Die unterschiedliche kleinräumige Betrachtung in der kommunalen Pflegeplanung des Kreises Viersen

05. April 2022: Von Jens Loebbert, stellvertretender Abteilungsleiter 50/3 – Kommunales Integrationszent-rum, Sozial- und Pflegeplanung, Kreis Viersen

Der Sozialraumbezug in der Pflegeplanung des Kreises Viersen wird zwischen dem klassischen, von den Kommunen selbst festgelegten Sozialraum und einer festen Gitternetzeinteilung, den sogenannten Rasterflächen, unterschieden. Beide Arten finden im Bericht Anwendung: einmal als bevölkerungsbezogene Berechnungsgrundlage (Sozialraum) und einmal als grafische Darstellungsmöglichkeit zu Analyse- und Präsentationszwecken.

Die verbindliche Kommunale Pflegeplanung im Kreis Viersen
Der Kreis Viersen hat seit mehreren Jahren eine langfristig angelegte und vorausschau­ende Pflegeplanung etabliert. Dieser Prozess begann mit der Erstellung von Planungsgrundlagen im Dezember 2006 sowie dem ersten Pflegegutachten 2008 und wurde in mehreren Phasen fortgesetzt.
2015 wurde die erste als verbindlich beschlossene Pflegeplanung vorgelegt. Diese wird in Eigenregie des Sozialamtes Kreis Viersen jährlich aktualisiert und fortlaufend modifiziert.
Diese Modifizierungen werden insbesondere in der kleinräumigen Sozialraumbetrachtung sichtbar. Die Kleinräumigkeit dient dabei nicht nur als Berechnungsgrundlage anhand der hochbetagten Bevölkerung (über 80 Jahre), sondern auch als Veranschaulichungsmöglichkeit mittels „Layern“ eines Geoinformationssystems (GIS). Mittels des GIS werden entsprechende pflegerische Angebote sowie die Zielgruppe der Pflegeplanung kartografisch sichtbar gemacht, um lokale Bedarfe sowie die aktuelle Versorgungssituation aufzuzeigen.
Die Aufgabe der kommunalen Pflegeplanung ist es, regelmäßig über den pflegerischen Versorgungsstand, die Versorgungsstruktur und deren Entwicklungen im Kreisgebiet zu informieren.[1]

Die Pflegeplanung nutzt für ihre Zwecke insgesamt drei Betrachtungs- beziehungsweise Orientierungsräume, um Angebote, (zukünftige) Bedarfe und Entwicklungen darzustellen:

  1. die kommunalen Grenzen des Kreises, der Städte und der Gemeinden,
  2. die Sozialräume, die das Kreisgebiet feiner untergliedern und
  3. die Rasterflächen, die auf einer sehr kleinen räumlichen Ebene von 500 mal 500 Metern die gewünschte Zielgruppe im Falle der Pflegeplanung die hochbetagten Menschen im Kreisgebiet darstellt, was eine genaue Analyse von vorhandenen Angeboten und Zielgruppenbezug zulässt.

Die klassischen Sozialräume als Berechnungsgrundlage
Der Kreis Viersen besteht aus neun kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Mit diesen wurde im Jahr 2015 im Rahmen der Kommunalen Konferenz Alter und Pflege (KKAuP) die 29 Sozialräume abgestimmt.

 


Sozialräume des Kreises Viersen[VJ2] .
Quelle: Kreis Viersen

Die KKAuP bespricht Anliegen aus den Bereichen der Alten-, Senioren- und Seniorinnenarbeit sowie der pflegerischen Versorgung der Kreisbevölkerung und schafft Entscheidungsgrundlagen für die Politik.
In diesem Gremium wurde sich auch auf die Zielwerte verständigt, die als Grundlage der Bedarfsberechnung für pflegerische Angebote im Rahmen der kommunalen Pflegeplanung genutzt werden. Diese geben eine bedarfsgerechte Versorgung eines Angebotes je 100 Zielgruppenmitglieder an. Beispielsweise wurde formuliert, dass zwei Tagespflegeplätze je 100 Einwohner über 80 Jahren ein bedarfsgerechtes Angebot darstellt.
Besonders hervorzuheben ist, dass es sich bei der Pflegeplanung im Kreis Viersen um eine verbindliche Pflegeplanung handelt. „Der örtliche Träger der Sozialhilfe kann bestimmen, dass eine Förderung für teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen […], die innerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereiches neu entstehen und zusätzliche Plätze schaffen sollen, davon abhängig ist, dass für die Einrichtung auf der Grundlage der örtlichen verbindlichen Bedarfsplanung nach § 7 Absatz 6 ein Bedarf bestätigt wird (Bedarfsbestätigung)“[2]. Der Kreistag erklärt durch seine Verabschiedung der Pflegeplanung die Bedarfswerte für die Tagespflege, die solitäre Kurzzeitpflege und die vollstationäre Pflege für verbindlich. Nur Mehrbedarfe werden ausgeschrieben und erhalten eine Bedarfsbestätigung durch den Kreis.
Alle Bedarfsberechnungen werden auf Ebene der Sozialräume vorgenommen. Das heißt: Grundlage der Berechnung sind die Zielgruppe innerhalb der einzelnen 29 Sozialräume und der festgelegte Zielwert. Die Berechnung wird jeweils für das aktuelle Jahr und prognostisch für die künftigen drei Jahre vorgenommen. Dies führt zu einer komplexen Ergebnistabelle für die einzelnen Sozialräume in den kreisangehörigen Kommunen.

Je nachdem, um welches pflegerische Versorgungsangebot es sich handelt, können die Bedarfe der Sozialräume zusammengefasst werden, damit Einrichtungen entstehen können. Um beim Beispiel der Tagespflege zu bleiben, werden die errechneten Bedarfe der Sozialräume auf die Ebene der Städte und Gemeinden aufgerechnet und als verbindlich für die jeweilige kreisangehörige Kommune erklärt.


