Geodaten in der Nutzung – die Erfolgsgeschichte amtlicher Daten von Land und Kommunen

16. November 2021: von Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen stellt die digitalen amtlichen Geobasisdaten von Landesvermessung und Liegenschaftskataster seit vier Jahren kostenfrei und seit knapp zwei Jahren unter einer vollständig offenen Lizenz bereit. Das sorgt natürlich für eine gesteigerte Nachfrage und Nutzung der Geofachdaten und macht deutlich, dass Geodaten eine wichtige Ressource für die Bewältigung von Aufgaben auf den Ebenen von Bund, Land und Kommunen sind. Und für die Bedeutung der Geodaten gibt es zahlreiche, gute Beispiele:

Copernicus – Nordrhein-Westfalen aus dem All
Angefangen mit „Copernicus“: Die Prozesse der Erhebung amtlicher Geodaten werden selbstverständlich ständig dem aktuellen Stand der Technik angepasst. Wie aber hilft hierbei das europäische Raumfahrtprogramm „Copernicus“? Ganz konkret: Die Erde wird täglich durch ein dichtes Netz an Satelliten beobachtet. Das macht es möglich, alle drei bis sechs Tage Bilddaten zu einem Standort zu aktualisieren.  Auch wenn die Qualität der Daten nicht mit den hoch aufgelösten Luftbildern der Vermessungsverwaltung vergleichbar ist: Der Mehrwert dieser Daten durch Aktualität und Flächendeckung bleibt.
Um den Bedarf an „Copernicus“-Daten für Nordrhein-Westfalen zu ermitteln, tauschen sich Land und Kommunalvertretungen regelmäßig mit Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft aus. So konnten schon diverse Projekte aus den Bereichen Vermessung, Umwelt, Natur, Gefahrenabwehr oder Planung initiiert werden. 
Beispielhaft sei hier das von der Landesvermessung NRW umgesetzte Projekt „Cop4ALL“ benannt. Auf der Basis aktueller Geobasis- und „Copernicus“-Daten können Veränderungen der Erdoberfläche ermittelt und in 15 einheitliche sogenannte Landbedeckungsklassen differenziert werden. Vereinfacht gesagt kann so erkannt werden, wo Gebäude stehen, wo Gewässer fließen oder wo sich Wald befindet. Die Technologie wird dabei auf Basis von Ansätzen der Künstlichen Intelligenz (Deep Learning) trainiert, um diese Klassen – also zum Beispiel Vegetation, Gewässer oder bauliche Objekte – automatisiert differenzieren zu können.  Dieses Projekt wurde durch kommunale Fachleute begleitet, um eine Nachnutzung auf lokaler Ebene zu ermöglichen. Dadurch können die Erhebungsprozesse der Vermessungs- und Katasterverwaltungen über die verschiedenen Organisationsebenen hinweg unterstützt werden. 
Für dieses und zahlreiche andere Projekte braucht es aber eine gemeinsame technische Basis – die bietet IT.NRW: Hier werden die offenen Daten aus Nordrhein-Westfalen mit Fernerkundungsdaten zusammengeführt und in einer zentralen Infrastruktur automatisiert verarbeitet.    

Dynamisches Mosaik – NRW in wolkenfreier Sicht
Zweites Beispiel für die Bedeutung von Geodaten: ein wolkenfreier Blick auf unser Bundesland. Die nordrhein-westfälische Vermessungsverwaltung stellt gemeinsam mit IT.NRW aus kostenfreien aktuellen Satellitendaten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) kontinuierlich die gesamte Landesfläche in einem sogenannten dynamischen Mosaik dar. Die störende Wolkendecke wird dabei dynamisch entfernt. Hierfür werden die Daten der ESA vorprozessiert, analysiert und die geeigneten wolkenfreien Stücke des Mosaiks automatisiert aktualisiert. Dieses so regelmäßig fortgeführte Puzzle an Satelliten-Aufnahmen kann automatisiert in Fachanwendungen nutzbar gemacht werden.


