Das neue Stadt- und Kreisarchiv Gütersloh

06. März 2019: Von Ralf Othengrafen, Kreisarchivar, und Thomas Sinnreich, Mitarbeiter des Kreisarchivs, Kreis Gütersloh[1]

Seit dem November 2018 befinden sich das Stadtarchiv Gütersloh und das Archiv des Kreises Gütersloh unter einem Dach. Am 17. November 2018 fand die Eröffnungsveranstaltung für die gemeinsame Nutzung eines neuen Gebäudes im Rahmen eines ‚Tages der offenen Tür‘ statt. Voraus ging eine Planungs- und Bauzeit von zirka zweieinhalb Jahren. Nachdem der Beschluss beider Verwaltungen für eine künftige Zusammenarbeit der Archive gefasst war, erwies es sich als eine große Schwierigkeit, ein geeignetes Gebäude zur Weiternutzung zu finden. Nach mehr als einjähriger Suche erwies sich eine Förderschule in Kreisträgerschaft, die an ihre räumlichen Grenzen kam, als Glücksfall. Die Schule zog von Gütersloh in der Nachbarstadt Rheda-Wiedenbrück in eine ehemalige Hauptschule, das bisherige Gebäude wurde frei für die Zusammenlegung der Archive. Die Schule verbesserte sich, hatte endlich Platz für ein Ganztagsangebot, und die beiden Archive ein neues Zuhause. Dies musste allerdings umfangreich umgebaut werden, um archivtechnische Anforderungen zu erfüllen. Rund 2,4 Millionen Euro nahm der Kreis als Besitzer der Immobilie dafür in die Hand.

 

Fototermin vor dem Eingang des neuen Stadt- und Kreisarchivs Gütersloh (v.l.): Bürgermeister Henning Schulz, Stadtarchivar Stephan Grimm, Kreisarchivar Ralf Othengrafen und Landrat Sven-Georg Adenauer.
Quelle: Kreis Gütersloh

Die etwa einjährige Bauplanungs- und Umbauphase verwandelte den Altbau des Schulgebäudes in einen Archivnutzungs- und Ausstellungsbereich im Erdgeschoß, ein mit Büroräumen und Technikunterstützung ausgestattetes Obergeschoß sowie ein archivfachlichen Anforderungen entsprechenden Anbau als Magazin. Dieser Anbau wurde als klimatisch abgeschlossener, technikunterstützter Gebäudeteil konzipiert und verwirklicht, mit verstärkten Decken, überwiegend Rollregalanlagen und Nebenräumen für Kartenschränke und sonstiges überformatiges Archivgut.

Erste Überlegungen und ein erstes Raumkonzept für ein gemeinsames Kreis- und Stadtarchiv ergaben folgende Punkte:

  1. Gründe für ein Zusammengehen
    • Raumeinsparungen durch eine gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten, insbesondere der Magazine und des Öffentlichkeitsbereiches
    • Kosteneinsparungen durch gemeinsame Materialbeschaffungen (Verpackungsmaterial, Bücher…)
    • Synergieeffekte beim Personaleinsatz (Vertretungsregelungen, Benutzeraufsicht…)
    • Bündelung der Kompetenzen und Ressourcen im Bereich der historischen Bildungsarbeit, insbesondere mit dem Ziel einer Stärkung der Stadt- und Kreisidentität
  2. Kriterien bei der Auswahl des Archivstandorts
    • keine Umweltbelastungen durch Industrie und Verkehr
    • keine Gefahr durch Hochwasser und andere Wasserschäden
    • gute Erreichbarkeit für Benutzer und zur Anlieferung der Akten; ausreichend Parkplätze
    • Nähe zur Verwaltung
    • Barrierefreier Zugang
  3. Kriterien für die Archivräumlichkeiten
    Drei räumlich voneinander getrennte Funktionsbereiche:
    • Öffentlichkeitsbereich
    • Büro- und Technikbereich
    • Magazinbereich

 

Das klassische Schulgebäude, hier das Erdgeschoss, im oberen Bildteil beherbergt die öffentlichen Bereiche, die Technik- und Besprechungsräume sowie die Werkstätten und die Büros. Im Anbau ist das Magazin untergebracht, beides ist durch einen Gebäudekörper miteinander verbunden.
Quelle: Kreis Gütersloh

Öffentlichkeitsbereich (zirka 150 Quadratmeter)
Für den Öffentlichkeitsbereich soll ein Flächenbudget von 150 Quadratmetern für folgende Nutzung zur Verfügung stehen:

  • Foyer/ Empfangsbereich mit Möglichkeit zur Präsentation kleinerer Ausstellungen
  • Nutzerraum mit mindestens vier ausreichend großen Einzelarbeitsplätzen
  • Vortrags- und Besprechungsraum. Bei Bedarf wird der Raum als zusätzlicher Nutzerraum in Anspruch genommen
  • Büro für die Aufsicht des Nutzerraumes      

