Digitales Ruhrgebiet: Planen und Bauen mit der BIM-Methode

09. November 2021: Von Annika Zimmermann, Projekt- und Netzwerkmanagement, Kreis Recklinghausen

Mit dem Projekt „Netzwerk Building Information Modeling Mittleres Ruhrgebiet“ – kurz BIM.Ruhr – soll öffentlichen Verwaltungen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in der Region der Einstieg zu einer zukunftsträchtigen Bau- und Planungsmethode ermöglicht werden, die Vorteile in den Bereichen Nachhaltigkeit, Kosten- und Zeitmanagement sowie Kommunikation vor und während der Bauphase bietet. BIM.Ruhr ist als eine Kooperation zwischen Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung angelegt, die innerhalb des eigens aufgebauten Innovationsnetzwerks mit der Bauwirtschaft zusammenarbeitet. Partner beim Pilotprojekt sind der Kreis Recklinghausen, die Hochschule Bochum und die Universität Duisburg-Essen.

Vom Ruhrpott zur Metropole Ruhr: Kaum ein Ballungsraum ist so im Wandel wie das Ruhrgebiet. Leerstehende Gebäude prägen an vielen Stellen das Bild – der Sanierungsbedarf ist groß. Die Nachfrage nach Sanierungen ist in vielen Städten so hoch, dass Verwaltungen und Unternehmen dem kaum nachkommen können.

Eine Möglichkeit, dieser Herausforderung effizient und nachhaltig gegenüberzutreten, bietet das Building Information Modeling (BIM). BIM ist eine digitale Plan- und Baumethode, bei der erst digital und dann real gebaut wird. Dabei wird zunächst mithilfe eines digitalen Modells des Gebäudes geplant, Kollisionsprüfungen per Simulation durchgeführt sowie Mengen-, Zeit- und Materialienbedarfe bestimmt, bevor dann im Anschluss der Bau beginnt. Dies bietet immense Vorteile in Bezug auf Materialverbrauch, Zeitmanagement und Kommunikation.

Und: BIM hört nach der Planungsphase nicht auf. Das erstellte Modell fungiert auch während der Bauausführung als zentrale Anlaufstelle. So speisen alle am Bau beteiligten Gewerke das digitale Modell weiter mit Informationen und können darüber hinaus alle relevanten Details für ihre Arbeit aus dem Modell entnehmen. Ist das Gebäude fertiggestellt, bietet das Modell große Vorteile für die betreibenden im Facility Management, das dann alle Informationen digital und einfach zugänglich erhält.

Mit dem Projekt BIM.Ruhr den Einstieg ins Building Information Modeling finden
Die Einführung der BIM-Methode reiht sich in die Riege vieler anderer Digitalisierungsvorhaben ein, denen Verwaltung und Bauwirtschaft gegenüberstehen. Diese erfordern ein umfassendes Change-Management und sind nicht ohne Weiteres durchzuführen. Ist die Nutzung von BIM auf Bundesebene bereits seit Anfang dieses Jahres für alle öffentlichen Aufträge vorgeschrieben, die den Bau von Bundesinfrastruktur oder infrastrukturrelevanten Gebäuden betreffen, sind die Bestrebungen bei Ländern, Kommunen und Unternehmen unterschiedlich weit: Einzelne Leuchtturm-Kommunen und -Unternehmen konnten bereits BIM-Expertise sammeln, andere stehen noch am Anfang.

Um Nordrhein-Westfalen weiterhin eine Vorreiter-Rolle einräumen zu können und den Kommunen den Anschluss in der Digitalisierung zu garantieren, bietet das Projekt „Netzwerk Building Information Modeling Mittleres Ruhrgebiet (BIM.Ruhr)“ einen ersten Einstieg für öffentliche Verwaltungen, die mit BIM arbeiten möchten. Bei dem vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Projekt steht der Auf- und Ausbau eines Innovationsnetzwerks im Fokus. Dieses besteht aus Akteuren aus der Bauwirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Um den verschiedenen Schwerpunkten bei BIM.Ruhr gerecht zu werden, ist das Projekt in drei Teilprojekte untergliedert. Die Teilprojekte werden vom Kreis Recklinghausen, der Hochschule Bochum und der Universität Duisburg-Essen verantwortet.

Im stetigen Austausch mit dem Netzwerk und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen publizieren die Partner mit Projektabschluss BIM-Handreichungen und -Leitfäden. Diese dienen im Anschluss an das Projekt der öffentlichen Verwaltung sowie der regionalen Bauwirtschaft als Unterstützung bei der Umsetzung von realen BIM-Projekten.

Praxisorientiert und alltagsnah: Die Pilotprojekte von BIM.Ruhr als konkrete Grundlage

Bitte in diesem Absatz die Bilder 2-spaltig untereinander, in der 3. Spalte den Text:


Gesamtscan der Drewer Brücke in Marl.
Quelle: Kreis Recklinghausen


Gesamtscan der Brücke an der Bielefelder Straße in Herne.
Quelle: Kreis Recklinghausen


Scanarbeiten an der Brücke Bielefelder Straße in Herne
Quelle: Kreis Recklinghausen


Gesamtscan der Aula des Alice-Salomon-Berufskolleg in Bochum.
Quelle: Kreis Recklinghausen


Vorbereiten des Scans: Anbringung der Scan-Marken in Bochum.
Quelle: Kreis Recklinghausen

Learning by doing ist ein wichtiger Ansatz des Projektes BIM.Ruhr. Aus diesem Grund stehen im Herzen des Fördervorhabens drei Pilotprojekte: Die Sanierung der Drewer Brücke in Marl, der Abriss und Ersatzneubau der Brücke Bielefelder Straße in Herne inklusive der Sanierung des Knotenpunktes sowie die Sanierung der Aula des Alice-Salomon-Berufskollegs in Bochum. Die unterschiedlichen Pilotprojekte stellen alle am BIM-Prozess beteiligten Kräfte vor diverse Herausforderungen wie das richtige Erfassen und Verarbeiten der Objektdaten.

