Grenzüberschreitendes Pilotprojekt zum Nutriafang

22. Februar 2019: von Jessica Mach, M. Sc. Wasserwirtschaft und Friedel Wielers, Dipl.-Ing. Wasserwirtschaft, Kreis Borken (Unter Mitwirkung von Ellen Bulten, Pressereferentin Kreis Borken)

Das deutsch-niederländische Pilotprojekt „Grenzüberschreitender Nutriafang“ ist im Mai 2018 gestartet. Im Rahmen des dreijährigen Projekts bekämpfen niederländische Nutriafänger auf einem Abschnitt entlang der Grenze die invasive Tierart. Hintergrund ist, dass sich die Nutriapopulation stark ausgebreitet hat und für große Schäden insbesondere an den Deichen zum Hochwasserschutz entlang der Flüsse sorgt. In den Niederlanden ist der Nutriafang anders als in Deutschland eine gesetzliche Aufgabe der Waterschappen, die von hauptberuflichen Fängern übernommen wird. In Deutschland übernehmen dies ehrenamtlich Beschäftigte der Wasser- und Bodenverbände. Ziele des Projekts sind nun die Reduzierung der Nutriabestände und der Erfahrungsaustausch zwischen Ehren- und Hauptamt.


Der niederländische Bisam- und Nutriafänger Björn Wesselink (v. li.), Landrat Dr. Kai Zwicker und Dijkgraaf Hein Pieper zeigen einen großen Nutria.
Quelle: Waterschap Rijn en IJssel

Wasser macht an den Grenzen keinen Halt. Auch Nutrias, die ursprünglich aus Südamerika stammenden Nagetiere, scheren sich nicht um Landesgrenzen. Sie leben im und am Wasser und graben Höhlen in die Uferböschungen und Deiche – damit beschädigen sie diese oftmals. Kommt es zu einem Deichbruch, hat das immer auch Folgen für das Nachbarland. Aus diesem Grund ist beim Gewässerschutz eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit besonders wichtig. Eine weitere Kooperation mit den niederländischen Nachbarn konnte der Kreis Borken im Frühjahr 2018 beginnen: Gemeint ist das Deutsch-Niederländische Pilotprojekt „Grenzüberschreitender Nutriafang“, für das Anfang Mai der offizielle Startschuss gefallen ist. Im kult in Vreden haben alle beteiligten Projektpartner die Vereinbarung dazu unterzeichnet: auf niederländischer Seite die Waterschappen Rijn en IJssel und Rivierenland, wo das Bisam-Management (Muskusrattenbeheer) angesiedelt ist, sowie auf deutscher Seite neben dem Kreis Borken die Wasser- und Bodenverbände Ellewicker-Crosewicker Feld, Unteres Berkelgebiet und Unteres Aagebiet/Wittes Venn. Das Projekt läuft über den Zeitraum von drei Jahren.


Die Vereinbarung unterzeichneten beim Auftakttermin in Vreden (v. l): Ludger Kortbuß (Wasser- und Bodenverband Unteres Aagebiet / Wittes Venn), Heinrich Göring (Wasser- und Bodenverband Ellewicker-Crosewicker Feld), Landrat Dr. Kai Zwicker (Kreis Borken), Dijkgraaf Hein Pieper (Waterschap Rijn en IJssel), Heemraad Gerard Nieuwenhuis (Waterschap Rivierenland / Muskusrattenbeheer) und Andreas Helmer (Wasser- und Bodenverband Unteres Berkelgebiet).
Quelle: Kreis Borken

Im Rahmen des Projekts bekämpfen niederländische Nutriafänger die Tiere auf einem rund 20 Kilometer langen Abschnitt entlang der Grenze, vom Zwillbrocker Venn in Vreden bis nach Ahaus-Alstätte. Hintergrund ist, dass sich die Nutriapopulation im Kreis Borken und an der deutsch-niederländischen Grenze in den vergangenen Jahren stark vergrößert hat und für große Schäden an den Gewässern sorgt, insbesondere an den Hochwasserschutzdeichen entlang der Flüsse.