Büro- und Technikbereich (zirka 255 bis 270 Quadratmeter)

  • Büros mit neun voll ausgestatteten Arbeitsbereichen (Arbeitstische, Computer-Arbeitsflächen, Regale für Handbibliothek und Handakten)
    Insgesamt: zwei Einzelbüros und mehrere Doppelbüros/ Mehrfachbüros
    165 bis 180 Quadratmeter
  • Werkstatt für die technische Bearbeitung der Akten (Säuberung der Akten, Entfernung von Metallteilen und Umbettung der Akten in säurefreie Archivmappen;)
    25 Quadratmeter
  • Lagerraum für Archivmaterialien
    20 Quadratmeter
  • Technikraum für Kopierer, Drucker etc.
  • Serverraum
    15 Quadratmeter

Magazinbereich (zirka 390 Quadratmeter)
Nach der erfolgten räumlichen Zusammenlegung ist folgendes Konzept der Zusammenarbeit von Stadt- und Kreisarchiv geplant:  

Gemeinsame Aufgabenerledigung
Wesentliche Aufgabenbereiche werden auch nach einem räumlichen Zusammengehen durch das jeweilige Archiv selbstständig wahrgenommen. Dazu gehören die Übernahme und Bewertung der Unterlagen aus den jeweiligen Verwaltungen wie auch die inhaltliche Erschließung der übernommenen Unterlagen. Auch die Maßnahmen zur dauerhaften Erhaltung der Unterlagen (Umbettung, Säuberung von schimmelbefallenen Dokumenten, Entsäuerung) werden weiterhin durch das jeweilige Archiv durchgeführt.

In einigen Bereichen werden gemeinsame Arbeitsabläufe entstehen, Software und technische Einrichtungen sollen zunehmend gemeinsam genutzt werden. Perspektivisch ist ab 2022 auch ein organisatorisches Verschmelzen beider Institutionen vorgesehen. In dem folgenden Konzept wird die Zusammenarbeit der beiden Archive in den kommenden Jahren bis 2022 dargestellt.

Allgemeine Grundlagen, Nutzung durch Öffentlichkeit und Verwaltung
Rechtsgrundlage für die Arbeit der Archive ist das Gesetz über die Sicherung und Nutzung öffentlichen Archivguts im Lande Nordrhein-Westfalen (Archivgesetz Nordrhein-Westfalen) vom 16. März 2010, das die Träger der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtet, ihr Archivgut in eigener Zuständigkeit zu archivieren. Archivgut sind alle nach Ablauf der Verwahrungs- und Aufbewahrungsfristen in das Archiv übernommenen archivwürdigen Unterlagen. Archivwürdig sind Unterlagen, denen ein bleibender Wert für Wissenschaft und Forschung, historisch-politische Bildung, Gesetzgebung, Rechtsprechung, Institutionen oder Dritte zukommt.

Stadt- und Kreisarchiv Gütersloh verstehen sich als Dokumentationsstelle für die Geschichte ihrer Stadt und ihres Kreises. Sie verwahren alle wichtigen Unterlagen ihrer Verwaltungen. Um die Vielfalt der Stadt und des Kreises möglichst umfassend zu dokumentieren, archivieren beide Archive zudem private Nachlässe und Sammlungen. Stadt- und Kreisarchiv verstehen sich zugleich auch als Bildungseinrichtungen, die das Bewusstsein für die lokale und regionale Geschichte stärken möchten. Zu diesem Zweck werden regelmäßig Publikationen herausgegeben, Beiträge für das Kreisheimatjahrbuch verfasst, Ausstellungen zu regionalgeschichtlichen Themen gezeigt und enge Kooperationen mit den lokalen Schulen gepflegt.
Eine der wichtigsten Aufgaben der beiden Archive ist es, die hier verwahrten Unterlagen für eine Nutzung durch die interessierte Öffentlichkeit bereitzustellen. Schüler, Studierende, Wissenschaftler, Familienforscher und Ortshistoriker nehmen dieses Angebot in Anspruch, aber auch die Verwaltungen selbst. In diesem Bereich ergeben sich erhebliche Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Nutzerinnen und Nutzer, die in das Archiv kommen, werden gemeinsam von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der beiden Archive beraten und auch beaufsichtigt. Die Aushebung und Vorlage der benötigten Akten und Unterlagen erfolgt ebenfalls durch einen gemeinsamen Personaleinsatz. Auch die Beantwortung schriftlicher Anfragen erfolgt im Rahmen einer Arbeitsteilung. So würden beispielsweise die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Stadtarchivs Anfragen beantworten, die an das Stadtarchiv gerichtet sind, dabei aber auch in den Beständen des Kreisarchivs recherchieren. Umkehrt würden auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kreisarchivs so verfahren.

