Ergebnisse einer NRW-weiten Befragung aller Kommunen und Kreise und Krisenbewältigung mit Sozialplanung

12. April 2022: Von Ann-Kristin Reher und Denise Anton, Projekt „Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Unterstützung kommunaler Sozialplanung“, Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH (G.I.B.NRW)

Kommunen und Kreise in NRW arbeiten an vielen Stellen daran, allen Menschen in ihrem Einzugsbereich gute Teilhabechancen zu eröffnen und gleichwertige Lebensverhältnisse zu ermöglichen. Sozialplanung ist dabei ein zentrales Instrument zur Unterstützung kommunaler Sozialpolitik. Sie verfolgt das Ziel, die Lebensverhältnisse vor Ort sichtbar zu machen, sozialen Benachteiligungen entgegenzuwirken und Armutsfolgen zu mindern. Inhalte der Sozialplanung sind u. a. die Entwicklung einer kommunalen Gesamtstrategie, Sozialberichterstattung und die integrierte Zusammenarbeit der einzelnen Fachplanungen. Ziel ist es bedarfsgerechte Maßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu entwickeln. Vor dem Hintergrund der kommunalen Aufgabenabgrenzung bietet sich die Sozialplanung insbesondere für die Kreise an. 


Logo der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH
Quelle: G.I.B. NRW

Zu Beginn des Jahres 2020, noch vor der Corona-Pandemie, hat das Team Armutsbekämpfung und Sozialplanung der G.I.B. mbH in Kooperation mit dem MAGS NRW und IT.NRW alle nordrhein-westfälischen Kreise und Kommunen zur Sozialplanung befragt. 60,4 Prozent aller Kommunen und Kreise in NRW haben Auskunft gegeben und so einen erweiterten Blick auf das Themenfeld ermöglicht. Insgesamt 100 Kommunen und Kreise, knapp ein Drittel, haben Anfang 2020 eine Sozialplanung betrieben oder diese konzeptioniert. Kreisfreie Städte sind dabei überproportional vertreten, 41,9 Prozent aller Kreise und 12,3 Prozent aller kreisangehörigen Kommunen betrieben bereits kommunale Sozialplanung. 


Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung.   
Quelle: G.I.B. NRW     

Mithilfe der Umfrage zeigte sich, dass die strukturierte, institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Kreisen und ihren angehörigen Kommunen sowie eine gemeinsam abgestimmte Strategie viele Vorteile mit sich bringen. Einerseits liegen zum Beispiel bestimmte Daten und die Kapazität, diese zu analysieren, häufig nur auf Kreisebene vor. Diese können mithilfe der Sozialplanung für alle kreisangehörigen Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Andererseits benötigen kreisübergreifende Strategien und passgenaue Projekte vor Ort eine gemeinsame Trägerschaft aller Kommunen und kommunale Netzwerke der Akteurinnen und Akteure, um optimal umgesetzt werden zu können.
Zudem verfügen die kreisangehörigen Gemeinden über eine größere inhaltliche und räumliche Nähe zu der gesellschaftlichen Situation in ihren Quartieren. Diese ist für die Umsetzung von Projekten unerlässlich. Die Sozialplanung für Kreise – gemeinsam mit ihren kreisangehörigen Kommunen – bietet einen deutlichen Mehrwert, besonders, wenn es auf beiden Ebenen ein Engagement für Sozialplanung gibt. Beide Sozialplanungen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern potenzieren die Vorteile.


