Kommunale Koordinierung bringt regionales und lokales Potenzial in Einklang

11. Oktober 2021: von Gabriele Paar, Leiterin des Regionalen Bildungsbüros, Rhein-Sieg-Kreis

Der Rhein-Sieg-Kreis kann sich zu Recht als „Überzeugungstäter“ in Sachen Übergangsmanagement Schule-Beruf bezeichnen, denn bereits bevor der Kreis zum Ende des Jahres 2012 mit der Kommunalen Koordinierung von KAoA begann, war der Bedarf für das Thema erkannt. Die Erkenntnis führte zum politisch im Einvernehmen getragenen Willen, die berufliche Orientierung junger Menschen frühzeitig, systematisch und nachhaltig zu fördern und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen strukturell zu optimieren.

Als einer der ersten Kreise in Nordrhein-Westfalen wurden durch die Politik und Verwaltung Maßnahmen ergriffen, um den Bedarf an flächendeckender und institutionsübergreifender Kooperation gestaltend mit zu formen. Es führte dazu, dass bereits mit der Einrichtung des Regionalen Bildungsbüros im Jahr 2008 zeitgleich der Themenschwerpunkt Übergangsmanagement Schule-Beruf als strategisches Handlungsfeld definiert wurde. Es wurden personelle und finanzielle Ressourcen eingebracht und Zielsetzungen formuliert. Diese Grundlage bildete damals wie heute ein starkes Fundament für die gesamte weitere Entwicklung des Übergangsmanagements – eine vielfältige Weiterentwicklung, die einen reichen Erfahrungsschatz birgt.

Erfolg wird REGIONAL konzipiert
Von Vornherein war klar, so ein Vorhaben kann nur groß gedacht und regional konzipiert werden. Ein stimmiges Gesamtkonzept, welches alle Schulformen, alle Berufssparten und alle relevanten Bildungspartnerinnen und -partner einbezieht, konnte nicht parallel durch die 19 kreisangehörigen Städte und Gemeinden des Rhein-Sieg-Kreises entwickelt werden. Und die geographische Lage des Kreises um die Bundesstadt Bonn als städtisches Oberzentrum herum – mit ihren vielfältigen Pendlerströmen und Verbindungen – machten die Notwendigkeit für eine übergreifende, enge Zusammenarbeit offenkundig. Der regionale Schulterschluss im gemeinsamen Bildungs- und Wirtschaftsraum Bonn/Rhein-Sieg wurde durch persönliches Engagement der verschiedenen Partnerinnen und Partner herbeigeführt. Die Unterzeichnung der verlässlichen Kooperationsvereinbarung zum „Aufbau eines Übergangsmanagements Schule-Beruf in der Region Bonn/Rhein-Sieg“ wurde in 2008 nicht allein durch die beiden Kommunen Rhein-Sieg-Kreis und Bundesstadt Bonn, sondern auch durch die Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg, die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, die Handwerkskammer zu Köln, die Kreishandwerkerschaft Bonn/Rhein-Sieg, die Jobcenter Bonn und Rhein-Sieg-Kreis sowie den Deutschen Gewerkschaftsbund unterzeichnet. Diese Unterzeichner, die sowohl den Bedarf, als auch ihren Beitrag für das Gelingen des Übergangsmanagements und den Mehrwert für ihre eigene Arbeit verstanden haben, verstehen sich seither als regionales „Verantwortungsbündnis“.


Übersicht Region Rhein-Sieg.
Quelle. Rhein-Sieg-Kreis

Weitere Vertreterinnen und Vertreter von Seiten der Schulen und Schulaufsicht, der Wirtschaft, die Hochschule Bonn/Rhein-Sieg, die Universität Bonn, die Regionalagentur Bonn/Rhein-Sieg, die Jugendberufshilfen und Kommunalen Integrationszentren wurden sukzessive in den Aufbau des Regionalen Übergangsmanagements sowie die Besetzung der Gremien und Arbeitskreise einbezogen. Die Expertisen, Bedarfseinschätzungen und Sichtweisen dieser Partnerinnen und Partner waren und sind wichtig, um das Gesamtbild zu verstehen und den Handlungsbedarf zu erfassen. Früh bestand Einvernehmen, mit den Schulformen zu starten, die zum Abschluss der Sekundarstufe I führen. Beginnend mit dem Kompetenzcheck (jetzt: Potenzialanalyse) über den regionalen Berufswahlpass, Entwicklungskonferenzen, Beratungs- und Förderangebote bis hin zur Begleitung im Übergang wurden Abläufe, Strukturen und Angebote aufeinander abgestimmt.

Als das landesweite Vorhaben KAoA schließlich im Dezember 2012 in der Region startete und unmittelbar nach den damaligen KAoA-Referenzkommunen in die Umsetzung von KAoA eintrat, waren wesentliche Strukturen der regionalen Zusammenarbeit für den Bereich der Sekundarstufe I bereits gefestigt. Der Ausbauschritt zu den Schulen mit Sekundarstufe II brachte alle Akteure dazu, sich noch tiefer und umfassender in die Thematik der Übergangsgestaltung einzubringen. Die Ziele umfassten weitere Zielgruppen, so dass sich neue Fragestellungen ergaben und weitere Kooperationspartnerinnen und -partner mit ihrer Expertise in das Netzwerk integriert wurden. Gerade in der Zusammenarbeit mit Hochschulen war es vor dem Hintergrund der weiten Einzugsbereiche sinnvoll, Abstimmungen auf regionaler Ebene zu treffen.

