„Corona veränderte nichts – außer alles“ - LWL-Förderschulen nach einem Jahr der Pandemie
Die 35 Förderschulen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) sind durch die Corona Pandemie wie alle Schulen herausgefordert mit schnell wechselnden Rahmenbedingungen für die Bildung und Förderung umzugehen. Alle Beschäftigten – von den Lehrkräften über die Beschäftigten im Bereich Verwaltung, Therapie und Pflege bis hin zu den Eltern - setzen sich auch und gerade in dieser Zeit mit außerordentlichem Engagement für die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen ein. Es war eine enge Abstimmung aller Beteiligter notwendig, um negative Folgen der Corona-Pandemie für die Bildung und Entwicklung der Schülerinnen und Schüler so gering wie möglich zu halten.
Gemäß Schulgesetz sind die Landschaftsverbände verpflichtet, Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation, mit dem Förderschwerpunkt Sehen, mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung und in der Sekundarstufe I mit dem Förderschwerpunkt Sprache zu errichten und fortzuführen. Der LWL ist Träger von 35 Förderschulen und finanziert zwei Förderschulen in anderer Trägerschaft.
Aufgrund der überregionalen Einzugsbereiche der LWL-Förderschulen werden dort rund 6.400 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Kreisen und kreisfreien Städten beschult.
Auf Grund der zum Teil erhöhten Vulnerabilität der Schülerinnen und Schüler der LWL-Förderschulen ist „zu beachten, dass der Alltag der betroffenen Schülerinnen und Schüler in Zeiten der COVID-Pandemie vielfach von gesundheitsbezogenen Sorgen, dem Bemühen um Infektionsschutz und Isolation geprägt ist. „Einschränkungen der sozialen Teilhabe, der Tagestruktur und der Verfügbarkeit zielgruppenspezifischer Informationen prägen dabei ebenso die Lebensrealität wie die Zunahme an Fremdbestimmung (…).“ (KME Dozentinnen und Dozenten 2020, S. 1).
In diesem Bewusstsein, werden nach fast genau einem Jahr, in dem die Corona-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die schulische Bildung hat, die Ereignisse zunächst rückblickend geordnet, bevor sie einer vorläufigen Bilanz unterzogen werden:
Chronologie
- Mit der Schulmail vom 13. März 2020 verkündete die Landesregierung NRW die Schließung aller Schulen in Nordrhein-Westfalen in dem Zeitraum vom 16.03.2020 bis zum Beginn der Osterferien. Um Eltern, die in unverzichtbaren Funktionsbereichen arbeiten, die Möglichkeit einzuräumen, ihre Arbeit weiterhin auszuführen, wurde parallel ein Betreuungsangebot eingerichtet.
- In dem Zeitraum vom 11. Mai 2020 bis zum Beginn der Sommerferien fand eine stufenweise Wiederaufnahme des Unterrichts statt. Im Rahmen eines rollierenden Systems wurde den Schülerinnen und Schülern aus unterschiedlichen Jahrgangsstufen der Schulbesuch im täglichen bzw. wöchentlichen Wechsel ermöglicht. Während der übrigen Tage im Distanzunterricht konnte die Betreuung weiterhin in Anspruch genommen werden.
- Ab Mitte Juni wurden alle Schülerinnen und Schüler der Primarstufe wieder täglich im Präsenzunterricht beschult. Alle übrigen Klassen wurden weiter im rollierenden System einmal pro Woche unterrichtet. Die Betreuung für die Klassen 5 und 6 wurde parallel fortgesetzt, die Betreuung im offenen Ganztag wiederaufgenommen.
- Mit Ende der Sommerferien hat auch der LWL an seinen 35 Förderschulen den Regelbetrieb wieder aufgenommen. Somit besuchten zu diesem Zeitpunkt alle Schülerinnen und Schüler, die nicht aufgrund eines erhöhten Infektionsrisikos vom Schulbetrieb befreit waren, wieder die Schule.
