Das neue KiBiz im Jugendamt des Rhein-Sieg-Kreises

05. November 2020: von Irina Wünschmann-Dick, Fachberatung für Kindertageseinrichtung und Sonja Klein, Koordinatorin Kindertagespflege und Kita-Bedarfsplanerin, Rhein-Sieg-Kreis

Das neue Kinderbildungsgesetz (KiBiz) hat für die Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen weitreichende Veränderungen mit sich gebracht. Das Kreisjugendamt des Rhein-Sieg-Kreises war auf die signifikanten Veränderungen gut vorbereitet. Dennoch ergaben sich diverse Herausforderungen.

Der Rhein-Sieg-Kreis zählt zu einem der größten Kreise deutschlandweit. Das Kreisjugendamt ist aktuell für 96 Kindertageseinrichtungen und 115 Kindertagespflegepersonen in acht Gemeinden zuständig: Alfter, Eitorf, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Ruppichteroth, Swisttal, Wachtberg und Windeck. Die Gemeinden verteilen sich neben den 11 Städten mit jeweils eigenem Jugendamt im Kreisgebiet zwischen Köln und Bonn.

Punktuelle Veränderungen im Bereich der Kindertageseinrichtung
Land, Bund und Kommunen investieren ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 allein fast eine Milliarde Euro zusätzlich jährlich in die Qualität der Kindertagesbetreuung (Zitat: ‚Mehr Chancen für unsere Kinder und Familien‘, Dr. Joachim Stamp, Pressemitteilung MKFFI, 29.11.2019). Das Land NRW und die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe tragen die Kosten hälftig, wovon alle Träger (auch die Kommunen) profitieren sollen. Der Großteil dieser Mittel soll der Beseitigung der strukturellen Unterfinanzierung der Träger von Kindertagesstätten dienen, gleichzeitig auch die Möglichkeit bieten, qualitative Standards – u.a. durch Sicherstellung und Weiterentwicklung eines guten Personalschlüssels - zu verbessern. Die dem Fördersystem zugrundeliegenden Kindpauschalen wurden hierfür durchschnittlich um 22% angehoben. Für das Kreisjugendamt bedeutet diese Anhebung Mehrausgaben in Höhe von jährlich ca. 4 Millionen Euro.

Deutlich erkennbare Intention des Landesgesetzgebers ist es, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen. Um dem gerecht werden zu können, sollen die Angebote der Kindertagesbetreuung flexibler gestaltet werden. Durch ein Landesförderprogramm sollen finanzielle Anreize gesetzt werden, um beispielsweise längere Öffnungszeiten, verkürzte Schließtage im Jahr oder erweiterte Betreuungsbedarfe an Wochenenden, Feiertagen oder in den Morgen- sowie Abendstunden zu realisieren. Die Umsetzung des Förderprogrammes erfolgt im Kreisjugendamt nach Interessensabfrage bei allen Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonen. Wegen des Mangels an pädagogischen Fachkräften bekundeten lediglich 9 Kindertageseinrichtungen ihr Interesse. Die Vielfältigkeit der Ausgestaltung von flexiblen Betreuungszeiten hat unterschiedlich hohe Fördermittel für das Kindergartenjahr 2020/2021 zwischen 9.525 und 38.100 Euro an die jeweiligen teilnehmenden Kindertageseinrichtungen ergeben. Für eine finanzielle Unterstützung zum nächsten Kindergartenjahr werden neue Fördermittel auf der Grundlage eines weiterem Interessensbekundungsverfahren verteilt. Das Kreisjugendamt hofft, dass weitere Kindertagesstätten und auch Kindertagespflegepersonen an dem Förderprogramm teilnehmen.

Von der Novellierung des Kinderbildungsgesetzes profitieren ebenfalls die Familienzentren im Kreisjugendamtsbereich durch höhere Zuschüsse von insgesamt 20.000 Euro (bislang 13.000 Euro). Daneben werden die bisher getrennten finanziellen Mittel für Kitas mit zusätzlichem Sprachförderbedarf und für eine plusKita zu einer einheitlichen Förderung ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 von 30.000 Euro in eine plusKita zusammengefasst. Aufgrund dieser Neuerung erhalten im Rhein-Sieg-Kreis nunmehr mit einer Laufzeit von 5 Jahren 15 Kitas Fördermittel für eine plusKita sowie eine Kita letztmalig Fördermittel für zusätzliche Sprachförderung. Diese personalrelevanten sowie sachkostenbezogenen Zuschüsse tragen zur Verbesserung der Qualität im Kindergartenalltag bei.

Ab August 2020 sind die beiden letzten Kindergartenjahre beitragsfrei. Dies hat eine spürbare finanzielle Entlastung der Familien sowie den chancengleichen Zugang auf Bildung für alle zum Ziel. Damit geht die erhöhte Anfrage von 45 Stunden Plätzen in den Kindertageseinrichtungen einher. Darüber hinaus befreit der Rhein-Sieg-Kreis Eltern mit einem Bruttojahreseinkommen von weniger als 24.642 Euro von einem Elternbeitrag.

