Das integrierte Gewässer- und Auenprojekt Bega im Kreis Lippe

13. Oktober 2022: Von Barbara von der Lippe, Fachgebiet Landschaft und Naturhaushalt, und Dipl.-Ing. Jür-gen Benning, Fachgebiet Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz, Kreis Lippe

501 Hektar, 24 Kilometer Fluss, 1399 Einzelmaßnahmen, mehrere Jahre Arbeit und ein Ziel: Einen Abschnitt des Flusses Bega in einen möglichst natürlichen Zustand bringen. Das integrierte Gewässer- und Auenprojekt Bega verbindet dabei wasserrechtliche und naturschutzfachliche Vorgaben. Bis das Projekt abgeschlossen ist, wird es mehrere Jahre dauern. Derzeit arbeiten vier Kreis-Mitarbeiter, neben ihrer normalen Tätigkeit, an der Umsetzung.

Bislang ist der Bega-Abschnitt von zusammenhängenden, landwirtschaftlichen Flächen umgeben, die wenig durch Siedlungen beeinträchtigt werden. Diese Fläche, die sogenannte Aue, soll natürlicher werden. Ab dem kommenden Jahr startet der Kreis Lippe mit den größeren Maßnahmen. Hierfür hat ein Planungsbüro 2019 eine Konzeption zur modellhaften Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) unter Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Vorgaben des Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebietes Begatal für den Kreis Lippe erarbeitet.

Mit dem Projekt wird eine zielgerichtete gemeinsame Betrachtungsweise der Fachdisziplinen Wasser und Naturschutz mit dem Themenfeld soziale Verantwortung am Menschen durch Tätigkeiten zur nachhaltigen Verbesserung und Schutz der Fließgewässer und seiner Auen für die nachfolgenden Generationen verfolgt. Darüber hinaus erfolgt mit dieser Konzeption die Aufstellung eines regionalen Kompensationsflächenkonzeptes – also die Bündelung kleiner, verstreut liegender Einzelmaßnahmen zu einer zusammenhängenden, ökologisch sinnvollen größeren Fläche - mit dem Ziel, Öko-Wertpunkte im Rahmen von Maßnahmenumsetzungen in einem Kompensationsflächenpool zu generieren.

Die Begaaue – was passieren soll und wie der Kreis Lippe das schafft
Die Bega entspringt im lippischen Bergland und mündet nach 43 km in das Gewässer Werre. Das oberirdische Einzugsgebiet mit rund 376 km2 befindet sich komplett im Kreis Lippe. Das Gewässer ist ein berichtspflichtiges Gewässer der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRl) und in zwei Oberflächenwasserkörper aufgeteilt. Ein berichtspflichtiges Gewässer ist ein Gewässer, über das aufgrund der Größe des Einzugsgebiets Bericht an die EU gegeben wird. Oberflächenwasserkörper beschreiben dabei Abschnitte, die mit dem Einzugsgebiet zusammenhängen.
Der Oberlauf der Bega von der Hansestadt Lemgo bis zur Quelle im Stadtgebiet Barntrup liegt mit seiner Aue im festgesetzten Gebiet der europäischen Flora-Fauna-Habitat Richtlinie und ist auch Naturschutzgebiet. Festgesetzt bedeutet, dass das Gebiet aufgrund seiner Artenzusammensetzung entsprechend an die EU gemeldet wurde. Die Bearbeitungskulisse des integrierten Gewässer- und Auenkonzeptes Bega umfasst den Oberlauf der Bega auf einer Länge von rund 24 km mit einer Gebietskulisse von rund 501 Hektar. Die Gebietskulisse ist in der beigefügten Abbildung dargestellt und umfasst die Kommunen Lemgo, Dörentrup, Blomberg und Barntrup.


Die Gebietskulisse.
Quelle: Land NRW/Kreis Lippe (Geobasisdaten: Land NRW (2022) Datenlizenz Deutschland - Namensnennung - Version 2.0 (www.govdata.de/dl-de/by-2-0) - Fachdaten: Kreis Lippe - FB700 Realisierung: Kreis Lippe - FB700 Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Mobilität

Darüber hinaus ist die Aue in diesem Oberlauf nur sehr gering durch Ortslagen eingeschränkt und fließt unmittelbar in freier Landschaft. Es fanden in der Vergangenheit bereits vielfältige Gewässerentwicklungs-und landschaftspflegerische Maßnahmen statt. Dabei zeigten sich im Rückblick folgende Probleme: Die Ziele der FFH Richtlinie sind manchmal in der Wirkung konträr zu den Zielen der WRRL. Die Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes sind nicht auf Maßnahmen der Wasserwirtschaft abgestimmt. Es bestehen Zielkonflikte aus den unterschiedlichen Fachrichtungen. Die Bega ist in ihrem Verlauf durch frühere Ausbaumaßnahmen sehr stark festgelegt, die Aue kann mit einfachen Maßnahmen nicht aktiviert werden.
Dies führte zu der Erkenntnis, dass nur eine integrierte Planungskonzeption zu zielgerichteten Entwicklungsmaßnahmen für das Gewässer und seiner Aue mit langfristigen Erfolgen führen kann. Somit war das integrierte Gewässer- und Auenkonzept Bega gedanklich geboren. Dieses modellhafte Projekt wurde so in Nordrhein-Westfalen noch nicht angewendet.
Das Plangebiet mit 501 Hektar zeigt sich bei den Eigentumsverhältnissen zweigeteilt, neben drei Hauptflächeneigentümern wie dem Kreis Lippe, dem Landesverband Lippe und der Hansestadt Lemgo, die sich 49,7 % der Gesamtfläche aufteilen, sind 50,3 % der Gesamtfläche bei 237 Eigentümern verteilt. Ein weiterer wichtiger Partner bei der Erarbeitung der Konzeption war die Bezirksregierung Detmold mit dem Dezernat Wasserwirtschaft.
Die Erarbeitung der Konzeption war aufgrund der Eigentumsverhältnisse von vornherein kooperativ ausgelegt. Bei einer Auftaktveranstaltung hat der Kreis den betroffenen Akteuren das Projekt deshalb vorgestellt und für Akzeptanz geworben.
Die besondere Herausforderung bei der Erarbeitung der Planungskonzeption lag in der Formulierung von integrierten Leitbildern. Diese Leitbilder sind unabdingbar für die Ableitung von integrierten Entwicklungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Restriktionen.
Eine weitere Herausforderung bestand in dem großen Planungsraum mit seinen 501 Hektar Fläche und 24 Kilometern Fließgewässerlänge. Aus diesem Grund wurde der Planungsraum in Längsrichtung in drei weitgehend homogene Leitbildräume unterteilt.


