Besondere Herausforderungen und neue Wege in der Coronapandemie

16. Februar 2021: Von Hartmut Levermann, Pressestelle, Kreis Coesfeld

Anfang März 2020 registrierte das Gesundheitsamt im Kreis Coesfeld die erste Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Wie in anderen Kreisen und kreisfreien Städten entwickelte sich ein dynamischer Verlauf des Ausbreitungsgeschehens. Um eine eventuelle Überlastung der Krankenhäuser durch schwere Infektionsverläufe bei Infizierten zu vermeiden, richtete der Kreis Coesfeld vorsorglich in einer Sporthalle eines Berufskollegs ein Hilfskrankenhaus ein. Zum Einsatz kam es bislang erfreulicherweise nicht. Denn von Beginn an setzte das Gesundheitsamt auf konsequente Kontaktnachverfolgung, um zügig Personen zu isolieren und so einen Wellenbrecher für die Verbreitung zu schaffen.

Aus der Spitze gelernt
Den Höhepunkt der Pandemie mit bundesweiter Aufmerksamkeit erreichte der Kreis Coesfeld mit dem punktuellen Ausbruch von Corona bei einem fleischverarbeitenden Betrieb im Mai 2020. Der Sieben-Tage-Inzidenzwert überschritt die 100er-Marke. Lockerungen wie zum Beispiel die Öffnung von Gaststätten oder Fitnessstudios, durften im Kreis Coesfeld erst eine Woche später umgesetzt werden als im restlichen Gebiet des Landes NRW. Bei einer Zunahme von Infektionen bei der Belegschaft des fleischverarbeitenden Betriebes erfolgten vorrangig zügige Isolationen der Infizierten zur Verhinderung der Ausbreitung der Erkrankung. Das Gesundheitsamt führte intensive Recherchen mit Reihentestungen in den Gemeinschaftsunterkünften und in Absprache mit dem Krisenstab, der Coesfelder Ordnungsbehörde und den Firmenverantwortlichen eine Massentestung innerhalb des Betriebes durch. Ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten einen positiven Befund. Die Schließung des Betriebes musste temporär durch das Kreisgesundheitsamt angeordnet werden. Nach Ausarbeitung eines tragfähigen Hygienekonzeptes unter Mitwirkung und Beratung der Behörden konnte das Unternehmen den Betrieb wiederaufnehmen. Das Spotlicht auf Deutschlands zweitgrößten Schlachtbetrieb (Stand 2019) entfachte bundesweit eine breite politische Debatte über die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitenden der Branche. Unter anderem stellte sich der NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann, an die Spitze und leitete Änderungen im Arbeitsschutzkontrollgesetz ein. Das Rampenlicht dimmte sich auf Coesfeld, als sich im benachbarten Kreis Gütersloh in einem dortigen Schlachtbetrieb ein Hotspot entwickelte. Die Unterbrechung in der fleischverarbeitenden Industrie führte zu einem Stau am Anfang der Lieferkette. In den Ferkel- und Schweinemastbetrieben unserer Region füllten sich die Ställe. Der ökonomische Druck und die Existenzsorgen bei den Erzeugern stiegen rasant und öffnete auch in der Öffentlichkeit den Blick auf die Abhängigkeiten zu den großen Schlachtbetrieben.
In den warmen Folgemonaten entspannte sich die Infektionslage im Kreis Coesfeld. Jedoch traf der Lockdown verschiedene Branchen schwer, darunter auch die Reiseanbieter. Als im Herbst die Fallzahlen wieder stiegen, bot ein Reisebüro mit seinen Gesprächskompetenzen an, das Gesundheitsamt bei der Kontaktnachverfolgung zu unterstützen. Es ergab sich eine Win-win-Situation. Denn aus der Krise im Frühjahr hatte der Krisenstab weiter für eine konsequente Verfolgung der Infektionsketten plädiert, auch wenn diese sehr personalintensiv ist. Bis zu zehn Beschäftigte des Reisebüros entlasteten ab November nach Beauftragung durch den Kreis die Belegschaft des Gesundheitsamtes, indem sie täglich die in Quarantäne befindlichen Personen telefonisch betreuten. Der Kreis Coesfeld konnte so die gewonnenen Kapazitäten in der Kontaktnachverfolgung einsetzen.


Soldatinnen und Soldaten unterstützen im Gesundheitsamt bei der Kontaktnachverfolgung.
Quelle: Kreis Coesfeld

