Digitalisierung der Verwaltung auf der Beschleunigungsspur
Die Corona-Pandemie ist aktuell der bestimmende Rahmengeber für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wie auch für nahezu alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung. Für die Digitalisierung der Verwaltung gilt dies in besonderem Maße. Gerade wegen der massiven gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sollten wir den Schub, den digitale Verfahren durch die pandemiebedingten Einschränkungen erfahren haben, zur Bewältigung der Krise nutzen. Das Großprojekt der digitalen Verwaltung, aber auch aktuelle digitale Anliegen wie die Einführung der Software SORMAS sind Themen, die wir als Landesregierung vorantreiben. Digitale Verfahren sind aktuell ein wichtiges Hilfsmittel in der Pandemie, sie sind Anspruch einer immer stärker digital geprägten Gesellschaft und sie stärken unsere Resilienz gegenüber zukünftigen Krisen. Die Digitalisierung der Verwaltung ist also ein Projekt, das auf der sinnbildlichen Beschleunigungsspur zu „befahren“ ist.
Die Digitalisierung der nordrhein-westfälischen Verwaltung ist ein einzigartiges Großprojekt, das etwa 120.000 Beschäftigte in rund 550 Behörden und Einrichtungen betrifft. Digitalisierung bedeutet dabei Technik und Transformation: Die Einführung technischer Komponenten wie der elektronischen Akte wird begleitet von Veränderungen in Arbeitsprozessen und -kultur sowie in der Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen. Deshalb gilt es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit umfangreichen Kommunikationsangeboten, mit Aus- und Fortbildungen frühzeitig auf Veränderungen in den Arbeitsprozessen vorzubereiten, sie bei der Gestaltung der digitalen Verwaltung mitzunehmen. Die Erfahrungen unseres Hauses als digitales Modellministerium zeigen, dass das „digitale Mindset“ der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Treiber der erfolgreichen Umsetzung digitaler Verwaltung ist, auf den wir bauen können.
Bei der Koordination und Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen, die in Verantwortung des Landesbeauftragten für Informationstechnik (CIO), Prof. Dr. Meyer-Falcke, liegen, haben wir das Ziel im Blick, die elektronische Abwicklung von Dienstleistungen ganzheitlich, ortsunabhängig, komfortabel und möglichst barrierefrei auf sicheren Übertragungswegen zu ermöglichen. Die Vorteile für Bürgerinnen und Bürger – einfachere, schnellere und flexiblere Kontakte mit der Verwaltung –, für Unternehmen – Abbau von bürokratischen Hürden und effizientere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Verwaltung – sowie für die Verwaltung selbst – beschleunigte und effizientere Abläufe – können damit zur Geltung kommen.
OZG und EGovG
Die gesetzlichen Vorgaben zum Onlinezugangsgesetz (OZG) stützen den eingeschlagenen Modernisierungspfad. Das OZG verlangt von Bund, Ländern und Gemeinden nicht weniger als ein vollständiges elektronisches Dienstleistungsangebot bis zum Jahr 2022. Die zahlreichen Binnenprozesse müssen vor diesem Hintergrund mit hoher Priorität digitalisiert werden, damit am Ende durchgängig digitale und medienbruchfreie Gesamtprozesse entstehen. Diese Transformationsaufgabe bearbeiten wir in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Projekts „Digitale Verwaltung NRW (DVN)“.
In diesem landesweiten Digitalisierungsprogramm ist der Großteil der sogenannten „E-Government-Grundlagenprojekte“ schon zum Ende des Jahres 2019 abgeschlossen worden. Die Basiskomponenten, die essentiell für die Umsetzung des E-Government-Gesetzes NRW (EGovG NRW) sind, wurden entwickelt. Mit der 2020 in Kraft getretenen Novelle des EGovG NRW als zentraler Rechtsgrundlage für die Digitalisierung der Landesverwaltung in Nordrhein-Westfalen haben wir als Landesregierung die Rahmenbedingungen für eine beschleunigte Digitalisierung der Verwaltung gesetzt: Wir ziehen die komplette Digitalisierung der Landesverwaltung von 2031 auf 2025 vor und beziehen Hochschulen und nahezu alle Landesbehörden ein. Bis 2025 werden elektronische Akte und elektronische Laufmappe landesweit eingeführt und sämtliche Geschäftsprozesse der Landesverwaltungen analysiert, optimiert und anschließend digitalisiert.
