Mit digitaler Unterstützung zum nachhaltigen Bauen

14. Januar 2022: Von Matthias Gundler, Betriebsleiter des LWL-Bau- und Liegenschaftsbetriebes

Der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) mit Sitz in Münster betreibt als Kommunalverband in Westfalen-Lippe 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser und 18 Museen, verteilt auf rund 200 Standorte. Insgesamt bewirtschaftet der LWL über 1,7 Mio. Quadratmeter Fläche. Aktuell gehören weit über 1.400 Gebäude zum Bestand des Kommunalverbandes. Fast die Hälfte davon sind vor 1970 und lediglich jedes zehnte Bauwerk ist nach dem Jahr 2000 gebaut worden. Jedes fünfte Bestandsgebäude steht unter Denkmalschutz.

Seit Beginn der systematischen Verbrauchsdatenerfassung und Energiebilanzierung im Jahr 1978 sammelt der LWL Daten zu seinen Gebäuden und nimmt seitdem eine Vorreiterrolle in Westfalen-Lippe hinsichtlich der Treibhausgas-Reduzierung und dem nachhaltigen Bauen ein. Mit dem Energiepolitischen Konzept 2008 legte der heutige LWL-Direktor Matthias Löb mit seiner Verwaltung den Grundstein für die digitale Erfassung der Verbrauchsdaten. Mit dem ersten Energiebericht (2010) führte der LWL dafür das Energiedatenmanagement (LWL-EDM) ein. Außerdem setzte er darin durch eine Leitlinie zum nachhaltigen Bauen neue bauliche Maßstäbe um: Neben schadstoffarmen Baumaterialien wurde auch eine Unterschreitung der gesetzlichen Standards zu effizienteren Gebäuden festgelegt.
Der LWL verfolgt die Zielsetzung, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden. Die neue „LWL-Gebäudeleitlinie 2030“ wird das ressourcenschonende und nachhaltige Bauen sowie das Betreiben von Liegenschaften ganzheitlich fördern. Neubauten sowie der Bestand werden dabei möglichst vollständig und kosteneffizient mit erneuerbaren Energien versorgt bzw. nachgerüstet werden und auf das LWL-EDM aufgeschaltet.

Energiedatenmanagement als Basis
Das LWL-EDM bildet die Basis für eine Vielzahl von nachhaltigen Projekten zur Minimierung der Energiekosten sowie von Treibhausgasemissionen. Anfangs wurden vor allem die großen Verbraucher analysiert. Bis zum heutigen Tag konnten über 800 Gebäude, über 120 technische Zentralen sowie zahlreiche Eigenstromerzeugungsanlagen (u.a. Blockheizkraftwerk- und Photovoltaik-Anlagen) der Liegenschaften aufgeschaltet werden.
Neben den Gesamtverbräuchen der Gebäude können so auch über Untermessungen die Verbräuche größerer technischer Anlagen erfasst werden. Mittlerweile sind rund 4.800 reale Smart-Meter und Einzelsensoren verbaut. Ferner werden etwa 1.500 virtuelle Messpunkte berechnet, so dass dem LWL-Bau- und Liegenschaftsbetrieb (LWL-BLB) insgesamt ca. 18.000 Messspuren zur Auswertung der Daten zur Verfügung stehen.

Durch die systematische und zeitnahe Verbrauchsdatenerfassung kann der LWL seine Strom-, Wärme- und Wasserverbräuche und die daraus resultierenden Kosten transparent darstellen und analysieren. Die Erkenntnisse aus diesem Energie- und Verbrauchscontrolling und die darauf aufbauenden betrieblichen, teilweise ohne hohen finanziellen oder organisatorischen Aufwand durchführbaren Maßnahmen führen dazu, dass der Verbrauch der Gebäude im Rahmen des Betriebs erheblich gesenkt wird.

Ferner können auf Basis der Leistungsdaten die Fernwärmelieferverträge belegbar auf die tatsächlich notwendigen Anschlussleistungen angepasst werden. Bei der Erneuerung von Kesselanlagen können diese so verbrauchsorientiert und somit optimiert dimensioniert und nachhaltig umgesetzt werden. Technisch gesehen lesen dezentrale M-Bus oder IP-Datenlogger zyklisch die Daten der Smart-Meter und Einzelsensoren aus und speichern diese zur Auswertung ab. Im Normalfall werden die Messwerte stündlich zum zentralen FTP-Server der Rechenzentren des LWL gesandt. Eine Web-basierte Software importiert die Rohdaten vom FTP-Server in eine hierfür geschaffene Datenbank und ordnet diese Messwerte den jeweiligen Liegenschaften, Gebäude und Messungen zu.

Für die Nutzer:innen in den Liegenschaften erfolgt die Einwahl im LWL-Intranet über einen Webbrowser zur zentralen LWL-EDM-Software. Über entsprechende Rechte kann der Nutzer nur seine Liegenschaften einsehen, während der LWL-BLB hingegen alle Liegenschaften auswerten kann.


Beispiele für die graphische Darstellung des Energiedatenmanagements.
Quelle: LWL

Beispiele für die graphische Darstellung des Energiedatenmanagements. Foto: LWL
Die gebäudescharfen Daten aus dem LWL-EDM schaffen die Voraussetzungen für die Erstellung der verbrauchsabhängigen Energieausweise, und noch wichtiger, die Grundlage für ein nachhaltiges Modernisieren im Bestand sowie zur Evaluierung von Energieeinsparmaßnahmen der Gebäude. Zusätzlich können die gemäß Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) notwendigen Energieaudits kostengünstiger und aussagekräftiger erstellt werden.