Operative Herausforderungen der Sozialplanung.
Quelle: G.I.B. NRW

85 Vertreterinnen und Vertreter haben Anfang 2020 vielfältige operative Herausforderungen auf kommunaler Ebene zurückgemeldet. Bereits vor der Corona-Pandemie gab es drängende Herausforderungen in der Altenhilfe- und Pflegebedarfsplanung, eine sich verändernde Gesellschafts- und Sozialstruktur sowie dringende Fragen in der Wohnraumversorgung und dem Ausbau der Bildungs- und Betreuungsstrukturen. Unter den Belastungen der Pandemie haben sich diese Themen oftmals verstärkt. 
Ob nun bereits mit etablierter Sozialplanung oder in Vorbereitung dieser – die Nennungen im Kontext anderer Fachplanungen bedeuten nicht, dass Sozialplanung die Souveränität der einzelnen Fachplanungen einschränkt, sondern integrativ wirkt und zur besseren Kooperation und Abstimmung der Akteurinnen, Akteure und Bereiche beiträgt.
Die zu Beginn genannten Vorteile einer integrierten, strategischen Sozialplanung sind aus der Beratungspraxis erfahrungemäß für die Sozialplanung in Kreisen zugleich die größten Herausforderungen. Insbesondere die integrierte Zusammenarbeit innerhalb der Kreisverwaltung und mit den kreisangehörigen Kommunen, die kleinräumige Betrachtung unterhalb der Gemeindegrenzen und die unterschiedlichen Zuständigkeits- und Kompetenzebenen sind häufig dominierende Themen. 
An dieser Stelle ist es nützlich, die Sozialplanung eines Kreises – als Prozess und Steuerungsunterstützung verstanden – von Beginn an als kooperativ-partnerschaftlichen Prozess mit hoher Transparenz und stets gegenseitigem, informativem Charakter zu betreiben. Dafür gibt es mittlerweile einige gute Beispiele in Nordrhein-Westfalen, exemplarisch sind die Sozialplanungsprozesse aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis und der StädteRegion Aachen zu nennen. 
Hilfreich für die nachhaltige Ausgestaltung der Sozialplanung auf Kreisebene ist es, vor Einführung der Sozialplanung ein Commitment auf Leitungsebene – auch auf Ebene der kreisangehörigen Kommunen zu schließen. Mit der Vereinbarung verdeutlichen alle Beteiligten das Wissen um die Vorteile einer Sozialplanung, aber auch um die Notwendig der partnerschaftlichen Mitarbeit aller Ebenen. Über stetige Information und Transparenz hinaus, ist es möglich, im weiteren Prozess Teile der Sozialplanung auf viele Schultern zu verteilen. Sinnvoll ist es zum Beispiel, für die Entscheidungen über kleinräumige Quartiere die kommunale Selbstverwaltung zu beachten und als Dienstleister für Aufbereitung und fachliche Fragen zu fungieren. Die eigenverantwortliche Mitarbeit der kreisangehörigen Kommunen ist zum Beispiel in der StädteRegion Aachen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis erfolgreich gelungen.
Darüber hinaus ist die gemeinschaftliche Arbeit an der Datenanalyse und an Handlungsempfehlungen in einem stetigen Kommunikations- und Arbeitsprozess unter Beteiligung aller unerlässlich. Dies ermöglicht, die Kompetenzen der Gebietskörperschaften einzuhalten und gleichzeitig abgestimmt und ergänzend zusammenzuführen. Häufig erweist sich die Arbeit an einem gemeinsamen Produkt (z. B. gemeinsamen Handlungsempfehlungen), die integrierte Identifizierung besonderer Quartiere unter Beteiligung der Kreiskompetenzen (Jugend- und Gesundheitsamt, Jobcenter u. a.) sowie der örtlichen Beteiligten (Sozialamt, Freie Wohlfahrt u. a.) als vorteilhaft. Die gemeinsame Arbeit bietet eine gute Grundlage für weiteres aktives Engagement und Interesse der kreisangehörigen Kommunen über den andauernden Prozess. Ihre Beteiligung ist bei den weiteren Prozessschritten – politische Meinungsbildung, Entwicklung passgenauer Angebote im Quartier, Akteurs- und Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung grundsätzlich notwendig.

Krisenbewältigung mit Sozialplanung
Die Bewältigung der Corona-Pandemie und jüngst der Zustrom-Bewegungen von Menschen aus der Ukraine, die schutz- und hilfesuchend ankommen, zeigen die Besonderheit von Situationen, in denen eine ad hoc-Reaktion notwendig wird. Existierende Netzwerkstrukturen, bekannte Informationswege in der Verwaltung und schnelle Wissensweitergabe sind in solchen Fällen noch bedeutsamer als in anderen Zeiten. 

Eine bestehende Sozialplanung bietet im Idealfall effiziente und kurze Arbeitswege, ein gutes, kollegiales Miteinander und schnelle – weil bekannte – transparente Informationswege. Zusätzlich liegt zwar die zentrale Zuständigkeit zunächst bei den kreisangehörigen Kommunen, allerdings eröffnet Sozialplanung auf Kreisebene die Möglichkeit, statistisch zu erheben, welche Menschen mit welcher sozio-ökonomischen Situation in den Kommunen ankommen. Sie hat somit das Potenzial in der Versorgung mit Wohnraum, Kita- und Grundschulplätzen sowie Leistungsansprüchen, gemeinsame Strategien zu entwickeln und die Kraft der kommunalen Verwaltungen zu nutzen, in dem sie interkommunal vermittelt. 

 Auch die Landesregierung unterstützt die kommunale, strategische und integrierte Sozialplanung und fördert aktuell mit finanziellen Mitteln den Aufbau oder Ausbau einer kommunalen Sozialplanung. Mehr Informationen zum Aufruf „Zusammen im Quartier – Sozialplanung initiieren, weiterentwickeln und stärken“ sind auf der Homepage des MAGS NRW zu finden. Projektanträge sind laufend möglich: https://www.mags.nrw/armutsbekaempfung-und-sozialplanung.

Weiterführende Informationen zum kostenlosen Beratungsangebot zur integrierten, strategischen Sozialplanung der G.I.B. sind verfügbar unter:
https://www.gib.nrw.de/themen/armutsbekaempfung-und-sozialplanung-1 

Ann-Kristin Reher

Quelle: G.I.B. NRW

Denise Anton