Gesundheitlicher Verbraucherschutz und Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen

14. Dezember 2021: GASTBEITRAG von Ministerin Ursula Heinen-Esser, Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung für den gesundheitlichen Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst und misst dieser Aufgabe einen hohen Stellenwert bei. Seit fast 30 Jahren befragt das Infocenter der R+V Versicherung die Bundesbürger nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit. Die Angst vor Schadstoffen in Lebensmitteln rangiert im Jahr 2021 an fünfter Stelle im Ranking der „Ängste der Deutschen 2021“, noch vor der Angst etwa vor Naturkatastrophen und Wetterextremen.

Die Wahrnehmung der Risiken und die tatsächliche Gefahrensituation klaffen hier auseinander. Tatsächlich sind Nahrungsmittel, die in Verkehr gebracht werden, von hoher Güte und Sicherheit, wie die Kontrollen regelmäßig zeigen. Aufgabe und Ziel der behördlichen Kontrollen ist es, zusätzlich für Sicherheit und die Einhaltung rechtlicher Vorgaben zu sorgen. Was man immer wieder betonen muss: Zuvorderst liegt die Verantwortung, dass nur sichere und hygienisch einwandfreie Lebensmittel oder sonstige Konsumgüter in Verkehr gebracht werden, bei den Unternehmen.

Die Qualität der Überwachung durch die Behörden lässt sich nicht allein daran bemessen, wie viele Betriebe kontrolliert werden. Eine gute amtliche Überwachung konzentriert ihre Ressourcen auf die Überwachung sogenannter Risikobetriebe. Schließlich kann nicht neben jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter eines Betriebes eine Kontrolleurin oder ein Kontrolleur stellen. Unser Ziel ist es, die amtliche Überwachung so effizient und effektiv wie möglich auf das Aufspüren und Beseitigen von echten Risiken für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu fokussieren. 

Dabei nimmt Nordrhein-Westfalen als leistungsstarker Standort der Land- und Ernährungswirtschaft mit einer hohen Bevölkerungsdichte im gesundheitlichen Verbraucherschutz und der Lebensmittelüberwachung eine führende Stellung unter den deutschen Bundesländern ein. Das Land kann seine Arbeit dabei auf bewährte Strukturen stützen.

Oberste Landesbehörde für die Lebensmittelüberwachung ist das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV). Ihm nachgeordnet nimmt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) als Landesoberbehörde sowohl eigene als auch koordinative Aufgaben wahr. Das Landesamt wiederum ist die Aufsichtsbehörde für insgesamt 50 kommunale Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter. Diese entnehmen Proben, kontrollieren Betriebe, leiten bei Bedarf geeignete Maßnahmen ein, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und ahnden Verstöße auf angemessene Weise.

Gemeinsam und in enger Abstimmung stellen diese Behörden sicher, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren durch Lebensmittel, Tabakerzeugnisse, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände sowie vor Irreführung und Täuschung den angemessenen Schutz genießen. In ihre Verantwortung fällt auch die Bekämpfung von Tierseuchen und die Förderung der Tiergesundheit. Beide Arbeitsfelder dienen mittelbar ebenfalls dem Schutz der menschlichen Gesundheit. In der gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben im gesundheitlichen Verbraucherschutz und der Lebensmittelüberwachung arbeiten Land und Kommunen vertrauensvoll zusammen. 

Um die Qualität und Einheitlichkeit der amtlichen Kontrollen in Nordrhein-Westfalen sicherzustellen, wurde bereits im Jahr 2014 ein entsprechendes Rahmenkonzept etabliert. Die „Landes-QM-Dokumentation“ bildet seitdem den landeseinheitlichen Standard für den Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ab. Dies trägt wesentlich zur Harmonisierung und ständigen Verbesserung des Vollzugs bei. Auf dieser Grundlage wurde im Folgejahr das landesinterne Auditsystem (LIAS) eingeführt. Die Aus- und Fortbildung der kommunalen Auditorinnen und Auditoren wird von der Landesregierung finanziert. 70 Personen haben diese Ausbildung bereits abgeschlossen, bei weiteren 30 steht der Abschluss noch bevor.

Kommunenübergreifend überprüfen die ausgebildeten Auditorinnen und Auditoren die QM-Systeme der Lebensmittelüberwachungsämter der zuständigen Kreise und kreisfreien Städte im Rahmen eines festgelegten Programms. Die Ergebnisse der Audits werden durch die oberste Landesbehörde in anonymisierter Form ausgewertet und im jährlichen Turnus von einem Gremium bewertet, in welches das für den Verbraucherschutz zuständige Ministerium (MULNV), das LANUV und die kommunalen Spitzenverbände jeweils eine Person entsenden. 

Seit 2016 führt das Ministerium im jährlichen Turnus die Erhebung von Betriebs- und Personalzahlen der amtlichen Lebensmittelüberwachung für das Vorjahr durch. Zur besseren Vergleichbarkeit und um die Erfassung zu vereinfachen, wurden die Grundlagen dafür zuvor standardisiert. Die erfassten Daten werden automatisiert übertragen. Die Auswertung durch die Landesbehörden erfordert zwar zusätzlichen Aufwand, das Verfahren hat sich jedoch mittlerweile zuverlässig bewährt. 