Unsere Erkenntnis: Ein gemeinsames Verständnis über Problemlagen und Bedarfe sowie die Festlegung von Zielen, Strategien und Vorhaben muss auf regionaler Ebene erfolgen. Es braucht alle Player, um Veränderungen verbindlich und sinnvoll aufeinander abzustimmen, die Ressourcen zu bündeln und einen so nennenswerten Vorteil zu kreieren, der zum Mitmachen einlädt.

Erfolg wird LOKAL gestaltet
In der kreisweiten Umsetzung werden die Ziele und Angebote jedoch immer wieder auf die jeweilige Situation vor Ort hinunter gebrochen. Die 19 kreisangehörigen Städten und Gemeinden sind in vielfältiger Hinsicht sehr heterogen. Die Rahmenbedingungen – Infrastruktur, Unternehmensangebot, Verkehrssituation, gesellschaftliche Herausforderungen, Schul- oder Trägerlandschaft u.v.m. – sind teilweise nicht miteinander vergleichbar. Beispielsweise können für Schülerinnen und Schüler aus dem ländlichen Gebiet, in dem kein Bildungsträger mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist, nahezu keine trägergestützten Praxisphasen realisiert werden. Hier ist der unmittelbare Kontakt zu Unternehmen, die auch schwächeren Schülerinnen und Schülern offen gegenüberstehen, umso wichtiger.
Zur Realisierung von bedarfsgerechten Angeboten vor Ort gilt es, die jeweiligen Verantwortlichen in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden vor Ort zu gewinnen: in erster Linie die Wirtschaftsförderungen, die Schulträger, die Jugendämter, die kommunalen Bildungsnetzwerke, relevante Branchenvertreter, Gewerbevereine, Elternvertreter u.v.m. Sie sind nicht nur beste Multiplikatoren, sondern auch starke Partnerinnen und Partner, die die Situation vor Ort, Infrastruktur, Netzwerke, Kommunikationswege, Bedarfe und Problemstellungen kennen und dazu beitragen, dass die zu entwickelnden Angebote wirklich „passen“. Oftmals stehen für lokale Aktionen kaum Finanzen zur Verfügung. Umso wichtiger ist es, Synergieeffekte zu erkennen, geeignete regionale Projekte wirksam einzubeziehen und für die Beteiligten eine Win-Win-Situation zu erzeugen. Die Kommunale Koordinierung kennt die regionalen Angebote, Rahmenbedingungen, Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner und kann in den Planungen vor Ort ziel- und zielgruppenspezifisch unterstützen und vermitteln.
Beispielsweise werden Unternehmerfrühstücke in den kreisangehörigen Kommunen genutzt, um diverse Projekte zur Fachkräftesicherung vorzustellen und für KAoA-Aktivitäten und Projekte zu werben. Häufig gelingt der Zugang zu Unternehmen durch die Wirtschaftsförderungen der kreisangehörigen Kommunen, die ihre Wirtschaftslandschaft bestens kennen. Mit ihnen werden auch Veranstaltungen geplant und gestaltet, wie z.B. Runde Tische Schule-Wirtschaft oder kleinere Ausbildungsmessen. Schulen bzw. Schülerinnen und Schüler und Unternehmen kommen vor Ort in direkten Kontakt, wovon alle profitieren und woran wiederum die Kommunen hohes Interesse haben, um den Fachkräftenachwuchs vor Ort zu stärken. Flankiert werden die Veranstaltungen durch Beratungsangebote der Agentur für Arbeit oder der Kammern. Projekte der Zusammenarbeit von Schulen mit der jeweiligen Jugendberufshilfe werden durch die Kommunale Koordinierung angestoßen und gefördert. 

Unsere Erkenntnis: Bei den lokalen Aktionen ist es besonders relevant und erfolgversprechend, die vorhandenen Ressourcen vor Ort zu nutzen und genau diese Institutionen und Personen einzubeziehen, die sich sehr spezifisch, authentisch und nachhaltig einbringen können. Aus solchen Aktivitäten erwachsen meist langfristige Kooperationsbündnisse – in erster Linie zwischen Schulen und Unternehmen, aber auch darüber hinaus mit den anderen regionalen Partnern.

Das Potential des lokalen Netzwerkes einbinden.
Quelle: Rhein-Sieg-Kreis

Erfolg nimmt den Bedarf ernst
Insgesamt hat die Erfahrung gezeigt, dass eine Kommunale Koordinierung von KAoA nicht heißt, das Gießkannenprinzip zu verwenden. So notwendig, gut und sinnvoll die landesweiten Strukturen und Angebote sind, sie sind auf ein regionales Gesamtkonzept herunter zu brechen und dann konkret und bedarfsgerecht vor Ort in die Tat umzusetzen. Die Kommunale Koordinierung ist darauf angewiesen und darauf aus, den tatsächlichen Bedarf vor Ort zu kennen und zu verstehen und Entwicklungs- und Transferprozess zu moderieren. Stakeholder und Multiplikatoren müssen eingebunden und mit miteinander verknüpft werden, damit der Bedarf grundlegend angegangen wird. Die Angebote im Rahmen von KAoA erwachsen von einer Aneinanderreihung von Pflichterfüllung zu einem stimmigen Konzept, wenn regionale und lokale Aktivitäten bedarfsgerecht verzahnt werden.

Gabriele Paar
Quelle: Rhein-Sieg-Kreis