Wichtig für diesen Schritt innerhalb des BIM-Prozesses ist sicherzustellen, dass festgelegt ist, welche Bau- und Sanierungsmaßnahmen anstehen, um auf dieser Basis den Level of Development (LOD) für die anschließende Bestandsmodellierung festzulegen. Der LOD sagt aus, in welcher Genauigkeit die einzelnen Bauteile eines Objektes modelliert werden und welche Informationen bzw. Parameter den einzelnen Bauteilen zugewiesen werden müssen. Nachdem die Modellierungsanforderungen an die Bestandsobjekte definiert sind, kann die notwendige Genauigkeit für die Erfassung festgelegt werden.

Die Daten werden dann von Vermesserinnen und Vermessern mit Hilfe von 3D-Laserscanning und spezifischen Drohnen erfasst. Auf Basis dieser Informationen können dann Punktwolken der jeweiligen Objekte erstellt werden. Diese zeigen alle gescannten Punkte und erzeugen so einen ersten Eindruck des gescannten Objektes. Die Scanarbeiten und Erstellung der Punktwolken wurden beim Projekt BIM.Ruhr von der Hochschule Bochum, vom Kreis Recklinghausen und der Stadt Herne übernommen und zur weiteren Verarbeitung – wie Qualitätskontrolle und Bestandsmodellierung – an die Hochschule Bochum gegeben.

Da es sich bei den Punktwolken um große Datenmengen handelt (für die BIM.Ruhr-Pilotprojekte teilweise bis über 18 GB), erfolgt die Weitergabe über eine gemeinsame Cloud. Für den BIM-Prozess ist darüber hinaus eine weitere Datenplattform von Bedeutung: Die Common Data Environment (CDE). In der CDE werden alle relevanten Daten zusammengetragen, sodass eine ganzheitliche Übersicht der Pilotprojekte entsteht. Innerhalb der Plattform sind außerdem nicht nur immer die aktuellsten Informationen und Daten zu finden, sondern durch ihre Nutzung können auch Dopplungen verhindert werden. Denn Versionen (beispielsweise der Modellierungen) werden jeweils fortgeführt.

Des Weiteren wird mithilfe der CDE allen relevanten Personen der Zugriff auf die gesammelten Daten ermöglicht. Über die Zuteilung unterschiedlicher Rechte innerhalb der CDE können außerdem Jobs vergeben, Kommentare vermerkt und Informationen aktualisiert werden, um die Kommunikation zwischen Planungs- und Architekturbüro und der Baustelle effizient zu gestalten. Dabei ist stets nachvollziehbar, welche Person für Änderungen, Löschungen oder Weiterbearbeitung verantwortlich ist.

Die Modellierung durch die Hochschule Bochum wird auf Basis aller gesammelten Daten durchgeführt: Punktwolken aus Laserscanning und Drohnenflügen sowie Bestandsplänen, aktuellen Planungsunterlagen und Fotos. Den größten Fortschritt zeigt aktuell das Modell der Aula des Alice-Salomon-Berufskollegs. Da es sich hierbei um ein Hochbauprojekt handelt, kann im Vergleich zu den beiden Brückenprojekten bereits auf mehr vorhandene Standards innerhalb der Modellierungssoftware zurückgegriffen werden. So konnten die Bauteile der Aula im Modell bereits nach IFC-Standard definiert werden.

Aktuelles IFC-Modell der Aula des Alice-Salomon Berufskollegs
Quelle: Projekt BIM.Ruhr

Ziel der Hochschule Bochum im Rahmen des Projektes BIM.Ruhr ist es, im weiteren Verlauf die Modelle aller drei Bestandsbauten zu finalisieren. Auf Basis der dort gesammelten Erfahrungen finden nicht nur Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppen des Projektes statt, sondern diese sind auch ein wichtiger Bestandteil für die Leitfäden – speziell für die zu verfassenden Handreichungen im Bereich BIM-Modellierung im Bestand.

Mit dem Pott für den Pott: Zusammenarbeit und gemeinsames Lernen innerhalb von Arbeitsgruppen
Das Projekt BIM.Ruhr hat vier Arbeitsgruppen (AG) ins Leben gerufen: Geodäsie, BIM-Planungsgrundlagen, BIM-basierte Bauausführung und Einführung der BIM-Methode bei öffentlichen Auftraggebern. Unter wissenschaftlicher Leitung der Hochschule Bochum und Universität Duisburg-Essen dienen die Arbeitsgruppen-Treffen als Plattform für den Erfahrungsaustausch sowie für das gemeinsame Lernen im Bereich BIM. Darüber hinaus bieten die AGs wichtige Impulse bei der Erstellung der arbeitsalltagsnahen und praxisorientierten Leitfäden und Handreichungen, die am Ende der Projektlaufzeit von BIM.Ruhr veröffentlich werden.


Weitere Informationen zu den Arbeitsgruppen und zum Projekt gibt es auf der BIM.Ruhr-Website unter www.bim-ruhr.net.


Annika Zimmermann
Quelle: Kreis Recklinghausen