Perspektiven eröffnen, Weichen stellen, Hilfestellung geben: Viele Jugendliche – ob mit oder ohne Handicap – brauchen Unterstützung, wenn es um ihre Berufliche Orientierung geht. Ihnen allen den Start ins Arbeitsleben zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, ist das gemeinsame Ziel der Kommunalen Koordinierungsstellen und der Koordinierungsstellen KAoA-STAR der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR). Sie stehen bereits seit 2012 in engem Dialog miteinander und haben gemeinsam verschiedene erfolgreiche Formate entwickelt.
I. Was ist KAoA-STAR?
Im Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) zur Förderung des Übergangs von der Schule in den Beruf gibt es einen inklusiven Baustein: STAR – Schule trifft Arbeitswelt. Für Jugendliche mit Behinderung ist der Einstieg in die Erwerbstätigkeit mit besonderen Hürden verbunden und oft eine große Herausforderung. Das Programm erfolgt im Einklang mit den Zielen des Aktionsplans „nrw.inklusiv“ zur Umsetzung des Gesetzes zu dem „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ und wurde bereits im Jahr 2009 auf den Weg gebracht - zunächst als Projekt für Jugendliche mit anerkannter Schwerbehinderung oder sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf. STAR ergänzt das KAoA-Angebot um behinderungsspezifische Aspekte der Beruflichen Orientierung und bietet sowohl an Förderschulen sowie im Gemeinsamen Lernen individuelle Unterstützung. Das Ziel ist stets eine verbesserte Chancengleichheit im Übergang zum Berufsleben und mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Die KAoA-Elemente Potenzialanalyse, Berufsfelderkundung und Praktika werden bei KAoA-STAR ergänzt durch spezielle dem Förderbedarf angepasste und individualisierte Angebote, zum Beispiel in den Bereichen Kommunikation oder Sozialverhalten. Außerdem werden in regelmäßigen Berufswegekonferenzen Eltern, Lehrerinnen, Lehrer, Rehaberaterinnen und Rehaberater sowie die Agentur für Arbeit in den Prozess integriert.
Während für die regionale Umsetzung von KAoA die Kommunalen Koordinierungsstellen bei den Städten und Kommunen zuständig sind, ist das behinderungsspezifische Angebot bei den Koordinierungsstellen KAoA-STAR des LWL und LVR angesiedelt. Diese steuern die Arbeit der regionalen Integrationsfachdienste (IFD), die KAoA-STAR vor Ort umsetzen. Insgesamt existieren NRW-weit 37 IFD-Regionen. Sie spielen während des gesamten Berufsorientierungsprozesses eine wichtige Rolle, denn sie behalten den „roten Faden“ im Blick. Dafür stehen die Integrationsfachkräfte in engem Kontakt zu den Jugendlichen und arbeiten mit allen Prozessbeteiligten zusammen, etwa den Schulen, der Agentur für Arbeit, örtlichen Unternehmen sowie Handels- und Handwerkskammern.
II. Konstruktiver Austausch
Die Koordinierungsstellen KAoA-STAR von LWL und LVR haben in Zusammenarbeit mit den Kommunalen Koordinierungsstellen verschiedene Austauschformate entwickelt, um ein verlässliches, standardisiertes System der Beruflichen Orientierung zu schaffen und dessen Qualität zu sichern. Dafür bringen sie alle am Prozess beteiligten Akteurinnen und Akteure zusammen – in unterschiedlichen Zusammensetzungen, mit unterschiedlichen Aufgaben und auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen. „Intensive Netzwerkarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg von KAoA-STAR. Die Konstanz von effektiven Formaten sowie die ständige Entwicklung neuer Angebote hat die Qualität von KAoA-STAR in den letzten Jahren enorm gesteigert und die Ergebnisse verbessert. Wir freuen uns, dass alle in den Prozess involvierten Personen und Institutionen dabei an einem Strang ziehen – zum Wohle der Jugendlichen, die dadurch eine Perspektive für ihr Berufsleben erhalten“, betont Prof. Dr. Angela Faber, LVR-Dezernentin Schulen, Inklusionsamt, Soziale Entschädigung.