Im Rahmen eines Hilfeantrages an die Bundeswehr konnte das Team für die Kontaktnachverfolgung zudem ab November 2021 um zusätzlich 20 Personen aufgestockt werden. Auch bei der Umstellung auf die vom Helmholtz-Zentrum mitentwickelte Kontaktmanagementsoftware SORMAS (Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System) zur digitalen Verwaltung der Meldungen und Kontaktnachverfolgung unterstützte ein erfahrener Bundeswehrsoldat. Der allgemeine notwendige Weg in die Digitalisierung zeigt sich auch in der im Infektionsschutzgesetz vorgeschriebenen Übertragung der positiven Meldungen der Labore an die Gesundheitsämter über DEMIS ab dem 1.1.2021. In der Spitzenzeit waren 80 Personen mit der Recherche von Infektionswegen beim Gesundheitsamt in Coesfeld befasst.
„Das Ziel, binnen eines Tages alle Kontaktpersonen eines positiv Getesteten in Quarantäne zu bringen, um die Infektionskette zu unterbrechen, konnten wir so kontinuierlich einhalten“, so das Resümee von Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr. Das Verdienst für die im Durchschnitt niedrige Inzidenz im Kreis Coesfeld gebühre jedoch vor allem auch der Bevölkerung, die sich diszipliniert an die Abstands- und Hygieneregeln gehalten habe.
Das zeitlich befristete Hilfskontingent der Bundeswehr wird seit Januar 2021 sukzessive gegen vom Bund finanzierte Containment-Scouts ersetzt. Das ist für den Landrat ein positives Signal der Unterstützung, er fügt aber kritisch an: „Die Investitionslast in den Schutz der Bevölkerung kann nicht überwiegend von den Kommunen getragen werden.“ Daher begrüßte ich die Entscheidung des Bundes, die Kosten der Amtshilfe durch die Bundeswehr den Kommunen nicht in Rechnung zu stellen.“ Ein richtiges Signal, denn die Pandemiebekämpfung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Der Wettlauf beginnt

Auf den Prüfstand ging das Impfzentrum des Kreises Coesfeld am 22.12.2020, um den reibungslosen Ablauf zu testen.
Quelle: Kreis Coesfeld

Im letzten Quartal 2020 stiegen die Inzidenzwerte wieder an und es wurde eine zweite Infektionswelle prognostiziert, die auch auf den Kreis Coesfeld beschäftigte. Umso erfreulicher war die Nachricht, dass die Impfstoffe zeitnah zur Verfügung stehen. Wie alle Kreise und kreisfreien Städte machte sich der Kreis Coesfeld Ende November auf den Weg, ein Impfzentrum für die gut 220.000 Einwohnerinnen und Einwohner einzurichten. Hierfür fand sich in Dülmen bei der Sportwagenmanufaktur Wiesmann ein geeignetes Gelände, das die Anforderungen am besten erfüllte. Die zentrale Lage im Kreisgebiet, die gute verkehrliche Erschließung und die vorhandenen Räumlichkeiten gaben hierfür den Ausschlag. Zum landesweiten Start der Impfungen vulnerabler Personengruppen in vollstationären Einrichtungen am 27.12.2020 machte sich das mobile Impfteam auf den Weg. Bald ist die Immunisierung der Personen in vollstationären Pflegeeinrichtungen abgeschlossen.


Das Impfzentrum des Kreises Coesfeld in Dülmen startet am 08.02.2021 mit der Impfung der über 80-Jährigen.
Quelle: Kreis Coesfeld


„Impfung ist Impfung“ meint die 84-jährige Edith Holthöwer gelassen bei ihrer ersten Spritze gegen SARS-CoV-2.
Quelle: Kreis Coesfeld

Am 8. Februar 2021 konnte Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr sodann mit dem landesweiten Impfstart in den Zentren die ersten Bürgerinnen und Bürger im Impfzentrum begrüßen. Dieses wandelte sich vom Verteilzentrum von Impfdosen für die mobilen Teams zur Impfstelle für Impfwillige. „Auch wenn es im Vorfeld bedauerlicher Weise technische Probleme mit dem Vergabesystem für Impftermine bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe gab, ist der Start der Impfungen im Impfzentrum ein sehr gutes Signal für die Bürgerinnen und Bürger, die mit großer Resonanz das Impfangebot annehmen“, wertet der Landrat den Start durchweg positiv. Der Kreis Coesfeld setzte von Anfang an auf eine gute Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und dem Deutschen Roten Kreuz. Das Team der Öffentlichkeitsarbeit in der Kreisverwaltung drehte mit einem Notfallsanitäter des DRK einen Erklärfilm, um den Ablauf einer Impfung im Impfzentrum für die Öffentlichkeit transparent zu machen. Insbesondere die jüngere Zielgruppe wurde als Mediatoren über die Verbreitung des Films in den sozialen Medien angesprochen.
Erneut zeigte sich die münsterländische Mentalität: Das große ehrenamtliche Engagement in der Bürgerschaft. Schnell entwickelten sich neben dem vom Kreis Coesfeld angebotenen Shuttle-Service und einem kostenlosen ÖPNV-Angebot für die über 80-jährigen und eine Begleitperson in den Kommunen niedrigschwellig organisierte Fahrdienste für die älteren Bürgerinnen und Bürger, die keine Alternative finden können, das Impfzentrum eigenständig aufzusuchen.
„Die Bekämpfung einer solchen Jahrhundert-Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von allen nach eigenen Möglichkeiten mitgetragen werden muss, um zum Erfolg zu führen“, wendet sich Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr an jede Einzelperson.
Bereits vor Inbetriebnahme des Impfzentrums, nämlich seit Ende Januar, konnte der Kreis Coesfeld einen Inzidenzwert von unter 50 verzeichnen. Dies, so Landrat Schulze Pellengahr, sei durch den Vierklang aus (1) Einhaltung der Regeln durch die Bevölkerung, (2) unmittelbarer Kontaktnachverfolgung durch das Gesundheitsamt, (3) der verantwortungsvollen Zusammenarbeit im Krisenstab sowie (4) dem hohen Engagement der Klinken und des DRK vor Ort erreicht worden. Die nun vermehrten Impfungen lassen hoffen und erwarten, dass der Kreis Coesfeld weiterhin niedrige Inzidenzen behalten dürfte.


Hartmut Levermann
Quelle: Kreis Coesfeld