Beide Archive unterhalten umfangreiche Bibliotheken zur Lokal- und Regionalgeschichte und zur Verwaltungsgeschichte. Die Bibliotheken werden am neuen Standort zusammengelegt. Den Nutzern stünde damit die umfangreichste Bibliothek zur Regionalgeschichte im Kreis Gütersloh zur Verfügung. Die Pflege der Bibliothek wäre ein gemeinsamer Aufgabenbereich mit dem Vorteil, dass bestimmte Bücher künftig nur noch einmal beschafft werden müssten.

Technische Ausstattung, digitale Archivierung, Digitalisierung von Schriftgut
Kreis- und Stadtarchiv setzen beide die Erschließungssoftware Augias ein, allerdings in unterschiedlichen Versionen. Bei der nächsten anstehenden Neubeschaffung beziehungsweise Aktualisierung der Software ist eine gemeinsame Nutzung durch beide Archive vorgesehen, was die Bearbeitung von Anfragen zukünftig erleichtern wird.

Beide Archive stehen in den nächsten Jahren vor der Herausforderung der digitalen Archivierung. In den kommunalen Verwaltungen kommen zunehmend elektronische Fachverfahren zum Einsatz, zum Teil auch schon Dokumentenmanagementsysteme. Die Archivierung digitaler Daten wird daher ein zunehmend bedeutendes Aufgabenfeld beider Archive darstellen. Derzeit stehend verschiedene Softwarelösungen zur Verfügung (DiPS. kommunal, DNS, Scope u.a.). Die Auswahl und Implementierung in den Archiven sowie die Schulung des zuständigen Archivpersonals wird eine gemeinsame Aufgabe der nächsten Jahre sein.

Auch die Digitalisierung des analogen Archivguts wird in den nächsten Jahren breiten Raum einnehmen. Es ist in diesem Zusammenhang zu überlegen, ob die Digitalisierung durch Drittanbieter (insbesondere den Wertkreis Gütersloh) oder aber in Eigenregie wahrgenommen werden soll. Letzteres würde die Anschaffung eines entsprechenden Scanners erfordern. Anschaffung und Nutzung würden dann ebenfalls gemeinsam durch beide Archive erfolgen.

Gemeinsame Projekte
Beide Archive haben bisher bei verschiedenen größeren Projekten intensiv zusammengearbeitet. Das galt für die Wanderausstellung ‚Ein Koffer voll Hoffnung‘ zur Migrationsgeschichte (2012/2013), der Online-Ausstellung ‚OWL und der Erste Weltkrieg 1914-1918‘ (2014) oder der erstmaligen Ausrichtung eines Tages der Archive im Kreishaus Gütersloh (2016). Diese Zusammenarbeit würde nach einem räumlichen Zusammengehen nicht nur fortgesetzt, sondern noch weiter ausgebaut werden.

Gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten
Generell wird bei einem Archiv von drei Funktionsbereichen ausgegangen: Einem Öffentlichkeitsbereich, einem Büro- und Technikbereich sowie einem Magazinbereich. Der Öffentlichkeitsbereich im Erdgeschoss des Altbaus wird gemeinsam genutzt. Das gilt für den Nutzerraum, die Aufsicht, die Präsenzbibliothek, den Besprechungs- und Gruppenarbeitsraum sowie das Foyer mit Empfangsbereich und Ausstellungsfläche. Abweichend vom Lageplan wurde auf den Einbau von Toiletten in diese Etage verzichtet, sie befinden sich im Kellergeschoss.

 

Abb. 1: Altbau Erdgeschoss (Öffentlichkeitsbereich) 
Im 1. Obergeschoß befinden sich die Arbeitsplätze für ständige und ehrenamtliche Mitarbeiter, Archivgutaufbereitung und Technikunterstützung.
Quelle: Kreis Gütersloh 

Neubau Erdgeschoss (Magazin)

Neubau 1. Obergeschoss (Magazin)

Neubau 2. Obergeschoss (Magazin) 
Quelle: Kreis Gütersloh

Magazin
Die Magazinräume befinden sich in dem nach archivtechnischen Anforderungen neugestalteten Anbau, einem ehemaligen Klassentrakt, der in den 90er-Jahren gebaut worden war. Das Stadtarchiv nutzt die Magazinräume im Erdgeschoss sowie ein Teil der Magazinflächen im 1. Obergeschoss nutzen (blau markiert). Das Kreisarchiv nutzt die Magazinflächen im 2. Obergeschoss sowie ein Teil der Magazinflächen im 1. Obergeschoss (grün markiert). Die Technik konnte in einem zusätzlichen Anbau untergebracht werden, daher ist die für Technik ausgewiesene Fläche im 2. Obergeschoss ebenfalls Magazinfläche geworden.Ein Raum im 1. Obergeschoss dient zur Unterbringung des Zuwachses an Schriftgut für die nächsten zehn Jahre und ist zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen (orange markiert).

Thomas Sinnreich

Quelle: Kreis Gütersloh

Ralf Othengrafen

 [1] Unter Mitwirkung von Stefan Grimm, Stadtarchivar, Stadt Gütersloh