Personelle Verstärkung führt zu mehr Chancengleichheit im Kreis Minden-Lübbecke

24. Januar 2025: Von Dr. Silke Warnecke, Leiterin Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Gesundheitsamt, Kreis Minden-Lübbecke

Bereits vor der Pandemie waren im Kreisgebiet Defizite im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit sichtbar. Die 83 000 Einwohner zählende Mittelstadt Minden liegt im NRW Vergleich auf Platz 11 der Kinderarmut. Dieses und die strukturellen Herausforderungen des zerstreut besiedelten Flächenkreis mit ca. 316 000 Einwohnern stellen das zuständige Gesundheitsamt vor vielfältige und heterogene Aufgaben. Während vor der Pandemie veraltete Strukturen dazu führten, dass das Amt überwiegende Pflichtaufgaben erfüllte, werden heute durch personellen Zuwachs und durch digitale Kommunikationswege Maßnahmen möglich, die eine gesunde Lebensweise bei Kindern und Jugendlichen im gesamten Kreis fördern und verbessern. 

Durch den Pakt ÖGD gab es in zwei Bereichen personelle Verstärkung: Im zahnärztlichen Bereich des Gesundheitsamtes und im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst. Hier konnten erstmals Psychologinnen im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst eingesetzt werden – und damit den nach Corona deutlich gestiegenen Fällen von Schulabsentismus begegnet werden. 

Der zahnärztliche Bereich konnte personell verdoppelt werden, so dass jetzt zwei Zahnärztinnen und zwei zahnmedizinischen Fachangestellte das Team verstärken. Damit wurde es möglich, allen Kitas im Kreis ein Untersuchungsangebot zu machen und insgesamt 14.000 Kinder zahnärztlich zu untersuchen. Dadurch gelang es innerhalb eines Jahres nicht nur an den Grundschulen, sondern auch an allen Kitas ein frühzeitiges Untersuchungsangebot vor Ort anzubieten. Bei sichtbaren Mängeln in der Zahngesundheit der Kinder kann anschließend ein engmaschiges Betreuungscontrolling umgesetzt werden und damit der Kinderschutz verbessert werden.

Auch die neue Berufsgruppe der Psychologinnen im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst hat sich positiv ausgewirkt: Die nach Corona deutlich vermehrten Aufträge wegen lang andauerndem Schulabsentismus werden heute interdisziplinär und systemisch begutachtet und vom Amt und anderen beteiligten Behörden lösungsorientiert beantwortet. Diese Maßnahmen wirken sozialkompensatorisch und führen zu mehr Chancengleichheit bei den Kindern und Jugendlichen im Kreis Minden-Lübbecke.



Zahn-Reihenuntersuchungen in Kindertagesstätten.
Quelle: Kreis Minden-Lübbecke

 

Der schon länger sichtbare Trend zum Schulabsentismus erreichte nach der Pandemie unerwartete Ausmaße. Durch den Wegfall der Präsenzpflicht in den Pandemiejahren wurde die Schulpflicht auch nach der Pandemie von vielen vernachlässigt. Oft zeigten sich Abwesenheitszeiten von mehr als einem Jahr. Eine so lange Meidung der Schule ist meist multifaktoriell begründet und führt langfristig regelmäßig dazu, dass kein Schulabschluss erreicht wird und die gesamte weitere Biographie sehr nachteilig beeinflusst wird. Beim Schulabsentismus muss tatsächlich der Einzelfall betrachtet werden, um das frühe Scheitern der Jugendlichen zu verhindern.

Durch die Aufstockung um zwei Stellen für Psychologie, die mit drei Fachkräften besetzt werden konnten, gelang es, dass diese Fälle gemeinsam von einem Team aus Ärztin und Psychologin begutachtet werden können. Auf diese Weise werden in einem Untersuchungstermin die somatischen und die psychischen Gründe des Verhaltens erfasst und eingeordnet.

Im engen interdisziplinären Austausch zwischen Schule, der Beratungsstelle für Schul- und Familienfragen, Jugendamt und dem Familiengericht konnten so häufig lösungsorientierte Vorschläge erarbeitet werden und notwendige therapeutische Hilfen installiert werden, die es zahlreichen Jugendlichen ermöglichen, wieder den Weg zu einer selbstverantworteten Lebensführung aufzunehmen.

Die Gesamtheit der Kinder und Jugendlichen profitiert von den Fortschritten im Bereich der Digitalisierung im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst. Termine für die Einschuluntersuchung können heute online nach den eigenen Bedürfnissen gebucht werden, wohnortnahe Untersuchungsorte können gewählt und die vorhandenen Unterlagen digital und datensicher vorab eingereicht werden. Dies erspart vielen Familien weite Wege und zum Teil auch Doppeluntersuchungen, weil jetzt aufgrund der vorgelegten Unterlagen Fragestellungen bereits nach Aktenlage entschieden werden können.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch die zusätzlichen personellen und technischen Möglichkeiten die Angebote des Gesundheitsamtes heute besser und einfacher zugänglich geworden sind.  In Verbindung mit den beschriebenen sozialkompensatorischen Maßnahmen konnten so Schritte in eine maßgebliche Verbesserung der Chancengleichheit für viele Kinder und Jugendliche im Kreis Minden-Lübbecke gegangen werden.

Dr. Silke Warnecke
Quelle: Kreis Minden-Lübbecke