Neue Chancen und Wege im Kulturzentrum des Kreises Borken

07. März 2019: Von Renate Volks-Kuhlmann, Kreisarchivarin des Kreises Borken

Das Kreisarchiv Borken ist im Frühjahr 2018 in das neue Kulturzentrum „kult Westmünsterland“ des Kreises Borken am Kirchplatz in Vreden eingezogen. Dort - in der Stadt an der Grenze zu den Niederlanden - ist ein Haus mit modernster Architektur entstanden, das sich mehr und mehr zu einem Knotenpunkt für den kulturellen Austausch und die rechtssichere Bewahrung des kulturellen Erbes entwickelt. Mit dem Umzug des Kreisarchivs ist nämlich nicht nur eine neue Adresse verbunden, sondern auch die Bündelung der verschiedenen kulturellen Einrichtungen. Dies bietet neue Chancen und Möglichkeiten für die Erforschung und lebendige Vermittlung von Geschichte und Kultur.


Außenfassade des kult am Kirchplatz in Vreden mit Haupteingang
Quelle: Kreis Borken

 Im „kult Westmünsterland“ haben nunmehr das Kreismuseum, die Historisch-Landeskundliche Bibliothek, die Kulturverwaltung sowie die historischen Archive von Kreis Borken und Stadt Vreden eine fachgerechte und zukunftsweisende Bleibe gefunden. Der interdisziplinäre Ansatz zwischen Ausstellung, Dokumentation, Forschung und Vermittlung ermöglicht dem kult und seinen Nutzern eine weitgefächerte Annäherung an die Geschichte und Landeskunde der Region. Dabei verstehen sich die Archive im kult als zentrale Anlaufstelle für alle, die Interesse an der Geschichte des westlichen Münsterlandes haben und diese anhand von Originalquellen vertiefend erforschen möchten. Die Historisch-Landeskundliche Bibliothek leistet Hilfestellung und gibt Hintergrundinformationen für die Forschenden. Darüber hinaus können Besucherinnen und Besucher weitergehende Auskünfte zu den in der Dauerausstellung gezeigten Objekten erhalten. Mit zielgruppengerechten Angeboten möchte das kult die Kultur- und Bildungslandschaft des Kreises Borken bereichern.

Verwaltungs- oder Zwischenarchiv
Schon bald nach der kommunalen Neugliederung hat der Kreis Borken - wie viele andere Kreise in Nordrhein-Westfalen auch – mit der Einstellung eines hauptamtlichen Archivars im Jahr 1978 ein eigenes Kreisarchiv geschaffen. Hauptaufgabe war es zunächst, die Verwaltungsregistraturen der Vorgängerkreise Ahaus und Borken zu sichern, zu bewerten und zu erschließen. So wurde das Kreisarchiv vor allem als Dienstleister für die Kreisverwaltung genutzt. Daraus resultierte auch die Errichtung eines umfangreichen Verwaltungs- bzw. Zwischenarchiv im Zuge des Kreishaus-Neubaus 1984 in Borken. Auf einer Magazinfläche von 760 qm wird seither im Zwischenarchiv das nicht mehr laufend von der Verwaltung benötigt Schriftgut aufbewahrt. Im Zwischenarchiv werden die Akten in einer Aktendatenbank erfasst, die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen überwacht und auf Anforderung innerhalb eines Werktages innerhalb der Kreisverwaltung zugesandt. Diese Dienstleistung für die Verwaltung wird auch nach dem Umzug des historischen Kreisarchivs ins kult weiterhin vom Verwaltungsarchiv im Kreishaus Borken erbracht. Die zunehmende Digitalisierung und Einführung von E-Goverment in verschiedenen Fachverfahren führt allerdings schon jetzt zu einer Reduzierung der Aktenausleihen. Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass gerade im Vorfeld der Einführung von elektronischer Aktenführung eine verstärkte Abgabe von Altakten an das Verwaltungsarchiv erfolgt, um das elektronische Langzeitarchiv von bereits abgeschlossenen Vorgängen zu entlasten. Eine Reduzierung des Magazinbedarfs ist wohl erst nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für das analoge Schriftgut zu erwarten. 