a. Regionale Netzwerktreffen/ Runde Tische
Mindestens einmal pro Jahr kommen bei Regionalen Netzwerktreffen (LWL) bzw. Runden Tischen (LVR) die wichtigsten Akteurinnen und Akteure zusammen, die beteiligten Schulen, die Koordinierungsstellen KAoA-STAR, die Kommunalen Koordinierungsstellen, die Agentur für Arbeit sowie die Industrie- und Handwerkskammern. Bei diesen Treffen mit rund 20 bis 30 Personen werden alle wichtigen Informationen über die aktuellen Entwicklungen im Rahmen von KAoA-STAR kommuniziert. Die Anwesenden tauschen sich aus und erhalten neuen fachlichen Input.
b. Austauschtreffen mit den Kommunalen Koordinierungsstellen und den regionalen Schulaufsichtsbehörden der Schulämter
Im kleineren Kreis von fünf bis acht Personen treffen sich etwa zweimal jährlich Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalen Koordinierungsstellen KAoA und der Schulaufsicht zusammen mit den Koordinierungsstellen KAoA-STAR. Im Fokus steht in erster Linie die Synchronisierung verschiedener Prozesse der Angebote KAoA und KAoA-STAR auf regionaler Arbeitsebene. Auch die jährlich stattfindenden Abstimmungen zu den Elterninformationsveranstaltungen KAoA-STAR an allgemeinbildenden Schulen sind hier Thema.
c. Elterninformationsveranstaltungen KAoA-STAR an allgemeinbildenden Schulen
Eltern werden so früh wie möglich in den Berufsorientierungsprozess mit einbezogen. Die Veranstaltungen finden zentral in den Regionen statt, in der Regel im zweiten Halbjahr der Jahrgangsstufe 7 (an Förderschulen teils zu Beginn der Jahrgangsstufe 8). Organisiert werden diese Treffen von den Koordinierungsstellen KAoA-STAR, der Schulaufsicht, der Kommunalen Koordinierungsstelle und dem IFD. Gemeinsam stellen sie die Angebote von KAoA und KAoA-STAR vor, teils unterstützt von Beraterinnen und Berater für berufliche Rehabilitation und Teilhabe der Bundesagentur für Arbeit.
III. Aus der Praxis
Um den Nutzen dieser regen Netzwerktätigkeit zu veranschaulichen, hier vier Beispiele aus der Praxis in Westfalen-Lippe und im Rheinland:
1. Regionales Netzwerktreffen in Hagen
Schule trifft Arbeitswelt – wo ginge das besser als dort, wo Unternehmerinnen und Unternehmer ein und aus gehen? Die Netzwerkpartnerinnen und -partner aus Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis trafen sich bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK). „Der Kontakt zu Unternehmen in den Regionen ist enorm wichtig für KAoA-STAR. Wir bauen Berührungsängste ab und vermitteln Wissen über Jugendliche mit Handicap und ihre Einsatzmöglichkeiten im Betrieb. Im Gegenzug erfahren wir viel über die unternehmerische Perspektive“, führt Christian Münch, Inklusionsberater bei der SIHK, aus.
Einen halben Tag tauschten sich die Netzwerkpartnerinnen und -partner in Hagen aus, erörterten Probleme und entwickelten Lösungen. „Wir agieren dabei als eine Art Dolmetscher zwischen der schulischen und der unternehmerischen Seite und bringen Angebot und Nachfrage zusammen“, so Münch weiter. „Viele Unternehmen sind auf der Suche nach passenden Mitarbeitenden und bereit, Jugendliche mit Behinderung einzustellen. Aber die Unsicherheiten, wie sich das bewerkstelligen lässt und welche Hilfen es gibt, sind groß. Wir freuen uns, wenn wir etwaige Bedenken ausräumen können und die Unternehmen tatsächlich Praktikums- bzw. Ausbildungsplätze anbieten.“
Regionales Netzwerktreffen in Hagen (v.l.n.r.: Carsten Roman (LWL Inklusionsamt Arbeit), Fridtjof Morgenroth (IFD Hagen/Ennepe-Ruhr), Janine Schapdick (LWL Inklusionsamt Arbeit). Christian Münch (SIHK), Iris Simmler (agentur mark GmbH))
Quelle: Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK)
2. Fachtag „Inklusive Berufliche Orientierung“ in Münster
Teilnehmende bzw. Organisatorinnen und Organisatoren des gut besuchten Fachtags waren die Koordinierungsstelle KAoA-STAR des LWL, der IFD Münster, die Schulaufsicht, die Kommunale Koordinierungsstelle, die Inklusionsfachberatung, das Jobcenter Münster, das Amt für Kinder, Jugendliche und Familie der Stadt Münster, die Agentur für Arbeit, die Kammern, die Hochschule und Fachhochschule, Lehrkräfte verschiedener Förder- und Regelschulen und weitere Akteurinnen und Akteure im Übergang Schule-Beruf. Zunächst präsentierten alle beteiligten Institutionen ihre Angebote und berichteten über ihre Arbeitsansätze, Problemstellungen und Lösungen. In anschließenden parallelen Workshops wurden vertiefende Fragen rund um die Frage „Wie kann eine inklusive Berufliche Orientierung erfolgen?“ behandelt und diskutiert.