Die Abbildung zeigt die unterschiedliche Qualität der Geodaten am Beispiel der in Folge der Flutkatastrophe im Juli 2021 überfluteten Kiesgrube in Erftstadt-Blessem. Die reduzierte Auflösung der Satellitendaten fällt sofort ins Auge, tritt aber im Interesse der Aktualität – gerade bei flächenhaften Informationen – in den Hintergrund.
Quelle: Enthält Copernicus Sentinel-2 Daten [2021], verarbeitet durch Geobasis NRW; dl-de/by-2-0

KriSiGEO - Geodaten für den Blackout
Drittes Beispiel: Der Zugang zu Geodaten auch in Krisensituationen. Die Bereitstellung der Geodaten erfolgt in Nordrhein-Westfalen online über sogenannte Geodatendienste. Diese ermöglichen den automatisierten Zugriff auf die aktuellsten Daten von Land und Kommunen. Daneben werden aber auch klassische Möglichkeiten angeboten, die Daten von den jeweiligen Servern herunterzuladen. Wie können aber Daten im Krisenfall bezogen werden, wenn der digitale Zugang, zum Beispiel wegen eines Stromausfalls, nicht mehr möglich ist? Für diese „Krisensituationen“ wurde in NRW die Anwendung KriSiGEO entwickelt. Die Offline-Lösung ist ein kostenfreies Angebot für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) (Download über https://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/geobasis/geodaten-anwendungen/krisigeo_nw ). 
Mit KriSiGEO werden Geobasisdaten – also beispielsweise topographische Karten oder Luftbilder – sowie Geofachdaten – wie Standorte von Krankenhäusern oder aus dem Zensus abgeleitete anonymisierte Einwohnerdaten – in einem leicht bedienbaren Geoinformationssystem unabhängig vom Strom- und Leitungsnetz für die BOS zur Verfügung gestellt. Die Lösung ist insbesondere für Geo-Laien gedacht, also denjenigen Menschen, die im Krisenfall intuitiv mit den Geodaten Lagedarstellungen vornehmen müssen. Dabei können die landesweit angebotenen Geodaten durch lokale eigene Fachdaten oder auch taktische Zeichen angereichert und weitergegeben werden. 
Aufgrund der zurückliegenden Flutkatastrophe im Juli 2021 und den damit zusammenhängenden Strom- und Netzausfällen haben auch Stellen des Bundes und anderer Länder KriSiGEO bereits bezogen. Der Plan ist daher, dieses Angebot möglichst in der Fläche anzubieten, um im Bedarfsfall auf gleichen Geodaten und technischen Grundlagen arbeiten zu können. Das kann insbesondere Einsätze an den geographischen Grenzen zu den Niederlanden oder Belgien unterstützen. 

Starkregengefahren-Hinweiskarten  
Ein viertes Beispiel: Im Oktober 2021 veröffentlichte das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie eine interaktive Webkarte mit Gefahrenhinweisen zu Starkregen für das Gebiet von Nordrhein-Westfalen (https://geoportal.de/Info/tk_04-starkregengefahrenhinweise-nrw). Grundlage hierfür waren Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sowie die kostenfreien amtlichen Geobasisdaten von Landesvermessung und Liegenschaftskataster. Auf der Basis von hochaufgelösten Geländemodellen und Informationen zu den Grundstücken konnten Simulationen zu potentiellen Überschwemmungsgebieten gerechnet werden. 
Diese Simulationsdaten können ein weiterer Baustein bei der Unterstützung von Krisensituationen sein. Eine tatsächliche Lagesituation – und das haben die Ereignisse der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 leider gezeigt – lässt sich im Vorfeld aber nicht vollständig modellieren. Hierfür brauchen wir weitere Verfeinerungen der Modelldaten – und die können nur von lokalen Ortskundigen kommen, weil es hierbei zum Beispiel um Abflusskapazitäten, bauliche Schutzmaßnahmen an Gewässern oder Regenrückhaltesysteme geht.  

Geodaten für die Wirtschaft – Beispiel Versicherungsunternehmen
Als letztes Beispiel sei ein Blick in die Versicherungsbranche geworfen. Denn auch, wenn die Erhebung und Bereitstellung amtlicher Geodaten primär der öffentlichen Daseinsvorsorge dient, gibt es ebenso außerhalb der Verwaltung Verwendung für die Daten. Beispielsweise werden hochaufgelöste Luftbilder, räumliche Informationen zu Gebäuden, aber auch Informationen zur Örtlichkeit, in der Versicherungsbranche zu einer ersten Werteinschätzung vom Schreibtisch aus genutzt. Das gilt insbesondere dort, wo Versicherungsobjekte nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zugänglich sind. Digitale Geodaten können hier also einen wichtigen Beitrag zur Digitalisierung und zur Effizienzsteigerung eines Unternehmens darstellen. 
So hat ein in Nordrhein-Westfalen ansässiges Versicherungs-Unternehmen die digitalen Geodaten – geboren aus einem Projekt heraus – mittlerweile fest in ihre Prozesskette zur Ermittlung von Gebäudeversicherungswerten eingebunden. Ermöglicht wurde das Projekt erst durch die kostenfreie Nutzung der Geobasisdaten und damit der Reduzierung der Projektkosten. Heute unterstützen die Daten bei der Vorbereitung von Versicherungsabschlüssen – und dienen damit auch dem öffentlichen Auftrag der Versicherung zur Absicherung existentieller Risiken. 

