Ein Haus zum Wohlfühlen - Digital schaffen wir nur gemeinsam

13. Januar 2023: Von Deirdre Burdy, Amtsleiterin im Amt für IT, Digitalisierung und Organisation, Kreis Siegen-Wittgenstein

Wenn es um Digitalisierung geht, erinnert dies oft an die aufreibenden Erlebnisse während eines Hausbaus. Wir schaffen uns eine neue Umgebung, erhalten eine neue Adresse, müssen viele Entscheidungen treffen und dürfen unsere eigenen vier Wände nach unseren Vorstellungen gestalten. Was zur Wahrheit dazu gehört, ist, dass es verdammt mühsam wird, wenn nicht alle zusammenarbeiten und ein Schritt nach dem nächsten gemacht wird.

Die Idee vom neuen Haus
Ein Haus zu bauen ist wundervoll und zeitgleich nicht weniger anstrengend. Zu Beginn der Planungsphase wissen wir noch nicht, wie das Haus später aussehen soll. Wir haben einige Grundanforderungen: Es sollte stabil stehen, Sturm und Gewitter standhalten und allen Bewohnern genug Raum und Platz bieten. Die Bedarfe sollen berücksichtigt werden und ein Garten zum Austoben und Experimentieren darf auch nicht fehlen. Das Ganze gerne möglichst schnell und möglichst kostengünstig. Das ist nicht ganz einfach, aber auch nicht unmöglich.
Wichtig ist zu prüfen, welche Wünsche und Bedarfe vorherrschen. Alle an einen Tisch zu bringen und den Grundriss zu fertigen. Was passiert, wenn ein Bewohner ein 3-eckiges Zimmer haben möchte? Undenkbar? Nicht, wenn es eine zweite Partei gibt, die dieselben Wünsche hat. Oft finden sich Lösungen, wenn alle miteinander sprechen. Das kann mit Blick auf Baustopps, Finanzierungsproblemen oder schwer zu bekommenden Handwerkern den Unterschied zwischen Dauerbaustelle und einem Ort zum Wohlfühlen sein.
Wir im Kreis Siegen-Wittgenstein versuchen, vom Grundriss bis hin zur Einrichtung und Dekoration der Räume, alle Ämter mit einzubinden. Und zu erklären, was wir da überhaupt machen.

Architekten
Noch bevor der erste Spatenstich gemacht werden kann, ja bevor überhaupt der Grundriss entsteht, brauchen wir Unterstützung. Wir brauchen Personen, die sich in ihrem jeweiligen Fachbereich auskennen – ganz gleich ob Elektriker, Fliesenleger oder Malermeister. Oder in unserem Falle: Ganz gleich, ob das Bauamt, Gesundheitsamt oder die Zulassungsstelle. Diese Experten sind bei uns die Digital Scouts. Jedes Amt hat eine Person benannt, die zum einen die Wünsche des Amtes kommuniziert und vertritt und zum anderen wichtige Informationen aufnimmt und verteilt.


Treffen der Digital Scouts der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein im SUMMIT, Siegen
Quelle: Kreis Siegen-Wittgenstein

Die Scouts treffen sich regelmäßig, wobei sowohl ein offener Austausch als auch die Bearbeitung eines bestimmten Themas im Fokus stehen können. In der einen Woche geht es beispielsweise um die Leistungen, die wir als Kreis durch das OZG (Onlinezugangsgesetz) umsetzen werden. Die Mitarbeit und das Mitdenken sind Gold wert für die Planungen. Wer soll sonst schließlich wissen, wo überall später Steckdosen gebraucht werden?
Die Frage „Und was machen wir mit den Leistungen, die keine LeiKa haben? Tragen wir diese dann auch in unsere interne OZG-Liste ein?“ liegt nahe. Sie muss aber auch ausgesprochen und beantwortet werden. Die OZG-Liste zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass wir gemeinsam anpacken. Wir können vielleicht die einzelnen Leistungen den LeiKa-IDs - dies sind quasi die Steuer-IDs der Verwaltungsleistungen - zuordnen. Bei der Zuordnung zu den einzelnen Ämtern und vor allem bei der Analyse der Umsetzungsstände und Potenziale, kommen wir nur gemeinsam vorwärts.
Genau dafür sind diese regelmäßigen Treffen mit allen Digital Scouts gedacht. Neben dem OZG steht dann einige Wochen später der Umgang mit Daten in der Kreisverwaltung und das Konzept im Zuge von Open Data auf der Agenda. Bauphase für Bauphase tauchen neue Herausforderungen auf, die wir gemeinsam besprechen.