Für ein bedarfsgerechtes Angebot an Betreuungsplätzen wird für die Kindertagesbetreuung eine Bedarfsplanung für einen Planungszeitraum von 3 Jahren und jährlicher Fortschreibung erstellt. Hierbei ist nach § 3 KiBiz das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern maßgeblich. Um zu einer möglichst hohen Validität der Bedarfszahlen zu gelangen, werden - ergänzend zu demografischen Modellrechnungen - Träger, Gemeinden und Fachberatung noch stärker in die Planung einbezogen. Demnach erfolgen Abfragen zum perspektivischen Bedarf zum Beispiel aufgrund der Ausweisung von neuen Wohngebieten, erkennbarem Zuzugsverhalten aus den umliegenden Großstädten Köln und Bonn oder Nachzügen von Angehörigen Geflüchteter. An dieser Stelle ist eine wesentliche Aussage der Landesregierung zu erwähnen: die zugesagte Platzausbaugarantie für jeden benötigen Kindergartenplatz. Jeder notwendige Betreuungsplatz soll für einen bedarfsgerechten Ausbau vor Ort bewilligt und investiv gefördert werden. Auch wenn dies eine wesentliche finanzielle Unterstützung der freien und öffentlichen Träger darstellt, ist die investive Landesförderung nicht auskömmlich. Die Finanzierungslücke muss mit zusätzlichen freiwilligen investiven Kreismitteln geschlossen werden, damit der Ausbau der Kindertagesbetreuung weiter voranschreiten kann. 

Höhere Qualität in der Kindertagespflege
Wer sich zukünftig dafür entscheidet, als Kindertagespflegeperson tätig werden zu wollen, ist verpflichtet, sich nach dem neuen Qualitätshandbuch (QHB) für die Ausübung zu qualifizieren. Das Kreisjugendamt steht bereits mit Bildungsträgern aus dem Rhein-Sieg-Kreis in Kontakt, die entsprechende Kurse anbieten. Während der Qualifizierung wird ein enger Austausch zwischen Bildungsträger, Kreisjugendamt und angehender Kindertagespflegeperson angestrebt und somit von Anfang an eine höhere Qualität erreicht. Ergänzend können bereits nach dem Curriculum des Deutschen Jugendinstituts (DJI) qualifizierte Kindertagespflegepersonen einen Aufbaukurs (160+) absolvieren und sich auf den aktuellen Stand fortbilden. Nach § 22 Abs.2. KiBiz ist mit der QHB-Qualifizierung eine Erhöhung der Kinderzahl in der Einzeltagespflege und der Großtagespflegestelle möglich. Hier sollen auch geringe Betreuungsanteile möglich sein, um eine Teilung von Betreuungsplätzen zu erleichtern und mehr Flexibilität, auch in der Randzeitenbetreuung, zu bringen. Eine entsprechende Änderung in der Satzung, in der u.a. geregelt wird, dass ab dem 01.08.2020 auch eine sogenannte ergänzende Tagespflege in einem relativ geringen Umfang von 5-10 Stunden in der Woche gefördert werden kann, ist erfolgt.

Um die Qualität in der Kindertagespflege zusätzlich zu stärken, werden zukünftig von bereits tätigen Kindertagespflegepersonen insgesamt 10 Fortbildungsstunden pro Kalenderjahr gefordert. Aufgrund des hohen Bedarfes in der U3-Betreuung, wirbt das Kreisjugendamt derzeit um neue Kindertagespflegepersonen. Hierfür wird die Ausübung mit einem auskömmlichen Fördersatz für die Betreuung, mit zusätzlicher Vergütung von Bildungs- und Dokumentationsarbeit sowie mit einem attraktiven Mietkostenzuschuss bei Anmietung fremder Räumlichkeiten unterstützt.

In ersten Einzelfällen gibt es im Zuständigkeitsgebiet des Kreisjugendamtes im Kontext der Großtagespflege Kindertagespflegepersonen als Anstellungsträger. Für die Praxis bedeutet das, dass sie, wenn sie bereits am 01.08.2019 Kindertagespflegepersonen beschäftigt hatten, nun bis spätestens zum 01.08.2022 Voraussetzungen zu erfüllen haben, die durch das neue KiBiz, §22 Abs.6 gefordert werden. Eine Möglichkeit hierfür ist die QHB-Qualifizierung. Ebenso sind ab dem 01.08.2020 bei einer Neugründung mit Anstellungsverhältnissen die neuen Regelungen nach KiBiz zu beachten. Dies lässt manche Interessierte auch davon absehen, zum jetzigen Zeitpunkt eine Kindertagespflegeperson in Anstellung zu nehmen.


Das Team der Kindertagespflege im Rhein-Sieg-Kreis
Quelle: Irina Wünschmann-Dick

Entwicklung im Kreisjugendamt
Ungeachtet dessen, dass der Rhein-Sieg-Kreis keine Kindertageseinrichtungen in eigener Trägerschaft betreibt, wurden mit Blick auf die Reform des KiBiz Stellen für die Fachberatung in der Kindertagesbetreuung geschaffen. Diese wirken zum einen qualitätssichernd und leisten zum anderen personen-, organisations- und prozessorientierte Beratung sowie Unterstützung für Träger, Kindertages-, Tagespflegefachberatungen und Kindertageseinrichtungen. Das pädagogische Team agiert zudem in kreisweiten Abstimmungsprozessen als Koordinations- und Moderationsstelle und ist somit aktiv an der Umsetzung des KiBiz beteiligt. Die Stellen begründen sich durch die gesetzliche Verpflichtung der Jugendämter eine angemessene Fachberatung und -vermittlung vorzuhalten. Die Rückmeldungen von einzelnen Akteuren im Rhein-Sieg-Kreis bestätigen, dass die Beratung und die Unterstützung aus dem Kreisjugendamt positiv wahrgenommen werden.

Insgesamt sieht das Kreisjugendamt die Novellierung des KiBiz als erhebliche Chance, um die Qualität in Kindertageseinrichtungen sowie Kindertagespflege prozessorientiert verbessern zu können.

Sonja Klein

Quelle: Rhein-Sieg-Kreis

Irina Wünshmann-Dick