Kreisarchiv im kult
Die im Archivgesetz NRW vom 16. März 2010 festgelegten Aufgaben „Unterlagen zu erfassen, zu bewerten, zu übernehmen und das übernommene Archivgut sachgemäß zu verwahren, zu ergänzen, zu sichern, zu erhalten, instand zu setzen, zu erschießen, zu erforschen, für die Nutzung bereitzustellen sowie zu veröffentlichen“ werden durch ein kleines Team (Dipl.-Archivarin, Fachangestellte für Medien- und Information sowie ein Verwaltungsmitarbeiter) im Zwischenarchiv wahrgenommen.
Das Kreisarchiv Borken ist für die Übernahme, Erfassung, Ordnung, Verzeichnung und Erschließung von Urkunden, Akten, Amtsbüchern, Karten, Plänen und anderen - inzwischen auch elektronischen - Schriftstücken zuständig. Die Besucherinnen und Besucher können das Archivgut unter Beachtung von Datenschutz und Urheberrechten einsehen und erforschen. Die Ergebnisse eigener Forschungen fließen in die Arbeit der anderen kult-Bereiche wie Museum und Institut ein und werden in Ausstellungen, Vorträgen oder Veröffentlichungen präsentiert. So beteiligen sich die Archive mit regionalen Quellen und Hintergrundinformationen an dem Jahresmotto des kult für das Jahr 2019 „Aufbruch und 1920er Jahre“. Schon in der Konzeptphase für die geplante Sonderausstellung zum Zeitgeschehen der 1920er Jahre im Westmünsterland wird der Mehrwert der spartenübergreifenden Zusammenarbeit deutlich: Welche Quellen, welche Exponate, welche Forschungsfragen können innerhalb des Kultteams aufgeworfen, diskutiert und beantwortet werden.
In dem von den Münchener Architekten Isabelle Leber und Martin Pool entworfenen kult-Gebäude am Vredener Kirchplatz stehen auch Ausstellungs- und Veranstaltungsräume zur Verfügung. Besonders im Blickpunkt steht dabei das Foyer. Es dient als Verteiler zur Dauerausstellung zum Thema „Grenze“, die im ersten und zweiten Obergeschoss präsentiert wird. Im Untergeschoss befinden sich die Garderobe mit Schließfächern und die Toiletten. Im Erdgeschoss wird der Besucher entlang der linearen Zentrumsachse vorbei am Sonderausstellungsraum und am Seminarraum in das Archiv und die Bibliothek geführt. An der Empfangstheke können sich die Archivbesucherinnen und Archivbesucher beraten lassen und informieren.


Lesesaal mit Archivbesucherinnen und Archivbesuchern
Quelle: Kreis Borken

In dem großzügigen Lesesaal stehen 12 Arbeitsplätze bereit, wobei jeweils ein Arbeitsplatz mit einem Mikrofilmlesegerät, einem Auskunfts-PC sowie einem höhenverstellbaren Schreibtisch ausgestattet ist. An dem Lesesaal schließen sich unmittelbar die Historisch-Landeskundliche Bibliothek sowie die Arbeitsräume der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Die Arbeitsräume sind durch eine Glasscheibe vom Lesesaal getrennt, so dass eine Aufsicht möglich ist. Im Obergeschoss dieses Bauabschnittes befinden sich Magazinräume, die die archivtechnischen Anforderungen von möglichst gleichbleibender Temperatur (16-18 Grad) und Luftfeuchte (45%-55 %) gewährleisten.
Der Wunsch nach optimaler Lagerung für die Fotos, Filme, Negative, Dias, Videokassetten und anderen audiovisuellen Medien konnte zudem durch die Errichtung einer Klimakammer oder Kühlkammer (8 Grad und 30%-40% Luftfeuchte) im Untergeschoss des Neubaus verwirklicht werden. 