Verbindliche [VJ4] Bedarfe der Tagespflegeplätze.
Quelle: Kreis Viersen

Rasterkarten zur kleinräumigen Darstellung
So viel zur rechnerischen Grundlage, zur Ausweisungspraxis der Mehrbedarfe und zur Anwendung der Sozialräume. Zur Veranschaulichung der Entwicklung der Zielgruppe und zur bildlichen Analyse der passenden räumlichen Zuordnung eines Angebotes für die Zielgruppe werden hingegen Raster als kleinere Einheit des Raumbezuges genutzt.
Entscheidende Voraussetzungen dafür, dass hilfe- und pflegebedürftige Menschen in ihrer Wohnung bleiben können, sind angepasste Wohnbedingungen und ein sogenanntes altersgerechtes Wohnumfeld.
Als „altersgerecht" gilt ein Wohnumfeld, das die alltägliche Versorgung ermöglicht und notwendige Dienstleistungen zur Verfügung stellt. Daher sind die Wohn- und Lebensbedürfnisse im Planungsprozess zu berücksichtigen. Altersgerechtigkeit bedeutet auch, dass die Angebote zur Hilfe und Unterstützung bedarfsgerecht entwickelt werden.
Nun sollen festgelegte Sozialräume eigentlich eine Vergleichbarkeit zu verschiedenen Untersuchungen und Fachberichten ermöglichen. Dies stellt sich innerhalb des Kreises Viersen als schwierig dar. Durch die eigenen Planungen der Städte und Gemeinden sind bereits Sozialräume auf Basis von unterschiedlichen Definitionen festgelegt worden. Hier werden zum Teil die Stadtteile als Sozialraum bezeichnet (zum Beispiel in Willich); zum Teil werden auch kleinere Gebiete als Sozialraum definiert (zum Beispiel in Viersen).
Für die Zukunft ist es entscheidend, auf einen „sozialräumlicheren“ Bezug zu schauen. Die Möglichkeiten, die einer (Pflege-)Planung heutzutage zur Verfügung stehen, verhelfen zu einer bedarfsgerechten und zielgerichteten Darstellung von sinnvollen Einsatzgebieten und Neukonzeptionen von ambulanter und stationärer Pflege.
Die folgende Rasterkarte[3] des Kreises Viersen inklusive der unterschiedlichen Sozialräume zeigt, in welchen Gebieten des Kreises Viersen die Konzentration beziehungsweise die Anzahl der über 80-Jährigen besonders hoch und somit ein Einsatz von pflege- und pflegeunterstützenden Maßnahmen besonders gefragt ist.

 

Konzentration [VJ6] der über 80-Jährigen im Kreis Viersen, Stand: 01.12.2020.
Quelle: Kreis Viersen

Die einzelnen Raster zeigen die Anzahl der Hochbetagten in festgelegten Flächen von 500 Quadratmetern. Dabei werden die Menschen, die bereits in einer vollstationären Pflegeeinrichtung versorgt werden nicht mit abgebildet. Zur Darstellung der Konzentration wurden vier farbige Einteilungen der Flächen vorgenommen. So zeigt sich, dass es 2021 insgesamt 59 Rasterflächen gibt, in denen mehr als 81 Hochbetagte auf einer Fläche von 500 mal 500 Metern leben. Im Jahresbericht 2018 wurden nur vier Sozialräume mit einer solchen Konzentration an Hochbetagten festgestellt. Diese Rasterkarten ermöglichen auch eine sehr anschauliche Darstellung des demografischen Wandels.

Diese Rasterkarten entstehen mittels einer Software zur Geoinformation. Der Kreis Viersen nutzt für die Erstellung der Pflegeplanung die QGIS-Software. Hierdurch können auch pflegerische Angebote mittels Adressnennung in das System eingepflegt werden, um eine Überschneidung von Zielgruppe und Angebot zu ermöglichen. Die Anwendung ist dabei keineswegs auf die Pflegeplanung begrenzt. Jede Zielgruppe lässt sich bei vorliegenden Bevölkerungszahlen darstellen (etwa Kinder unter sechs Jahren) und jedes Angebot (etwa Kindertageseinrichtungen) einpflegen. Daher wird dieses Tool auch zukünftig in der Sozialplanung zum Einsatz kommen.

Konzentration [VJ8] der über 80-Jährigen und die Angebote der Tagespflege in der Stadt Tönisvorst, Stand 01.12.2020
Quelle: Kreis Viersen

Außerdem lässt sich auf einfache Art und Weise der Fokus der Betrachtung auf einzelne Städte und Gemeinden legen, in dem die Karten entsprechend „ausgeschnitten“ werden. Dies ist besonders für die Lokalpolitik von Interesse. Als Beispiel für eine vertiefende Anwendung ist noch eine Rasterkarte der Stadt Tönisvorst dargestellt (zwei Sozialräume). Man erkennt neben den Gebietseinteilungen, die Zielgruppenverteilung und eine geplante Tagespflegeeinrichtung sowie eine Tagespflegeeinrichtung in Betrieb. Die Form der Darstellung und der Umfang des angezeigten Angebotes können dabei beliebig angepasst werden.


Jens Loebbert
Quelle: Kreis Viersen

[1] vgl. dazu §1 Abs. 1, §4 und §7 Abs. 1 APG NRW.
[2] § 11 Abs. 7 Satz 1 APG NRW.
[3] Eine Karte, die durch eine Matrix (d. h. durch ein Gitter aus horizontalen Zeilen und vertikalen Spalten) die Konzentration einer bestimmten Menge von Elementen darstellt.