Die Leitbildräume.
Quelle: Land NRW/Kreis Lippe (Geobasisdaten: Land NRW (2022) Datenlizenz Deutschland - Namensnennung - Version 2.0 (www.govdata.de/dl-de/by-2-0) - Fachdaten: Kreis Lippe - FB700 Realisierung: Kreis Lippe - FB700 Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Mobilität

Die Auswertung vorhandener Pläne führte zu einem umfassenden integrierten Planwerk, dessen Kernpunkt die Bildung von 20 Abschnitten darstellt. In diesen Abschnitten werden die Rahmenbedingungen oder auch Restriktionen neutral beschrieben und dargestellt. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Leitbildes werden im Anschluss daran Entwicklungsziele für einen anzustrebenden Zielzustand des Gewässers und seiner Aue ausgewiesen.
Das abschließende integrierte Planwerk besteht aus einem zentralen Erläuterungsbericht mit 143 Seiten und fünf Anhängen wie Maßnahmensteckbriefen, Maßnahmentabelle, Querbauwerkskataster, Daten zur Hydraulik, Fotodokumentation und Kartenanlagen zu den vorab beschriebenen Fachinhalten.
Den Kern dieser Fachplanung bilden die in den 20 Maßnahmenabschnitten aufgelisteten 1.399 Einzelmaßnahmen. Die Einzelmaßnahmen sind in 215 Einzelsteckbriefe in DIN-A4 Format aufgeteilt. Diese Steckbriefe enthalten eine Zuordnung zum Maßnamenabschnitt mit laufender Nummer, eine Verknüpfung zum umfangreichen Planwerk, eine Kurzbeschreibung der Hauptmaßnahme mit Flächenangabe in Form einer öffentlichen Fläche oder einer Fläche in Privateigentum, einen Kartenausschnitt zur Orientierung, grobe Kostenangaben und ein Piktogramm mit visuelle Zuordnung zum Planwerk.
Die Umsetzung der Maßnahmen und die vollständige Abwicklung derselben einschließlich der zukünftigen Betreuung der Entwicklung erfolgt ausschließlich durch den Kreis Lippe und die Mitarbeiter der Wasser- und Naturschutzbehörde.
Derzeit läuft die Planung einer ersten größeren integrierten Detailplanung für die Reaktivierung einer Primäraue unter Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Zielvorstellungen. Nach Umsetzung soll die Bega in dem Betrachtungsabschnitt wieder seine vollen Möglichkeiten der Auenüberflutung wahrnehmen können. Dieses wird punktuell den Hochwasserschutz stärken und leitbildkonforme Entwicklung der Tiere und Pflanzen in diesem FFH-Abschnitt sicherstellen.
Die Finanzierung der geplanten Maßnahmen soll aus unterschiedlichen Quellen erfolgen. Für die wasserwirtschaftlichen Maßnahmen sollen Fördermittel des Landes NRW beantragt werden. Verbleibende Maßnahmen, die nicht mit wasserwirtschaftlichen Fördermitteln bezuschusst werden können sollen aus anderen Mitteln zum Beispiel des Naturschutzes gefördert werden. Der Kreis Lippe hat zur Co-Finanzierung des Eigenanteils außerdem ein Ökokonto eingerichtet. Auf dieses werden je nach ökologischer Bewertung einer Maßnahme sogenannte Ökopunkte gebucht. Für die Abrechnung dieser Punkte gibt es dann Geld.

Wasserwirtschaft und Naturschutz gemeinsam zum Ziel


Die Bega, ein naturnaher sich selbst überlassender Fluss in der freien Landschaft.
Quelle: Kreis Lippe

Mit der vorliegenden Konzeption verspricht sich der Kreis Lippe, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Wasserwirtschaft weiter zu stärken und mit gutem Vorbild für andere Beteiligte Maßnahmen aufzuzeigen.

Darüber hinaus besteht mit dem Instrument des Kompensationsflächenpools die Möglichkeit eine innovative, lösungsorientierte Vorgehensweise für die kommunalen Mitglieder des Kreises Lippe zu bieten, eine pragmatische Lösung zur Umsetzung ihrer Kompensationsbedürfnisse zu finden und hiermit eine ökologisch nachhaltige Entwicklung eines wertvollen Naturlebensraumes zu fördern.

Barbara von der Lippe
Quelle: Kreis Lippe

Jürgen Benning