsorientierung ab Klasse sieben geschaffen. Im Bereich der Sekundarstufe I ist das Verfahren etabliert und bewährt. In der Sekundarstufe II findet derzeit eine Ergänzung bestehender schulischer Berufsorientierung mit den entsprechend vorgegebenen Standardelementen statt.
Die Kommunale Koordinierungsstelle KAoA im Regionalen Bildungsbüro hat für beide Bereiche passende Strukturen und Arbeitskreise geschaffen und stellt die Kommunikation aller Beteiligten sicher.
Auch in der Berufsorientierung mussten viele Maßnahmen angesichts der Coronapandemie ausgesetzt werden. Allerdings wurde darauf geachtet, dass das Netzwerk in digitaler Form im Kontakt bleiben konnte. Einige Partner wie z.B. die IHK haben digitale Formate entwickelt. Derzeit wird gerade der Faden wieder aufgegriffen und es wird parallel viel im Hybrid-Format geplant.
Auch zukünftig wird der Prozess der Berufsorientierung im Kreis Mettmann qualitativ hochwertig gestaltet, unterstützt und begleitet.  


Gabriele Riedl
Quelle: Kreis Mettmann