Die Nutria, auch Biberratte oder Sumpfbiber genannt, ist eine inzwischen in Mitteleuropa weit verbreitete invasive Nagetierart. Sie kann über zehn Jahre alt, bis zu neun Kilo schwer und 65 Zentimeter lang werden. Hinzu kommt eine Schwanzlänge von ungefähr 45 Zentimetern. Die Nutrias gefährden durch ihre Ausbreitung die biologische Vielfalt, andere Tier- und Pflanzenarten und damit auch die heimischen Ökosysteme. Als negative Auswirkungen gelten insbesondere Fraßschäden an der Unterwasser- und Ufervegetation sowie an landwirtschaftlichen Feldfrüchten. Zudem richten Nutrias große wasserbauliche Schäden an: Sie graben die Gänge ihrer Wohnhöhlen in Uferböschungen und durchbohren oder unterhöhlen so auch die Deiche. Die Folge: Uferböschungen können einstürzen oder abrutschen, im schlimmsten Falle werden Hochwasserschutzdeiche wasserdurchlässig oder komplett instabil. Die Tiere stellen somit eine Gefahr für die Gewässerunterhaltung und den Hochwasserschutz dar. Darüber hinaus gefährden Nutrias Großmuschel-, Röhricht- und Wasserpflanzenbestände und richten somit auch ökologische Schäden an.

Auch auf europäischer Ebene misst man der problematischen Ausbreitung der Nager große Bedeutung bei: Durch eine EU-Verordnung (Nr. 1143/2014) vom Herbst 2014 zählen Nutrias offiziell zu den invasiven Arten, für die Managementmaßnahmen erforderlich sind. Diese sehen eine Eindämmung der Weiterverbreitung der Art vor. Auch im Zusammenhang mit dieser Maßgabe ist das Pilotprojekt ein wichtiger Baustein für den Kreis Borken.

Für die Niederlande ist die Bekämpfung der Nutrias eine existenzielle Angelegenheit, da große Teile des Landes unter oder nur knapp über dem Meeresspiegel liegen und daher eine große Anzahl an Deichen vorhanden ist. Ein Problem stellen insbesondere die aus der deutschen Grenzregion in die Niederlande einwandernden Nutrias dar. Im Nachbarland ist der Nutriafang daher ganz anders organisiert als in Deutschland:  Es ist eine gesetzliche Aufgabe der Wasserverbände, also der Waterschappen. Diese beschäftigen landesweit insgesamt fast 450 hauptamtliche Bisam- und Nutriafänger, die eine einjährige Ausbildung absolviert haben. Diesseits der Grenze übernehmen dies ehrenamtlich Beschäftigte der Wasser- und Bodenverbände, die eine Sachkundeschulung des Kreises Borken besucht haben und eine Prämie von den Verbänden und vom Kreis für jeden Fang erhalten. Unterschiede gibt es auch bei der Fangmethode: In Deutschland werden Totschlagfallen eingesetzt, die niederländischen Fänger verwenden Lebendfallen, die mit einem Sender versehen sind, und töten die gefangenen Tiere anschließend. Ziel des Projekts ist neben der Reduzierung der Nutriabestände auch der Erfahrungsaustausch zwischen den niederländischen und deutschen Fängern.


Für solche Böschungsabbrüche können auch Bisam oder Nutria verantwortlich sein.
Quelle: Kreis Borken

Drei Jahre Vorlaufzeit lagen vor dem offiziellen Startschuss. Neben den beteiligten Partnern waren in die Vorbereitungen des Projekts auch Jagdeigentümer, Jagdpächter und -genossenschaften im Projektgebiet, die Kreisjägerschaft und die Biologische Station Zwillbrock eingebunden. Zudem galt es, die notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen, damit die niederländischen Fänger auf deutschem Grund arbeiten können. So kommen nun ausgebildete Jäger mit einem Ausländerjagdschein zum Einsatz, die zudem an der Sachkundeschulung des Kreises teilgenommen haben.
Bislang wurden in dem Projektgebiet von den niederländischen Fängern 68 Nutrias gefangen (Stand: Mitte Februar 2019). Die meisten Fallen waren dazu im Bereich der Ahauser Aa aufgestellt.  Die Fangzahlen sind dabei nicht so hoch wie ursprünglich erwartet. Eine Erklärung dafür liegt im langen, heißen Sommer des vergangenen Jahres. Aufgrund der extremen Trockenheit wanderten Nutrias von ihrem üblichen Lebensraum, den Fließgewässern, zu Stillgewässern wie kleinen Seen, Weihern oder Teichen in privaten Gärten. Die Fänger und Projektverantwortlichen gehen davon aus, dass bei „normaler“ Witterung im laufenden Jahr deutlich mehr Tiere gefangen werden können.

Das Pilotprojekt endet Anfang Mai 2021 mit der Möglichkeit, die Vereinbarung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zu verlängern. Jeweils nach einem Jahr wollen die beteiligten Partner eine Zwischenbilanz ziehen, um gegebenenfalls Anpassungen vornehmen zu können.

Jessica Mach
Quelle: Kreis Borken
Friedel Wielers