Aktuell wird das LWL-EDM um ein Funkerfassungssystem (Internet off Things, IoT, LoRa-WAN-Standard) erweitert, um auch im Bereich der Gebäudenutzung weitere Informationen zu erhalten. Hierfür kommen LoRa-Sensoren zum Einsatz, die Gebäudedaten sammeln und verschlüsselt per Funk an Gateways senden. Die LoRa-Gateways empfangen die Daten der verschiedenen Endgeräte und stellen diese dem Netzwerkserver zur Verfügung. Fast beliebig viele Funksensoren können so an ein Gateway angebunden werden und Daten z.B. zu den CO2-gesteuerten Lüftungsanlagen übertragen.

Durch das LWL-EDM werden fehlerbehafte oder fehlerhaft eingestellte Anlagen aufgezeigt und das Nutzerverhalten mit dem Energieverbrauch transparent dargestellt. Probleme wie etwa Undichtigkeiten im Trinkwassernetz können schneller erkannt und Folgeschäden hierdurch vermieden werden.

BildDeutlich reduzierter CO2-Ausstoß
Für eine weitergehende Betrachtung und vergleichende Bewertung des Energieverbrauchs werden aus den Daten des LWL-EDM spezifische Kennwerte gebildet. Die Erkenntnisse haben dazu beigetragen, das der LWL durch seine nachhaltige Modernisierungsstrategie den CO2-Ausstoß zwischen 1990 und 2020 um fast 53 Prozent reduzieren konnte. Dabei wurden die Einsparerfolge im Gebäudebereich mit zielgerichteten, aber teilweise auch erheblichen finanziellen Aufwendungen im Bereich der zentralen regenerativen Anlagentechnik erzielt.
Diese Vorgehensweise hilft heute dem LWL dabei, über gesetzliche Standards des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) hinausgehende Maßnahmen einfacher umsetzen zu können, da der energetische Standard eines Effizienzgebäudes nur durch bauliche, aber insbesondere anlagentechnische Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz sowie der Einbindung erneuerbarer Energien erreicht werden kann.
Basis für die Bewertung der zukünftigen Einsparpotentiale der energetischen Sanierung im Gebäudebereich sind die witterungsbereinigten Energieverbräuche. Auf der Grundlage des LWL-EDM und der resultierenden Maßnahmen können somit heute schon Einschätzungen dazu getroffen werden, welche zukünftigen Emissionen vermeidbar sind. Durch die Fortführung des nachhaltigen Bauens und einer zukünftigen Sanierungsquote von 3 % der Gebäude könnte durch eine ambitionierte, aber realistische Zielsetzungen der witterungsbereinigte Endenergieverbrauch beim LWL um weitere 11 % sinken.
Ein konsequenter Energieträgerwechsel in Richtung Geothermie bzw. alternativer synthetischer Gase in den technischen Zentralen wird künftig zur Reduktion der THG-Emissionen um weitere bis zu 25 % beitragen können. Zur bilanziellen Kompensation von nicht vermeidbaren THG-Emissionen wird der LWL seine Liegenschaften zusätzlich mit Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung ausstatten und als kleiner Energieversorger tätig werden. Auch hierfür sowie für die Auswertung der THG-Emissionen im Rahmen der Fortführung des integrierten Klimaschutzkonzeptes wird das LWL-EDM eine zentrale Rolle spielen.

Neue Gebäudeleitlinie soll „ökologischen Rucksack“ von Gebäuden minimieren
Ziel der aktuellen LWL-Gebäudeleitlinie ist es darüber hinaus, den „ökologischen Rucksack“ eines zu errichtenden Gebäudes durch eine materialeffiziente, nachhaltige Baustoffauswahl sowie eine langlebige ressourcenschonende Konstruktion und Anlagentechnik zu minimieren. Das Ziel der Klimaneutralität fordert von den LWL-Mitarbeitenden, aber auch den externen Planungsbüros einen Umgang mit erweiterten fachlichen Anforderungen sowie Kenntnisse zum Einsatz alternativer nachhaltiger Baustoffe.
Maßgebliche Instrumente für die Umsetzung der „LWL-Gebäudeleitlinie 2030“ sind daher neben dem LWL-EDM Lebenszyklusbetrachtungen sowie technische Nachhaltigkeitsstandards, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen und auch konkrete Vorgaben zu Baumaterialien, Dämmdichte, Nachhaltigkeit sowie Kennwerte für technische Anlagen enthalten. Kriterien wie A/V-Verhältnis, Kubatur und Gebäudetypus beeinflussen die Nachhaltigkeit eines Gebäudes zusätzlich stark. Außerdem werden Gewerke-übergreifende Themen wie sommerlicher Wärmeschutz und Lüftungskonzepte berücksichtigt und analysiert werden.
Es lässt sich also festhalten, dass der LWL sich seit über 40 Jahren damit befasst, wie er den gebäudebezogenen Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen reduzieren kann. Das digitale Energiedatenmanagement liefert wichtige Erkenntnisquellen, wo zusätzliche Einsparpotentiale gehoben werden können. Innovationen in der Bauwirtschaft, die Förderkulissen für energetische Sanierungen und Ersatzneubauten, der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien sowie die Offenheit für neue Planungsmethoden sind weitere Erfolgsfaktoren auf dem Weg zur Klimaneutralität.


Matthias Gundler
Quelle: LWL