Das Fundament
Der Wunsch nach einem stabilen und langlebigen Heim ist groß. Unerlässlich ist hierbei ein gut gegossenes Fundament. Wenn dieses Fundament Risse aufweist oder uneben ist, ist das nicht gut. Unser Fundament ist eine Mischung aus verschiedenen Zutaten. Die elektronische Akte ist dabei ein Hauptbestandteil. Es geht dabei nicht nur darum, diese Zutat zu bestellen. Sondern auch darum sie zu verarbeiten. Die E-Akte nicht nur auszurollen, sondern aktiv im Dokumenten-Management-System zu arbeiten. Eine flächendeckende Ausrollung reicht nicht aus, wir wollen und brauchen eine flächendeckende Nutzung. Die digitale Antragsstellung ist der Beginn einer medienbruchfreien Bearbeitung von Verwaltungsservices. Dafür müssen wir aber auch innerhalb der eigenen vier Wände neu denken.
Dasselbe gilt für die Einführung von Fachverfahren. Eine reine Überführung in ein digitales Format entspricht vielleicht einer Digitalisierung, der digitalen Transformation ist damit jedoch nicht gedient. Wir können erst anfangen unsere Böden zu verlegen, wenn unser Fundament gegossen ist. Und zwar in der gesamten Fläche.

Die Ausgestaltung der Räume
Jeder Raum wird unterschiedlich aussehen. Die Ämter entscheiden selber, welche Farbe an die Wand kommt und welche Möbel den Raum wohnlich machen sollen. Einige sind noch nicht eingezogen, andere beginnen schon die Bilder an die Wand zu hängen.
Das Bauamt beispielsweise ist bereits umgezogen. Die erfolgreiche Anbindung an das Bauportal kann ebenso als wichtiger Meilenstein benannt werden wie die Umsetzung der digitalen Antragsbearbeitung. Unter der Leitung von Amtsleiterin Ramona Plaschke befindet sich das Amt im Dezernat von Arno Wied in einem Prozess des Umdenkens. Auch wenn die Anforderungen und Wünsche an diesen speziellen Raum fordernd sein können, dienen sie doch als Inspiration für andere. Und das ist wertvoll.
Bei aller individuellen Gestaltung der Räume spielen insbesondere die Ausstattung der Gemeinschaftsbereiche eine bedeutsame Rolle. In der Küche, im Wohnzimmer und in den Badezimmern sollen sich alle wohl fühlen. Es gibt also Bereiche, die für alle funktionieren und passen müssen. Ganz gleich, ob es sich um das Zeiterfassungssystem, die Möglichkeit an Videokonferenzsystemen oder auch die Online-Terminvergabe handelt, alle profitieren davon. Das betrifft natürlich auch die Flure, die Verbindungsstücke zwischen den Ämtern.
Die erfolgreiche Einführung der E-Personalakte im Personalamt unter Amtsleiter Henning Schneider hat deutlich gezeigt, dass der strukturierte und weit im Voraus vorbereitete Projekt- und Zeitplan, aber auch das kontinuierliche Zusammensitzen vieler Akteure gewinnbringend war. Neben der Frage des Altakten-Scans, wurde auch die Struktur der Berechtigungsgruppen und des Aktenplanes beantwortet. Das Projekt konnte ohne Verzögerung umgesetzt werden. Was bedeutet, dass die Software läuft und die Kolleginnen und Kollegen auch damit arbeiten. „Wir brauchen auch die Meta-Ebene, die Menschen. Ansonsten funktioniert Digitalisierung nicht“, sagt Tobias Wein, Dezernent für Interne Dienste, Personal und Recht.