Die vor Ort erhobenen Betriebs- und Kontrolldaten sowie die aus den Berichtspflichten des LANUV resultierenden Daten zu Proben und Personal werden routinemäßig ausgewertet. Die jeweiligen Ergebnisse werden den Ämtern vor Ort zur Optimierung der eigenen Arbeitsprozesse anschließend zur Verfügung gestellt. Jedes Lebensmittelüberwachungsamt wird dadurch in die Lage versetzt, die eigenen Ergebnisse in Bezug auf das Gesamtergebnis einzuordnen. Auf diese Weise leistet das beschriebene Verfahren einen erheblichen Beitrag für die Steuerung und Planung von Ressourcen der amtlichen Lebensmittelüberwachung und -kontrolle in Nordrhein-Westfalen. 

In Ergänzung dieses inzwischen erprobten Instruments wurde im Jahr 2019 ein Pilotprojekt zum „Benchmarking“ in der amtlichen Lebensmittelüberwachung angestoßen. Es wird vom Land NRW finanziert. Insgesamt nehmen acht Kreise und kreisfreie Städte mit ihren zuständigen Ämtern an diesem Projekt teil. Auf Grundlage anonymisierter Daten werden in diesem Rahmen bestehende Strukturen verglichen und Best-Practice-Beispiele identifiziert. Das Projekt fördert so den fachlichen Austausch der beteiligten Behörden, die voneinander lernen, um die eigene Leistungsfähigkeit zu verbessern. Benchmarking in der Lebensmittelüberwachung ist ein Instrument zur eigenständigen Weiterentwicklung behördeninterner Strukturen und kann zu einer deutlichen Verbesserung der internen Prozesse führen. Die Ausweitung auf weitere kommunale Partner wird derzeit durch das Land vorbereitet. 

Ein weiteres wegweisendes Projekt ist das vor einem Jahr vorgelegte Konzept zur landesweiten Risikobeurteilung landwirtschaftlicher Betriebe, mit dem eine entsprechende Verordnung der Europäischen Union in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden soll. Es beschreibt ein robustes, integriertes System zur Risikobeurteilung für die Primärproduktion, das alle relevanten Rechtsbereiche einbezieht. Darin werden in Abhängigkeit vom potentiellen Risiko Kontrollintervalle von drei bis sieben Jahren festgelegt, in denen die Behörde eine Bewertung des jeweiligen Betriebes vor Ort vornimmt. 

Das zu etablierende System einer integrierten Risikobeurteilung landwirtschaftlicher Betriebe wird in hohem Maß digital ausgestaltet sein und bildet den zentralen Baustein des Informationssystems Tiergesundheit 4.0 des Landes Nordrhein-Westfalen. Die vorliegenden Informationen werden dazu in eine Datenbank eingespeist, die eine Risikobewertung automatisiert durchführt. Ein Frühwarnsystem stößt bei auffälligen Daten anlassbezogene Kontrollen an. 

Das beschriebene System der integrierten Risikobeurteilung wird fortlaufend weiter evaluiert, um sicherzustellen, dass der gewählte Ansatz die amtlichen Kontrollen in der Primärproduktion weiter verbessert, die bestehenden Risiken zuverlässig identifiziert und die Effizienz von Kontrollen deutlich erhöht. 

Das Informationssystem Tiergesundheit 4.0 baut auf der gemeinsam mit kommunalen Partnern entwickelten Plattform „Integrierte Datenverarbeitung Verbraucherschutz (IDV)“ auf. Diese wurde entwickelt, um unterschiedliche Softwarelösungen in ein gemeinsames Anwendungskonzept zu übertragen. Automatisierte elektronische Datenübermittlung ersetzen bei Probenahmen inzwischen die Papierform. Darüber hinaus engagiert sich Nordrhein-Westfalen für die Einrichtung einer gemeinsam genutzten IT-Infrastruktur für den gesundheitlichen Verbraucherschutz auf Bundesebene, um den Datentransfer zwischen den Ländern und dem Bund effizienter zu gestalten.

Im Rahmen des „Mehrjährigen Nationalen Kontrollplans für die Jahre 2022-2026“ hat sich die Bundesregierung mit den Ländern auf elf strategische Ziele verständigt. Für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und die Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen ergeben sich daraus neue Entwicklungen: Dazu gehören die effizientere Gestaltung amtlicher Kontrollen durch interdisziplinäre Kontrollansätze zum Beispiel im Bereich des Lebensmittelbetrugs, die Minderung der Belastung von Lebensmitteln mit Erregern von Zoonosen und die Optimierung von Kontrollaktivitäten über einen One-Health-Ansatz.

Das NRW-Verbraucherschutzministerium ist auf die anstehenden Herausforderungen vorbereitet und wird gemeinsam mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz die zuständigen Ämter der Kreise und kreisfreien Städte bei der Bewältigung ihrer vielfältigen Aufgaben auch in Zukunft nach Kräften unterstützen. 

Ministerin Ursula Heinen-Esser
Quelle: Anke Jacob