Gemeinsam für eine starke Infrastruktur – Kreisarchive und LVR-AFZ als Partner bei der Archivberatung

18. März 2019: Von Dr. Gregor Patt, Gebietsreferent und kommissarischer Leiter des Teams Archivberatung im LVR-AFZ

Dem LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum obliegt die Verantwortung für die Betreuung und Beratung von nichtstaatlichen Archiven im Verbandsgebiet des LVR. Von besonderer Bedeutung ist dabei ein enger Austausch mit den Kreisarchiven. Eine gelingende Zusammenarbeit trägt erheblich zur Stärkung der archivischen Infrastruktur bei.


Gruppenfoto der Arbeitsgemeinschaft der Archivarinnen und Archivare im Kreis Kleve aus dem Jahr 2017
Quelle: Herbert van Stephoudt, Stadt Geldern

Seit genau 90 Jahren gehören die Unterstützung der nichtstaatlichen Archive sowie die Förderung der archivischen Infrastruktur zu den originären Aufgaben der beiden Landschaftsverbände in NRW. Im Jahr 1929 gegründet – noch in Trägerschaft des Provinzialverbandes der Preußischen Rheinprovinz –, sind die Angebote des heutigen LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrums (LVR-AFZ) seitdem stetig ausgebaut, angepasst und verbessert worden. Sie richten sich nach wie vor an alle nichtstaatlichen Archive im Rheinland. Somit berät das LVR-AFZ heute über 500 Kultureinrichtungen unentgeltlich bei allen Fragen rund um die Archivierung ihrer Bestände und den Betrieb von Archiven. Zu den beratenen Einrichtungen gehören auch die rheinischen Kreisarchive.
Angesichts dieser Zielrichtung versteht es sich von selbst, dass alle Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der archivischen Infrastruktur beitragen bzw. zu einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ befähigen, schon seit Jahrzehnten in den Fokus gerückt sind. Hans Budde und Peter K. Weber sprachen diesbezüglich bereits 2009 von einem „Strategiewechsel“. Die praktische Archivpflege im Sinne der Erschließung, Sicherung und Verpackung von Archivbeständen vor Ort durch Mitarbeitende des LVR hat an Bedeutung verloren. An ihre Stelle tritt die Unterstützung von Archiven und ihren Trägern bei der Organisation und Durchführung des Archivbetriebs sowie die aktive Förderung der nichtstaatlichen archivischen Infrastruktur – eng abgestimmt mit den Dienstleistungen, die im Technischen Zentrum von Restaurierungswerkstatt und Reprografie erbracht werden. All dies hat – wie auch die entsprechenden Bemühungen in Westfalen – erheblich dazu beigetragen, dass sich das nichtstaatliche Archivwesen in NRW im bundesweiten Vergleich durch einen hohen Professionalisierungsgrad und krisenfeste Strukturen auszeichnet.
In diesen Strukturen kommt den Kreisarchiven eine zentrale Rolle zu, und die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass archivische Beratung und Infrastrukturförderung dort am besten funktionieren, wo starke Kreisarchive eng mit den Archivberatungen der Landschaftsverbände zusammenarbeiten, also im Rheinland mit dem LVR-AFZ. Hier können die Kreisarchive im kommunalen Bereich wichtige Koordinierungs- und Vermittlungsaufgaben übernehmen – eine Funktion, die den Kreisarchiven z-B. in Baden-Württemberg traditionell zukommt, da es dort an einer landesweiten Archivberatung fehlt.
Im Rheinland stehen alle Kreisarchive unter hauptamtlicher Leitung. Der Zuschnitt ihrer Aufgaben ist jedoch sehr unterschiedlich: er reicht vom Modell des Kreiszentralarchivs (Viersen), in dem die Archive der kreisangehörigen Kommunen zusammengefasst sind, über Verbundarchive, in denen die Archive von Kreis und Kreisstadt institutionell oder personell miteinander verbunden sind (Düren, Oberbergischer Kreis) bis zum „klassischen“ Kreisarchiv mit ausschließlicher Zuständigkeit für das Archivgut des Kreises.
In ihren Aufgaben unterscheiden sich die Kreisarchive nicht grundlegend von den Archiven der kreisangehörigen Kommunen. Wie diese weisen sie mit Blick auf ihre personelle, infrastrukturelle und finanzielle Ausstattung eine erhebliche Spannbreite auf und wie diese sind sie wichtige Kooperationspartner des LVR-AFZ. Kreisarchive und Archivberatung stehen in regelmäßigem Kontakt und intensivem fachlichen Austausch über zentrale Fragen der Archivierung wie die Bewertung von Unterlagen, die Bestandserhaltung und den Umgang mit der digitalen Überlieferung. Auf der einen Seite bietet das LVR-AFZ seine Dienst- und Beratungsleistungen, wie die Erstellung von Gutachten, die Durchführung von Restaurierungsprojekten oder die Anfertigung von Reprografien, den Kreisarchiven wie allen anderen nichtstaatlichen Archiven an. Auf der anderen Seite erhält die Archivberatung durch die Kreisarchive – nicht zuletzt in der ihnen zukommenden Mittlerfunktion zwischen den Archiven der kreisangehörigen Kommunen und der Archivberatung – wichtige Informationen aus der breit gefächerten kommunalen Archivlandschaft. Aus dem ständigen Dialog zu Fragen verschiedensten Inhalts und unterschiedlicher Komplexität können alle Beteiligten großen Nutzen ziehen.
Gerade in der „Betreuung“ der kreisangehörigen Kommunen in archivischen Angelegenheiten, gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen LVR-AFZ und Kreisarchiven überaus konstruktiv und erfolgreich. In allen Kreisen gibt es Arbeitsgemeinschaften der kommunalen Archive, die sich halbjährlich treffen und in denen fachliche Probleme diskutiert werden. Ursprünglich von der Archivberatung ins Leben gerufen, werden diese AGs heute in aller Regel von den jeweiligen Kreisarchivarinnen und -archivaren geleitet. In Absprache mit den zuständigen Gebietsreferentinnen und –referenten des LVR-AFZ organisieren und koordinieren sie die Sitzungen. Dort, wo Archive aus mehreren Kreisen eine gemeinsame AG bilden, gehören die zugehörigen Kreisarchive zu den aktivsten Mitgliedern.
Aus den Arbeitsgemeinschaften und somit aus der Zusammenarbeit zwischen LVR-AFZ und Kreisarchiven sind in den letzten Jahren nicht wenige überaus erfolgreiche Projekte erwachsen. So gibt es heute in einer ganzen Reihe von Kreisen Notfallverbünde. Hierbei handelt es sich um Zusammenschlüsse der örtlichen Archive mit dem Ziel, Vorkehrungen für Katastrophenereignisse – wie z. B. großflächige Wasserschäden – zu treffen. Personell sind diese Verbünde meist mit den jeweiligen AGs identisch, d. h. sie werden vom Kreisarchiv geleitet und koordiniert; beim LVR-AFZ liegt die fachliche Beratung bzw. die Verantwortung für Förderung und Fortbildungen.
Teil der Notfallvorsorge war zwischen 2011 und 2013 auch die Vergabe von sogenannten Notfallboxen durch das LVR-AFZ. Jeweils ein Archiv in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt im Zuständigkeitsbereich des LVR erhielt eine solche Box mit Ausrüstung für den Katastrophenfall. In den Kreisen gingen diese Boxen fast überall mit großer Selbstverständlichkeit an das jeweilige Kreisarchiv.
Gleiches gilt für das zweite große Infrastrukturprojekt des LVR-AFZ – die Anschaffung von sogenannten Hygiene-Sets. Diese bestehen aus einem Luftreiniger sowie einem Spezialstaubsauger mit Feinstaubfilter. Gefördert vom Bund, hat das LVR-AFZ in den Jahren 2015 bis 2018 insgesamt 26 Sets beschafft und an je ein Archiv in jeder Gebietskörperschaft des LVR übergeben. Auch hier waren die wichtigsten Projektpartner in den Kreisen die Kreisarchive.