Die Hausgemeinschaft
Die verstärkt mobile und ortsunabhängigere Arbeit führt dazu, dass es auch schwierig werden kann, alle an einen Tisch zu bekommen. Wie kriegen wir aber trotz dieser Umstände die relevanten Inhalte vermittelt? Die Informationen, die normalerweise auf dem Gang oder durch die Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen im Büro weitergegeben werden? Oft geschieht dies ganz selbstverständlich durch ein Telefonat, das der Zimmernachbar führt oder durch ein ganz banales „Wie geht das nochmal mit der Software hier?“. Die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten bringt viele Vorteile mit sich, aber auch die Konsequenz, dass eben solche Gespräche immer weniger werden. Wie eine Fernbeziehung.
Die Nutzung der E-Learning Plattform des Kreises wirkt dem entgegen und ermöglicht den Aufbau digitaler Kompetenzen sowie den Wissenstransfer auf eine flexible und ortsunabhängige Weise. Ziel ist hierbei nicht Hochglanzvideos zu entwickeln und bereitzustellen, sondern ganz pragmatisch das vorhandene Wissen verfügbar zu machen und die Belegschaft zu schulen. Jede Einheit in der Verwaltung sieht sich mit der Herausforderung des Fachkräftemangels konfrontiert und die Quote an Quereinsteigern in der Verwaltung steigt stetig. Um die ja durchaus vorhandenen Besonderheiten der Verwaltung vermitteln zu können, wird die Plattform zum Hilfsmittel. Einmal Wissen strukturiert aufbereiten und für 1200 Mitarbeitende zugänglich machen. Dies bringt eine immense Zeitersparnis.

Die Nachbarschaft
Um sich in der neuen Umgebung wohl zu fühlen, ist es auch wichtig eine gute Nachbarschaft zu pflegen. Insbesondere als Kreis sehen wir eine Verantwortung und den Wunsch zu verbinden und kleinere Kommunen zu unterstützen.
Die Gemeinsame Initiative Digitalisierung (GID) bringt den Kreis und die Kommunen gemeinsam an einen Tisch. Wieso alle Fehler doppelt machen und nicht voneinander lernen? Die fehlenden personellen Ressourcen werden vielfach als Hemmnis einer erfolgreichen Digitalisierung benannt, zu Recht. Wir können uns durch Aufgabenteilung, aber auch durch den Austausch gegenseitig helfen. Das klappt natürlich am besten, wenn wir gemeinsam an einem Tisch sitzen und der ein oder andere Nebensatz bei einem Kaffee teils wochenlange Arbeit erspart. Sowohl der Austausch und das Teilen von Erfahrungswerten steht ebenso auf der Agenda wie die Umsetzung gemeinsamer Projekte.

Der Umzug
Klar ist, dass nicht alle Ämter zeitgleich in das neue Haus einziehen werden. Und das ist auch vollkommen okay so. Einige ziehen vielleicht erst nach und nach ein, andere hängen noch sehr an der gewohnten Umgebung und planen den Umzug erst für einen späteren Zeitpunkt. Wichtig ist jedoch, dass irgendwann alle das Projekt als stabil und gut erachten und sehen, dass es nicht zu weit „ab vom Schuss“ ist. Dass alle bereit für Veränderung und einen Umzug sind. Auch wenn Kisten packen, Möbel schleppen und neue Wege anstrengend sind.
Das Haus braucht Aufmerksamkeit, Reparaturen und sicherlich auch An- und Umbauten, hin und wieder einen neuen Anstrich oder eine neue Zimmeraufteilung. Das schaffen wir nur gemeinsam.


Deirdre Burdy
Quelle: Kreis Siegen-Wittgenstein