Das EfA-Prinzip
Mit einem Ende letzten Jahres unterzeichneten Dachabkommen zwischen Bund und Ländern zur Umsetzung des OZG erfahren nun auch die flächendeckende Digitalisierung und die Kooperation zwischen den Ländern und mit dem Bund Unterstützung. Die damit zusammenhängende Bereitstellung der Fördermittel aus dem Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket des Bundes, von denen voraussichtlich ca. 500 Millionen Euro nach Nordrhein-Westfalen fließen werden, ist mit der Verpflichtung verbunden, bei der OZG-Umsetzung nach dem Modell „Einer für alle“ (EfA) zusammenzuarbeiten. Konkret bedeutet dies: Wenn beispielsweise Nordrhein-Westfalen eine Verwaltungsleistung digitalisiert, wird diese Software mit den anderen Ländern und dem Bund geteilt. Diese Zusammenarbeit wird mit dem unterzeichneten Dachabkommen nun auf ein stabiles Fundament gesetzt.
Die größte Herausforderung bei der bundesweiten OZG-Umsetzung ist die Entwicklung einer länderübergreifenden Nachnutzungs-Blaupause, die technische, datenschutzrechtliche und vergaberechtliche Aspekte adressiert und löst. Dass das kurzfristig gelingen kann, zeigt der angesichts der Corona-Pandemie von Nordrhein-Westfalen und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) in kürzester Zeit entwickelte digitale Service IfSG-Online (Infektionsschutzgesetz-Online), der die schnelle und unbürokratische Entschädigung bei Quarantänemaßnahmen in elf Bundesländern ermöglicht.
Das EfA-Prinzip ist ein für eine schnelle und flächendeckende Digitalisierung von Verwaltungsprozessen wesentlicher Faktor, den wir in Nordrhein-Westfalen bereits verschiedentlich zur Geltung bringen. Denn klar ist: Nicht Insellösungen, sondern wechselseitiges Voneinander-Lernen, eine Best-Practice-Kultur und länderübergreifende wie auch interkommunale Kooperationen bringen die besten Ergebnisse.
Dieser Erkenntnis folgen auch die Digitalen Modellkommunen in Nordrhein-Westfalen, die bei der Digitalisierung vorangehen und auf andere Kommunen übertragbare Lösungen entwickeln. Ein Beispiel liefert die Modellkommune Wuppertal mit dem Projekt „KiJuFA“. Im Themenfeld „Kinder, Jugend und Familie“ wird die vollständige Digitalisierung von Antragsprozessen entwickelt und über das Kommunalportal.NRW noch in diesem Jahr allen Kommunen in NRW zur Verfügung stehen. Besonders im Fokus stehen dabei die Prozesse aus den Bereichen Schüler-BAFöG, Elterngeld, Elternbeiträge in KiTas, SchokoTicket und der Unterhaltsvorschuss nach dem UVG.
Ein weiteres Beispiel unserer Kooperationsstrategie ist der Beitritt des Landes NRW zu govdigital eG, einer Genossenschaft für Entwicklung, Umsetzung und Betrieb innovativer IT-Lösungen für den öffentlichen Sektor. Zu ihren Mitgliedern zählen Stellen des Bundes, der Länder und der Kommunen. Durch den Austausch von Wissen und übergreifenden Lösungen wird die digitale Modernisierung der Verwaltung beschleunigt. Mit der Plattform „Beteiligung.NRW“ planen wir darüber hinaus ein zentrales Bürgerbeteiligungsportal, über welches die Bürgerinnen und Bürger sich digital in die Gestaltung der Politik ihrer Kommunen und des Landes einbringen können. Wichtige Informationen der IT-Sicherheit, die dem Land vorliegen, werden mit den Kommunen geteilt, so dass eine Partnerschaft gegen Cyber-Bedrohungen entsteht. Auch beim Thema Open Data gilt EfA: Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, das seine Geobasisdaten von Landesvermessung und Liegenschaftskataster unter der Datenlizenz Deutschland 2.0 in der Variante „Zero“ kostenfrei und ohne Einschränkungen für die Weiternutzung bereitstellt.