Die „Weltvermesser“ von morgen finden – Nachwuchsinitiative geodäsie.nrw

Nachwuchsinitiative geodäsie.nrw.
Quelle: IM NRW

Die Bedeutung von Geodaten dürfen aufgrund der vorgenannten Beispiele auf der Hand liegen, aber es wartet eine große Herausforderung auf uns: Denn in den Berufsfeldern von Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement ist ein eklatanter Mangel an fachlichen Nachwuchskräften zu beklagen. Die Folgen des demografischen Wandels werden hierbei durch sinkende Studienanfängerzahlen noch verstärkt. Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft sind hiervon gleichermaßen betroffen. Um diesem Trend zu begegnen, wurde in diesem Jahr die Nachwuchskampagne geodäsie.nrw gegründet. Das ist vor allem eine Imagekampagne, die unter anderem über die oben genannten Berufsfelder informieren und dafür begeistern soll. Im Fokus stehen dabei insbesondere Schülerinnen und Schülern, die kurz vor der Berufswahl stehen.
Die Koordination der einzelnen Maßnahmen der Initiative erfolgt durch die Geschäftsstelle geodäsie.nrw, die im Ministerium des Innern eingerichtet ist. Zentrales Element der Kampagne ist die Webseite www.geodäsie.nrw – eine Informationsplattform für die Berufsbilder und Aufgabenfelder. Hier finden interessierte Besucherinnen und Besucher in einer interaktiven Karte auch konkrete Angebote für Praktikums-, Ausbildungs- und Studienplätze in Nordrhein-Westfalen.

Ausblick
Die nordrhein-westfälischen Vermessungs- und Geoinformationsverwaltungen zeichnen sich durch eine hohe Innovationsbereitschaft aus, mit der sie die digitale Transformation auf allen Ebenen begleiten. Das haben die Beispiele gezeigt! Dazu gehört aber auch, den Blick gemeinsam nach vorne zu richten – auf die Fragestellungen von morgen. Die Dynamik in der Digitalisierung, die gestiegenen Anforderungen aus einer Vielzahl politischer Bereiche bei gleichzeitig sinkendem Fachpersonal machen agile Lösungen und Fachverfahren erforderlich. Hier können organisatorische Zwänge in der vertikalen wie auch horizontalen Verwaltungsstruktur durch technische Lösungen aufgefangen werden. Dies gilt insbesondere bei der Bereitstellung von Geodaten und Anwendungen unterschiedlichster Ebenen für eine Nutzung in Krisensituationen. 
Das Land wird sich auch weiterhin für den Ausbau und die Vernetzung von Geodaten aller Ebenen einsetzen. Basis ist und bleibt die europäische INSPIRE-Richtlinie 2007/2/EG („Infrastructure for Spatial Information in the European Community“), die national über das Geodatenzugangsgesetz (GeoZG) umgesetzt wird. Geprägt durch seine kommunalen Strukturen gerade in der Vermessungs- und Geoinformationsverwaltung wird das Land weiterhin den Dialog mit den kommunalen Vertretungen führen, um an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. Dabei bleibt die Datensouveränität der Kommunen unangetastet. Die bereits existierenden technischen Netzwerke für eine Optimierung des Zugangs und der Nutzung amtlicher Geodaten werden aber weiter optimiert und auf die Anforderungen der vielfältigen Nutzerinnen und Nutzer angepasst.
Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Die Vermessungs- und Geoinformationsverwaltungen von Land und Kommunen sind gut aufgestellt, um den künftigen Anforderungen im Kontext der Digitalisierung gerecht werden zu können. Und damit bleibt gleichermaßen viel zu tun!


Minister Herbert Reul
Quelle: IM NRW