Bildungspartnerschaft und Regionale Archivwerkstatt Westmünsterland
Die zunehmende historische Bedeutung des Archivgutes und das wachsende Interesse an der Erforschung der Regional- und Lokalgeschichte stellen die Archive stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Neben dem klassischen Archivbesucher nimmt das Kreisarchiv Borken auch neue und jüngere Archivnutzerinnen und Archivnutzer in den Fokus. Das Archiv will sich weiter öffnen und als außerschulischer Lernort und fester Kooperationspartner von Schulen etablieren. Dazu ist das Kreisarchiv Borken seit 2011 eine feste Bildungspartnerschaft in Borken eingegangen.


Arbeit mit Schülerinnen und Schülern an den Archivmodulen
Quelle: Kreis Borken

Im Rahmen der „Regionalen Archivwerkstatt Westmünsterland“, bestehend aus Akteuren aus Archiven und Schulen, vom Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Bocholt und dem Kompetenzteam für Lehrerfortbildung im Borken, sind verschiedene Archivmodule wie beispielsweise „Die Industrialisierung im Westmünsterland“ oder „Der erste Weltkrieg im Westmünsterland“ für Schulklassen entwickelt worden. Ziel ist es, den oft sehr abstrakten und die eigene Identität der Schülerinnen und Schüler kaum berührenden Unterricht auf die Region „herunter zu brechen“, in dem beispielhafte historische Ereignisse und Entwicklungen aus ihrem lokalen Umfeld erkennbar, erlebbar und nachvollziehbar gemacht werden. Am neuen Standort Vreden werden das Archiv und die Bibliothek überdies bereits von Schülerinnen und Schülern als Anlaufstelle sowie zur wissenschaftlichen Recherche bei Referaten oder Facharbeiten genutzt. So wird die Grundlage für neue feste Bildungspartnerschaften gelegt. 

Arbeitskreis der Kommunalarchive
Im Kreis Borken gibt es in jeder Stadt oder Gemeinde ein kommunales Archiv, aber der Umfang und Zeitraum der Archivbestände sowie die personelle Besetzung sind jeweils sehr heterogen. So haben die Städte Ahaus, Bocholt, Borken, Gescher, Gronau, Stadtlohn und Vreden recht umfangreiche und teilweise bis in die Zeit der Stadtrechtsverleihung zurückgehende Archivbestände.  Das Archiv der Gemeinde Heek mit einer umfangreichen Urkundenüberlieferung ab 1364 und Aktenbeständen ab 1580 wird nebenamtlich betreut. Die Stadt Stadtlohn und die Gemeinde Südlohn teilen sich beispielsweise hingegen gemeinsam einen hauptamtlichen Archivar. Der Arbeitskreis der Kommunalarchive im Kreis Borken will die Zusammenarbeit und den Austausch der Mitarbeiter der Kommunalarchive fördern. Auf den Sitzungen des Arbeitskreises stehen vor allem Fachfragen wie Bewertung und Erschließung von Archivgut oder elektronische Langzeitarchivierung auf der Tagesordnung. Auf Einladung des Kreisarchivs und mit tatkräftiger Unterstützung des LWL-Archivamtes in Münster findet halbjährlich ein Austausch der Kommunalarchive statt. Gerade die nur neben- oder ehrenamtlich besetzten kleineren Kommunalarchive profitieren von diesen Treffen.
Kooperationen und Netzwerkarbeit sind unerlässlich für eine zukunftsweisende Archivarbeit. Die Zusammenarbeit mit den Heimat- und Geschichtsvereinen und den anderen Kulturakteuren im Westmünsterland findet im kult optimale räumliche und organisatorische Möglichkeiten. Besonders freut die Kreisarchivarin, dass die Nutzung des Archivs und der Bibliothek durch Historiker, Heimatforscher, Studenten und Schüler gestiegen ist, wie die Besucherstatistik für das Jahr 2018 zeigt. Dies ist umso erfreulicher, da der Umzug von Kreisstadt Borken in das 30 Kilometer entfernte Vreden zumindest für die Schulklassen und die älteren Archivbesucher eine große Herausforderung für alle Beteiligten darstellte, die somit erfolgreich bewältigt werden konnte.


Renate Volks-Kuhlmann
Quelle: Kreis Borken