Projekt „Modellregion Landwirtschaft und Naturschutz - Bergisches Land“

28. Februar 2019: Von Michael Flaig, Amt für Planung und Landschaftsschutz des Rheinisch-Bergischen Kreises und Jan Kiefer, Amt für Planung, Mobilität und Regionale-Projekte des Oberbergischen Kreises (außerdem mitgewirkt an dem Artikel hat Manuela Thomas, Biologische Stationen Oberberg und Rhein-Berg)

Die Zusammenarbeit von Vertretern der Landwirtschaft, des ehrenamtlichen Naturschutzes und den Naturschutzverwaltungen ist in Nordrhein-Westfalen vor dem Hintergrund widersprechender Interessen keineswegs selbstverständlich. Im Umfeld des Oberbergischen und des Rheinisch-Bergischen Kreises hat sich dennoch ein „Netzwerk“ entwickelt, das auf Vertrauen, gegenseitigem Respekt und gemeinsamer Arbeit beruht. Die schon seit Jahren in beiden bergischen Kreisen praktizierte konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit war Grundlage für die Initiierung des Kooperationsprojektes „Modellregion Landwirtschaft und Naturschutz – Bergisches Land“.

Ausgangslage

In den letzten Jahren wird in Nordrhein-Westfalen für viele Bereiche der Verlust von Lebensräumen und Arten beklagt, der neben dem Flächenverbrauch durch Siedlungs- und Verkehrsnutzung auch auf Veränderungen in der Landbewirtschaftung zurückzuführen ist. Insbesondere fand auch im Bereich der bergischen Landwirtschaft ein erheblicher Strukturwandel statt. Vor dem Hintergrund fallender Milchpreise und der Herausforderung, die Milch auf Weltmarkt-Preisniveau produzieren zu müssen, sind viele Landwirte gezwungen, sich betrieblich an die geänderten Rahmenbedingungen - auch im Hinblick auf die Intensität der Bewirtschaftung - anzupassen.

Im Bergischen Land trifft der Flächenverlust insbesondere die Artenvielfalt im Grünland hart. Dies drückt sich auch in dem FFH-Bericht 2013 des Landes NRW aus, in dem für den auch im Bergischen vorkommenden Lebensraumtyp „Flachland-Mähwiesen - LRT 6510“ eine Verschlechterung festgestellt wird.

Das Bergische Land zeichnet sich im Vergleich zu anderen Regionen in Nordrhein-Westfalen durch einen etwa ähnlich hohen Flächenanteil von Wald und landwirtschaftlichen Flächen (je ca. ein Drittel) aus. Dabei liegt der Anteil der Ackerflächen bei unter zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzung. Das charakteristische Landschaftselement des Bergischen Landes sind die „Wald-Wiesen-Täler“: In den Auen und auf den Hochflächen dominiert die Grünlandnutzung, während die Hangbereiche häufig bewaldet sind. Die Landwirtschaft im Bergischen Land ist im Wesentlichen von der Milchviehwirtschaft geprägt. In den durch den Strukturwandel entstehenden größeren Betrieben ist eine Weidehaltung für das Milchvieh nicht immer möglich. Eine Reduzierung der Weidehaltung hätte eine Verringerung der Nahrungsgrundlage für zahlreiche Arten sowie einen Rückgang der Strukturvielfalt zur Folge.

Die Vertreter des Naturschutzes haben das Bestreben, die lebensraumtypische Artenvielfalt zu fördern. Aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sind die Vertreter der Landwirtschaft an einer leistungsfähigen, eiweißreichen Grasproduktion interessiert. Auch aus Klimaschutzgründen ist die Nutzung des heimischen Grünlandes als Basis der Grundfutterproduktion vorteilhaft, da weniger Futter von den Betrieben importiert werden muss.

Die Basis für dieses Kooperationsprojekt bildet eine gemeinsam erarbeitete Zielvereinbarung für den Erhalt und die zukünftige Entwicklung der bergischen Kulturlandschaft, unter der Maßgabe einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die beiden bergischen Kreisverwaltungen, die mitunter im Spannungsfeld der unterschiedlichen Interessenlagen stehen, aber auch ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen müssen, begrüßen diese Entwicklung sehr.