Mitglieder des Arbeitskreises der Archive im Kreis Mettmann bei der Erprobung des „LVRConservation Kit“ im Herbst 2018
Quelle: Joachim Schulz-Hönerlage, Kreis Mettmann

Entsprechendes wird in Zukunft auch für die Vergabe des „LVR-Conservation Kit“ gelten, einem Werkzeugkoffer, der die wesentlichen Materialien und Werkzeuge enthält, die für eine selbständige Durchführung kleinerer Reinigungs- und Sicherungsmaßnahmen benötigt werden. Ziel ist diesmal zwar die Ausstattung aller Kommunalarchive. Beim Pilotprojekt, der Übergabe an die AG der Archive im Kreis Mettmann, zeigte sich jedoch einmal mehr, dass die koordinierende Funktion des Kreisarchivs eine Voraussetzung für das Gelingen solcher Infrastrukturprojekte ist.
Für die Archivlandschaft im Rheinland ist die Kooperation zwischen Kreisarchiven und LVR-AFZ von großer Bedeutung; es ist festzustellen, je enger und intensiver diese ist, desto mehr profitiert die archivische Infrastruktur in Kreis und kreisangehörigen Kommunen. Ein starkes Kreisarchiv kann Impulse und Anregungen an kleinere Kommunalarchive geben, indem es Freiräume und Möglichkeiten schafft, in denen sich die Archive der kleineren Kommunen bestmöglich entwickeln können. So ist auch die Entwicklung zum Kreiszentralarchiv in der Regel nur dort realistisch und sinnvoll, wo die archivische Struktur in den Kommunen ohnehin schon seit Jahrzehnten sehr schwach ausgeprägt ist oder gänzlich fehlt.
Auch das LVR-AFZ wird dort, wo es mit starken Kreisarchiven konfrontiert wird, nicht überflüssig. Wie auch beim Austausch mit den großen Stadt- und Kirchenarchiven werden lediglich die Fragestellungen komplexer. Der Beratungsbedarf verändert sich, ohne an Relevanz zu verlieren. Beide Seiten profitieren von der Leistungsfähigkeit des Gegenübers.
Neben der Landesinitiative Substanzerhalt (LISE) ist vor allem auch das Programm „Archiv und Schule“ ein Beispiel für eine Förderung, die den Kreisen unmittelbar zugutekommt und vom LVR-AFZ zumindest begleitet und koordiniert wird. Der Beitrag von Claudia Arndt im vorliegenden Heft spricht für sich. Es ist zu wünschen, dass in den kommenden Jahren eine noch höhere Zahl von Kreisarchiven von den Fördermöglichkeiten und –programmen des LVR- profitieren können.


Dr. Gregor Patt
Quelle: Kreis Mettmann