Die Zusammenarbeit mit den Kommunen bauen wir mit einem weiteren wichtigen Projekt aus: der Finanzierung eines zentralen Leitportals für die nordrhein-westfälischen Kommunen durch das Land. Unter dem Motto „Ein Portal aus NRW für NRW“ ergänzt das Kommunalportal.NRW neben dem Serviceportal.NRW für die Landesverwaltung die Portal-Landschaft in Nordrhein-Westfalen. Die beiden neuen Portale stehen in einer Linie mit dem Angebot des bereits bestehenden Wirtschafts-Service-Portal.NRW als zentralem Dienstleistungsportal für die Wirtschaft. Das Kommunalportal.NRW wird noch in diesem Jahr allen Gemeinden, Städten und Kreisen zur Mit- und Nachnutzung bereitgestellt. Damit wird für die Kommunen in NRW eine einheitliche Plattform für alle Online-Dienste geschaffen, auf der die verschiedenen elektronischen Verwaltungsleistungen nur einmal nach gemeinsamen IT-Standards entwickelt und betrieben werden müssen. Ziel ist, die im Rahmen des OZG und die in den Digitalen Modellregionen entwickelten, übertragbaren Lösungen zur Nachnutzung zugänglich zu machen. Gemeinsam mit dem KDN – Dachverband kommunaler IT-Dienstleister in NRW und seinen Mitgliedern haben wir intensiv an dieser Portallösung gearbeitet.
Digitalisierung der Gesundheitsämter
Die Corona-Pandemie hat einen Bereich der öffentlichen Verwaltung besonders in das Blickfeld treten lassen: Die Gesundheitsämter sind eine zentrale Leistungsinstanz bei der Bewältigung der Pandemie. Mit digitalen Lösungen wollen wir als Landesregierung die Arbeit der Gesundheitsämter – insbesondere mit Blick auf die für die Pandemiebekämpfung so wichtige Kontaktnachverfolgung – stärken. Dabei kommt der Pandemiemanagement-Software SORMAS (Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System) eine bedeutende Rolle zu.
Mit dem verstärkten Einsatz digitaler Technik können die Gesundheitsämter einfacher Kontakte nachverfolgen, gezielte Infektionsschutzmaßnahmen deutlich schneller einleiten und so effizienter zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen. SORMAS eröffnet schon heute jedem Gesundheitsamt die Möglichkeit, auf digitale Kontaktnachverfolgung umzusteigen. Gleichzeitig wird damit der schnelle digitale Austausch zwischen den Gesundheitsämtern möglich – selbstverständlich unter Berücksichtigung der hohen datenschutzrechtlichen Anforderungen. Der CIO NRW unterstützt mit seinem Netzwerk erfolgreich die flächendeckende Einführung von SORMAS in den Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen.
Aufbauend auf der Installation der Software in den Gesundheitsämtern werden auch Verfahren zur Anbindung bzw. Integration der derzeit in den Gesundheitsämtern genutzten Softwaresysteme in den Blick genommen. Mit SORMAS und dem ergänzenden Schnittstellen-Paket SORMAS eXchange können die Datenübertragungen zu den IT-Fachanwendungen zur Falldatenübermittlung an das Robert-Koch-Institut, die Annahme von digitalen Labormeldungen und von Daten aus digitalen Symptom-Tagebüchern sowie die automatisierte Erstellung von Quarantäne-Bescheiden medienbruchfrei erfolgen.
Aktuell entwickeln wir ein Konzept für ein digitales Ökosystem für die technische Unterstützung der Maßnahmen-Trias Impfen – Testen – Kontaktnachvollziehung im Sinne eines gezielten Pandemiemanagements. Ziel muss es sein, die Öffnung von Betrieben und Einrichtungen möglich zu machen, wo Maßnahmen des strategischen Pandemiemanagements unter angemessener Beachtung der übrigen Infektionsschutzregelungen umgesetzt und gewährleistet werden können. Die Umsetzbarkeit solcher Öffnungsschritte werden wir, von wissenschaftlicher Evaluation begleitet, mit Modellkommunen erproben. Gerade bei der Bewältigung der Pandemie können digitale Tools, verbunden mit klaren Strategien, zu einem zentralen Hilfsmittel werden und damit Spielräume für Revitalisierungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens eröffnen.
Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein zentrales Modernisierungsprojekt, das alle staatlichen Ebenen und jede Verwaltungseinheit betrifft und fordert. Mit diesem Projekt gehen enorme Chancen einher, die wir durch ein strukturiertes Vorgehen, eine ambitionierte Agenda und mit einer Kooperationsstrategie zur Umsetzung bringen. Den Schub, den digitale Verfahren durch den Umgang mit der Corona-Pandemie gewonnen haben, gilt es, für die Bewältigung der Pandemie selbst, aber auch für das Projekt insgesamt zu nutzen. Denn Verwaltung im 21. Jahrhundert heißt: digitale Verwaltung. Diesen Modernisierungsanspruch des digitalen Zeitalters umzusetzen, ist eine gemeinsame Aufgabe, der wir uns in Nordrhein-Westfalen in bewährter Kooperation mit den Kommunen widmen.
Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart
Quelle: MWIDE NRW/E. Lichtenscheid