Fazit: Die Veranstaltung hat ein noch besseres Bewusstsein für die Notwendigkeit der intensiven Netzwerkarbeit bei den Teilnehmenden geschaffen. Als konkreten Schritt haben sie u. a. die Gründung eines eigenen Arbeitskreises zum Austausch über die Übergänge der Schülerinnen und Schüler eingeleitet.
3. Online-Infoabend für Eltern und Erziehungsberechtigte in Köln
Eine abendliche Informationsveranstaltung für Kölner Eltern mit Kindern im Gemeinsamen Lernen im März wurde pandemiebedingt kurzfristig von der Aula ins Netz verlegt. Schon in der Vorbereitung der Online-Veranstaltung bewiesen die Kommunale Koordinierungsstelle, das Schulamt, die Koordinierungsstelle KAoA-STAR und der IFD Köln, dass sie auch unter diesen ungewohnten Bedingungen konstruktiv zusammenarbeiten können. Ergebnis war eine rundum gelungene, zweistündige Veranstaltung mit knapp 80 Teilnehmenden – deutlich mehr als bei den bisherigen Präsenzveranstaltungen dieser Art. Dies beweist, dass Online-Angebote insbesondere für Berufstätige und Familien mit zu betreuenden Kindern eine praktikable Alternative zu Präsenzveranstaltungen sind. Insgesamt war das bis dahin für alle noch unbekannte Format ein voller Erfolg und soll – unabhängig von der Pandemie – weitergeführt werden.
4. Berufsberatung am Küchentisch
Um die durch die Corona-Pandemie ausgefallenen Präsenz- und Beratungsangebote in der Berufsorientierung zu kompensieren, hat die Kommunale Koordinierungsstelle in Köln im September erstmals eine Online-Veranstaltung mit dem Titel „Was willst du denn mal werden? Berufsberatung am Küchentisch“ geplant und dabei von Anfang an die Koordinierungsstelle KAoA-STAR mit einbezogen. Los ging’s mit Expertinnen und Experten in eigener Sache: Fünf Auszubildende bzw. Studierende mit Behinderung berichteten den über 200 Teilnehmenden von ihrem Weg ins Arbeitsleben und von Menschen, die sie dabei maßgeblich unterstützt haben. Nach diesen inspirierenden Geschichten gab es im halbstündlichen Rhythmus Input zu verschiedenen Themen rund um mögliche Anschlusswege, etwa zu dualer Ausbildung, Studium, Berufskolleg oder Bundesfreiwilligendienst. Teilgenommen haben Jugendliche mit Behinderung und Lehrkräfte sowie weitere Personen, die rund um den Übergang von der Schule in den Beruf aktiv sind.
IV. Ausblick
„Immer wieder bestätigen die diversen Austauschformate, wie wichtig im Rahmen von KAoA-STAR die Netzwerkarbeit ist, insbesondere die Zusammenarbeit der Kommunalen Koordinierungsstellen und der Koordinierungsstellen KAoA-STAR“, so LWL-Sozialdezernent Matthias Münning. „Und zwar nicht in einer starren Struktur, sondern als sich stets weiterentwickelndes, flexibles und dynamisches Gefüge. So entstanden beispielsweise im Zuge der Corona-Pandemie neue Formen der Kommunikation als Online-Veranstaltung, die persönliche Treffen sicher nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen können. Institutionen bzw. Akteurinnen und Akteure treffen aufeinander, tauschen sich konstruktiv aus, benennen Probleme und finden gemeinsam Lösungen. Ein Weg, den wir unbedingt weiterverfolgen werden.“
Prof. Dr. Angela Faber Quelle: LVWL |
Matthias Münnung |