- Das anhaltende Pandemiegeschehen veranlasste die Landesregierung dann für die Woche vom 14.12.-18.12.2020 die Präsenzpflicht in Schulen aufzuheben. Des Weiteren wurden die Weihnachtferien um vier unterrichtsfreie Tage erweitert. Die Betreuung an den LWL-Förderschulen wurde am 21.12. und 22.12.2020 sowie am 07.01. und 08.01.2021 sichergestellt.
- Seit dem 11.01.2021 wurde der Unterricht in allen Schulen und Schulformen für alle Jahrgangsstufen als Distanzunterricht erteilt. Alle LWL-Förderschulen boten ein Betreuungsangebot unabhängig vom Alter der Schüler an.
- Ab dem 22. Februar 2021 hat eine schrittweise Öffnung der Schulen stattgefunden (Unterricht für die Primarstufe und die Abschlussklassen als Präsenz- oder Wechselunterricht in festen Gruppen) plus Distanzunterricht für die übrigen Jahrgänge plus Betreuungsangebot.
- Ab dem 8. März 2021 erhalten alle Personen, die in Grundschulen, in PRIMUS-Schulen sowie in Förderschulen und Schulen für Kranke tätig sind, in der sogenannten Impfpriorität 2 ein Impfangebot. Impfberechtigt sind neben Lehrkräften auch alle weiteren Beschäftigten, die regelmäßig in den genannten Einrichtungen tätig sind (beispielsweise Schulbegleitung, Sozialarbeiterinnen und –arbeiter). Die Art des Beschäftigungsverhältnisses ist für den Impfanspruch unerheblich. Maßgeblich ist die Tätigkeit in der jeweiligen Schule und damit der regelmäßige Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern.
- Ab dem 15. März 2021 ist wieder ein Unterricht für alle Jahrgangstufen der Förderschulen möglich. Die Schulen können dabei zwischen Wechselunterricht oder Präsenz-unterricht wählen.
Schülerbeförderung
Eine große Herausforderung für den LWL als Schulträger war und bleibt die Organisation des Schülerspezialverkehrs. Im Normalbetrieb befördern die vom LWL beauftragten Unternehmen auf rund 1.314 Buslinien etwa 5.200 Schülerinnen und Schüler täglich. Eine Mammutaufgabe, erst recht bei verschärften Hygienevorgaben und wechselnden Schulmodellen in Corona-Zeiten. Gemeinsam mit den beauftragten Unternehmen stellt der LWL sicher, dass die Kinder und Jugendlichen auch in dieser Zeit zuverlässig und sicher befördert werden. Die Organisation der Beförderungsleistungen für den Zeitraum der coronabedingten Schließungen und schrittweisen Wiedereröffnung der Schulen erforderte ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Schülerbeförderung und der Schulabteilung waren immer wieder mit wechselnden Rahmenbedingungen konfrontiert, die für sie, wie auch für die beauftragten Unternehmer ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement erforderte.
Digitale Ausstattung
Gefördert über den Digitalpakt Schule unterstützt der LWL die Förderschulen unter anderem mit 2.500 IPads für die Schüler und 800 Laptops für die Lehrkräfte. Die LWL-Förderschulen müssen hier auch auf die Barrierefreiheit der Anwendungen achten und die Inhalte individuell auf den Grad der Behinderung sowie die Selbstständigkeit ihrer Schüler anpassen. Auch, wenn sich das Distanzlernen am regulären Stundenplan orientiert, müssen die Schüler:innen ihre Tagesabläufe und das Bearbeiten der Aufgaben zu Hause viel mehr selbst strukturieren. Das fällt gerade jüngeren Schüler:innen noch schwer. Die Unterstützung der Kinder im Distanzunterricht ist dadurch auch für die Eltern und die Familien eine besondere Belastung.
