Ein neues Stadt-Land-Modell

31. Januar 2019: Von Dr. Yasmine Freigang, Projektleiterin „Kultur in Westfalen“, Landschaftsverband Westfalen-Lippe

Die beiden Landschaftsverbände und das Kultursekretariat NRW Gütersloh treten für ein neues Stadt-Land-Modell ein und wünschen sich einen Dialog mit der Landesregierung NRW auf Augenhöhe.

Kunst und Kultur in den ländlichen Räumen sind in jüngster Zeit stärker in den Fokus der Kulturpolitik geraten. Auch die Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zu einem harmonischen Zusammenspiel von Stadt und Land bekannt. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich im Herbst 2018 die beiden Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen und das Kultursekretariat NRW Gütersloh, dem über 70 so genannte nicht theatertragende Städte in NRW angehören, zusammengeschlossen und bieten der Landesregierung dazu ihre kulturfachliche Expertise an. Sie treten dafür ein, die Qualität der Kunst und Kultur in den urbanen wie in den ländlichen Räumen in NRW gleichermaßen und ausgewogen zu sichern und zu entwickeln und die Gleichwertigkeit der kulturellen Lebensverhältnisse zu befördern. Die wechselseitigen Verbindungen und Wirkungen zwischen Stadt und Land, Zentrum, Umland und Peripherie möchten sie in einem Diskurs gemeinsam mit dem Land NRW weiter ausbauen. Das Positionspapier wurde bei der Westfälischen Kulturkonferenz im Herbst 2018 in Gütersloh thematisiert. Dabei wurde der Schwerpunkt auf die Gleichwertigkeit der Kulturarbeit in Stadt und Land gelegt, was aus der Kernaufgabe der Landschaftsverbände – dem Ausgleich struktureller Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Regionen – resultiert. Alle Beteiligten bekräftigten, den Diskurs auf Augenhöhe fortsetzen zu wollen.


Die Gleichwertigkeit der Kulturarbeit in Stadt und Land war ein Thema der achten Westfälischen Kulturkonferenz in Gütersloh.
Quelle: LWL/Stefan Althaus

Positionspapier für ein neues Stadt-Land-Modell in der Kulturpolitik des Landes NRW

„Ein Großteil öffentlicher Kulturfinanzierung geht in die großen Städte und Metropolen, die auch den Löwenanteil der kulturellen Infrastruktur finanzieren. […] die Kultur im ländlichen Raum oder besser in ländlichen Räumen und in Klein- und Mittelstädten steht dagegen eher im Abseits, was die Stätten und Programme angeht, aber auch mit Blick auf die Bedeutung des Themas im kulturpolitischen Diskurs.“
Zu diesem Schluss kam die Kulturpolitische Gesellschaft 2015.
Bereits 2012 hat sich das Kultursekretariat NRW Gütersloh in der Hammer Tagung „Kultur in der Fläche“ der Situation der Kunst und Kultur außerhalb der Metropolen im ländlichen Raum gewidmet.  Der Landschaftsverband Rheinland hat seine Kulturkonferenz im Mai 2018 unter dieses Motto gestellt und auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe räumt dem Thema bei seiner Kulturkonferenz im Oktober 2018 höchste Priorität ein, denn weiterhin besteht ein Ungleichgewicht in der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im kulturellen Sinn. Der Anspruch des Kulturfördergesetzes NRW, die kulturelle Teilhabe unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Behinderung oder Religion zu ermöglichen (§ 5, Abs. 3 KFG NRW) ist noch nicht eingelöst.
Auch die neue Landesregierung NRW hat sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, ein „harmonisches Zusammenspiel von Stadt und Land“ zu ermöglichen. Sie möchte „Rahmenbedingungen setzen, in denen sich kulturelles Leben in all seinen Formen entfalten kann.“
Gemeinsam möchten die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland und das Kultursekretariat NRW Gütersloh mit diesem Positionspapier die Initiative der Landesregierung zu einem harmonischen Zusammenspiel zwischen Stadt und Land in der Kunst und Kultur unterstützen, für ein neues Stadt-Land-Modell werben und konkrete Forderungen benennen.
Kunst und Kultur haben eine große Bedeutung und Stellenwert für die Gesellschaft. Sie definieren die Lebensqualität entscheidend mit und sind für die Wirtschaft ein wichtiger Standortfaktor. Es gilt daher, die Schere zwischen den urbanen und ländlichen Räumen zu schließen. 

Ein Blick auf die demographischen Verhältnisse unterstreicht die Bedeutung dieses Zieles:

  • Im Oktober 2016 lebten In den Landkreisen NRWs 10.647.540 Menschen und damit 59,5 Prozent der NRW Bevölkerung.
  • Dagegen lebten in den kreisfreien Städten 7.248.483 Menschen und damit 40,5 Prozent der NRW Bevölkerung.
  • In den fünf größten Städten Düsseldorf, Duisburg, Essen, Köln und Dortmund lebten 3.3357.371 Menschen, das sind 18,8 Prozent der NRW Bevölkerung.

Dabei geht es dem Kultursekretariat NRW Gütersloh und den Landschaftsverbänden Westfalen-Lippe und Rheinland nicht darum, Städte, Kreise und Kommunen, ländliche und urbane Räume gegeneinander in Stellung zu bringen oder auszuspielen. Vielmehr sollen bestehende wechselseitige Verbindungen und Wirkungen zwischen Zentren, Umland und Peripherie anerkannt, gefördert und weiter ausgebaut werden. Es geht darum, auf unterschiedliche Bedingungen produktiv zu reagieren. Kurz: mehr Kunst, Kultur und Kulturerleben in ganz NRW zu ermöglichen.

 Wir halten es daher für wichtig,

  1. die Qualität der Kunst und Kultur in den urbanen sowie in den ländlichen Räumen in NRW gleichermaßen und ausgewogen zu sichern und zu entwickeln,
  2. die Gleichwertigkeit der kulturellen Lebensverhältnisse in urbanen und ländlichen Regionen zu befördern,
  3. die Bedeutung der Qualität von Kunst und Kultur in der Fläche herauszustellen und adäquat zu fördern. [1]

Die verfassenden Institutionen stehen aufgrund ihrer ausgewiesenen Expertise für dieses Thema für einen umfassenden Dialog zur Verfügung; und sie möchten gemeinsam mit dem Land NRW in einen Diskurs zur Qualität in Kunst und Kultur in der Fläche und in den ländlichen Räumen eintreten.


Dr. Yasmine Freigang
Quelle: LWL

[1] KFG NRW § 16 (2), Erläuterung, S. 69; Kulturförderplan 2016-2018, S. 49.