Unterzeichnung der Zielvereinbarung zum Kooperationsprojekt „Modellregion Landwirtschaft und Naturschutz – Bergisches Land“ am 23.08.2017
Quelle: Biologische Station Rhein-Berg

Im September 2016 startete das Projekt unter der Koordination der Biologischen Stationen Oberberg und Rhein-Berg. Darüber hinaus beteiligten sich folgende Institutionen an dieser Vereinbarung: Bergischer Naturschutzverein, BUND Oberberg und Rhein-Berg, NABU Oberberg und Rhein-Berg, Verband Landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen Oberberg, Landwirtschaftskammer NRW – Kreisstellen Oberbergischer Kreis und Rheinisch-Bergischer Kreis und Rheinischer Landwirtschaftsverband – Kreisbauernschaft Oberberg und Rhein-Berg. Weiterhin wird das Projekt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen sowie vom Oberbergischen Kreis und dem Rheinisch-Bergischen Kreis unterstützt.

Ziel des Projektes
Die unterzeichnenden Partner und Unterstützer der Modellregion Landwirtschaft und Naturschutz – Bergisches Land streben eine für das Land Nordrhein-Westfalen beispielhafte Zusammenarbeit für den Erhalt der Biodiversität und einer vielfältigen Kulturlandschaft im Oberbergischen Kreis und im Rheinisch-Bergischen Kreis an.
Im Rahmen der Zielvereinbarung soll ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung und Erhaltung von artenreichem Grünland gelegt werden. Hier gilt es, neben bewährten Mitteln wie dem Vertragsnaturschutz, neue Wege zu gehen, um das in Mitteleuropa im Laufe der Jahrhunderte durch die Bewirtschaftung der Landwirte entstandene und sowohl aus floristischer als auch aus faunistischer Sicht mit zu den artenreichsten Lebensräumen zählende Offenland auch im Bergischen zu fördern und zu erhalten.

Wesentliche Kerninhalte

Herausforderungen der nächsten Jahre
Bedingt durch den landwirtschaftlichen Strukturwandel stehen sowohl die Landwirtschaft als auch der Naturschutz im Bergischen Land in den kommenden Jahren vor vielen Veränderungen. Die Kreisverwaltungen als Unterstützer des Projektes sind mit diesen Herausforderungen im Rahmen der Verwaltungspraxis konfrontiert und müssen vielfach Abwägungsentscheidungen treffen. Weiterhin wurden seitens der Vertreter der Landwirtschaft und des Naturschutzes jeweils fachlich individuelle als auch gemeinsame Herausforderungen für die Zukunft definiert, wie z. B. die Notwendigkeit einer dauerhaften und verlässlichen Finanzierung für die Pflege der Kulturlandschaft sowie einer Verbesserung des Ansehens und der Wertschätzung von Landwirtschaft und von Naturschutz in der Bevölkerung.

Prioritäre Flächen
Um den oben genannten Herausforderungen zu begegnen, haben die Projektpartner gemeinsam prioritäre Flächen definiert. Von besonderer Bedeutung sind einerseits die für eine ökonomisch ausgerichtete Landbewirtschaftung benötigten Flächen und andererseits die für die Erhaltung der Lebensraum- und Artenvielfalt erforderlichen Flächen. In diesem Zusammenhang kann es bei den so priorisierten Flächen im Einzelfall zu sich widersprechenden Interessen und Einschätzungen kommen. Darum wurden auf Ebene der beiden Kreise Ansprechpartner aus Naturschutz und Landwirtschaft ausgewählt, die gezielt von den Behörden, dem ehrenamtlichen Naturschutz oder auch den einzelnen Landbewirtschaftern angefragt werden können, um anstehende Fragestellungen oder auch bereits bestehende Probleme zu lösen. Dieses Team besteht in jedem Kreis aus einem Vertreter der Kreisbauernschaft sowie einem Vertreter der Biologischen Station. Je nach Fragestellung werden Vertreter der Verwaltung und der anderen Organisationen hinzugezogen. Im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften konnten bereits Problemstellungen vor Ort fachlich erörtert und im Konsens gelöst werden.

Artenreiches Grünland durch Vertragsnaturschutz
Weiterhin wurde vereinbart, durch das Instrument des Vertragsnaturschutzes gezielt artenreiches Grünland zu fördern. Diesbezüglich wurden gemeinsam Ziele und konkrete Umsetzungsschritte festgelegt. Seit Beginn des Kooperationsprojektes konnten weitere 680 ha in beiden Kreisen mit über 100 Betrieben eingeworben werden, was einem Zuwachs von deutlich mehr als 40 Prozent entspricht. Insgesamt werden nun über 2.300 ha der bergischen Agrarlandschaft mit ca. 280 Betrieben gefördert. Dieser enorme Zuwachs ist auch Ausdruck gemeinsam gelungener Kooperationsaktivitäten.