Therapie und Pflege
Während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 zeigte sich, dass der Therapieausfall auf Grund des Betretungsverbots vor allem für Komplex behinderte Schülerinnen und Schüler zu Rückschritten in der Entwicklung und erheblichen gesundheitlichen Folgen geführt hat. Um die Therapien während der Zeit des Distanzunterrichts unter Einhaltung aller Hygienevorschriften weiterhin anbieten zu können, hat der LWL flexible Arbeitszeitmodelle für die Therapie- und Pflegekräfte gestaltet. Eltern wird so ermöglicht ihre Kinder auch unabhängig von der Teilnahme an Betreuung oder Unterricht an Therapie teilhaben zu lassen[1].
Lüftung in Schulen und Sporthallen
Die Sport- und Bewegungshallen an den einzelnen Schulstandorten waren in dem Zeitraum von den ersten Schulschließungen im März bis zu den Herbstferien sowohl für den Schul- als auch für den Vereinssport aus Infektionsschutzgründen flächendeckend geschlossen. Mit der Rückkehr zum Präsenzbetrieb in den Schulen galt es, ein besonderes Augenmerk auf die Lüftungssituation in den Klassenräumen zu werfen. Das Lüften trägt zur maßgeblichen Reduzierung des indirekten Infektionsrisikos bei. Eine wirksame und regelmäßige Durchlüftung der Räume muss daher in den LWL-Förderschulen sichergestellt sein.
Alle Schulräumlichkeiten wurden auf ihre Lüftungsmöglichkeiten hin überprüft. Im Ergebnis wurden Vorgaben für die Nutzung bzw. Nichtnutzung der Sporthallen und Schwimmbäder in Abhängigkeit der vorhandenen Raumlufttechnischen-Anlagen erarbeitet. Dort, wo es bautechnisch umsetzbar war, wurden und werden Schulräume und Sporthallen ertüchtigt, um eine Nutzung zu ermöglichen.
Fazit
Hier konnten nur einige der Herausforderungen skizziert werden, die der LWL als Schulträger seit Beginn der Pandemie – oftmals in schneller Folge – zu bewältigen hatte (dazu gehörten z.B. auch Ferienmaßnahmen, Erstattung der OGS Elternbeiträge, Beschaffung von FFP2 Masken). Die Pandemie hat Unterricht, Therapie und Pflege an Förderschulen stark verändert. Die Schulschließungen haben die Möglichkeiten der individuellen Bildung und Förderung eingeschränkt und erfordern viel Kreativität – neue Impulse konnten hingegen für die Digitalisierung gesetzt werden.
Es stellt sich die Frage, wie ein solcher Rückblick auf ein Jahr der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie für die LWL-Förderschulen in 10 Jahren ausfallen wird. Der Rückblick nach einem Jahr macht deutlich: Der Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe darf auch gerade in dieser Zeit der Corona-Pandemie nicht aus dem Blick geraten. Durch die besonders vulnerable Schülerschaft ist dabei stets eine besonders sorgfältige Abwägung zwischen dem Anspruch auf gleichwertige Bildungsteilhabe/ soziale Teilhabe und dem Infektionsschutz notwendig. Die Sicherung eine qualitativ hochwertigen Bund und Förderung der Kinder und Jugendlichen an unseren Schulen ist dem LWL als Schulträger insbesondere in Zeiten der Pandemie ein wichtiges Ziel und Ansporn.
Dr. Ingo Bosse
Quelle: LWL
[1] Konferenz der Dozentinnen und Dozenten der Pädagogik bei Beeinträchtigungen der körperlich-motorischen Entwicklung (KME) in den deutschsprachigen Ländern (2020). Stellungnahme zu fachwissenschaftlichen Perspektiven in der Covid 19 – Pandemie. https://www.reha.hu-berlin.de/de/lehrgebiete/kbp/aktuelles/kme-stellungnahme-covid-19-pandemie_final-2.pdf [04.03.2021].