Gegenseitige Schulungen und Wissenstransfer
Grundsätzlich findet ein reger Wissenstransfer zwischen den Partnern statt. Einerseits sind im Sinne eines gegenseitigen Wissenstransfers ehrenamtliche Naturschützer, Auszubildende, wirtschaftende Landwirte, Berater der Landwirtschaftskammer sowie Mitarbeiter der Biologischen Stationen Schulende. Andererseits werden diese auch untereinander geschult.

Weiterhin fanden inzwischen mehrere Veranstaltungen statt, bei denen der Wissenstransfer und die Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses im Mittelpunkt standen.

Anfang 2018 fanden sich die Partner der Modellregion aus aktuellem Anlass zu einer Schulung rund um das Thema „Insektensterben“ mit den Vertretern des Oberbergischen Kreises und des Rheinisch-Bergischen Kreises zusammen. Hier wurden die Ergebnisse der Studie des Entomologischen Vereins Krefeld für die untersuchten Standorte innerhalb der Modellregion präsentiert. Danach wurde seitens der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen über den Herbizid- und Insektizideinsatz im Bergischen Land referiert. Ziel war es, gemeinsam zu klären, wie sich die Situation in der von Milchviehwirtschaft geprägten Grünlandregion darstellt, um daraus Handlungsstrategien zu entwickeln. Die Partner werden das Thema in 2019 weiterverfolgen und gemeinsame Strategien entwickeln, um dem Insektensterben entgegenzutreten.

Weitere Beispiele für den interdisziplinären Austausch ist die Veranstaltung „10 Biotope auf dem Hof – Naturschutz ganz einfach!“, bei der ein landwirtschaftlicher Betrieb im Mai 2018 zusammen mit der Biologischen Station Oberberg auf einem Rundgang die vielfältigen Lebensräume für Tiere und Pflanzen auf und um den Hof vorstellte. In der anschließenden Diskussion fand ein konstruktiver Austausch zwischen Landwirtschaft und Naturschutz statt.

Den Beteiligten des Projektes ist es besonders wichtig, auch den beruflichen Nachwuchs aus der Landwirtschaft schon für diese wichtigen Themen zu sensibilisieren. So nahmen Mitte Mai 2018 rund 20 Oberstufen-Schüler der Fachschule für Agrarwirtschaft Köln-Auweiler an einer Exkursion zu verschiedenen extensiv bewirtschafteten Flächen (Streuobstwiese, Feuchtweide u. –wiese, Acker-Blühstreifen) im Bergischen Land teil, die von den Partnern der Modellregion organisiert wurde. 


Quelle: Biologische Station Oberberg, Biologische Station Rhein-Berg

 Broschüre: Wiesen und Weiden im Bergischen Land
Im Juli 2018 wurde die Broschüre „Wiesen und Weiden im Bergischen Land erkennen – entdecken – wertschätzen“ präsentiert. 43 typische Pflanzenarten des extensiven Grünlands im Bergischen Land werden in der Broschüre in Form von Steckbriefen und anhand von Aquarellzeichnungen porträtiert. Dabei werden Arten aus den Habitaten der artenreichen Glatthaferwiesen, der Magerweiden als auch der Feuchtwiesen beschrieben. Neben Naturschutzinteressierten wird die Broschüre vor allem an Landwirte, die am Vertragsnaturschutzprogramm teilnehmen wollen, oder in Fachveranstaltungen verteilt.


Vorstellung der Broschüre „Wiesen und Weiden im Bergischen Land“ am 13.07.2018 (v.l.n.r. Von links nach rechts: Thomas Wirtz (NABU Rhein-Berg), Olaf Schriever (BSRB), Hubert Sumser (RBN), Peter Lautz (Vorsitzender Kreisbauernschaft Rhein-Berg e.V.), Stephan Mohr (Landwirt), Julia Blumenthal (BSRB), Mark vom Hofe (RBN), Gerhard Wölwer (Dezernat IV Umwelt und Planung Rheinisch-Bergischer Kreis), Landrat Stephan Santelmann und Tobias Mika (BSRB).
Quelle: Biologische Station Rhein-Berg

Michael Flaig
Quelle: Rheinisch-Bergischer Kreis
Jan Kiefer
Quelle: Oberbergischer Kreis