Rassismuskritische Arbeit im Kommunalen Integrationszentrum StädteRegion Aachen

09. Februar 2023: Von Silke Peters, stellvertretende Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums StädteRegion Aachen

Seit über 20 Jahren setzt sich die StädteRegion Aachen gegen Rassismus und für ein gutes Miteinander ein. Unter dem heutigen Titel „Miteinander in der StädteRegion Aachen – für Vielfalt, Teilhabe und Empowerment“ (im Folgenden kurz „Miteinander“) werden eine Vielzahl von Veranstaltungen und Maßnahmen durchgeführt, die die Öffentlichkeit für das Thema Rassismus sensibilisieren und die zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung damit stärken.  
Ausgangspunkt der rassismuskritischen Arbeit in der StädteRegion Aachen war die massive öffentliche Präsenz rechtsextremer Gruppen. Heute ist die Auseinandersetzung mit diskriminierenden Strukturen ein wichtiger roter Faden, der die gesamte KI-Arbeit durchzieht.

Was ist Rassismus?
Öffentlichkeitswirksame Bewegungen wie „#MeTwo“ und „Black lives matter“ haben in den letzten Jahren das Themenfeld „Rassismus und Diskriminierung“ deutlich in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Dennoch bleibt die Auseinandersetzung mit dem Thema schwierig.  
Häufig wird rassistische Diskriminierung als individuelles, beabsichtigtes Fehlverhalten einzelner Menschen – im Sinne einer Beleidigung o.ä. – verstanden. Oder Rassismus wird ausschließlich als Element einer rechtsextremen Ideologie gesehen. Mit Blick auf die Rassenlehre des Nationalsozialismus wird das Thema so schnell an den „rechten Rand“ verschoben oder als „längst überwunden“ angesehen. Beide Annahmen verkennen die gesellschaftliche Bedeutung und Wirkmächtigkeit des Phänomens.
Entgegen der beschriebenen Ansichten ist Rassismus eine gesamtgesellschaftliche Praxis. Sie teilt Menschen aufgrund echter oder imaginierter Eigenschaften in Gruppen ein und rechtfertigt so die Verteilung von und den Zugang zu Ressourcen.

Diskriminierungserfahrungen sind alltäglich erlebte Tatsachen. Jeder dritte Mensch in Deutschland erlebt Diskriminierung laut einer repräsentativen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2017). Gesamtgesellschaftlich zum Thema gemacht wurde Rassismus allzu häufig erst dann, wenn Menschen Opfer körperlicher Gewalt wurden. Dabei erleben die meisten Menschen eher die „Banalität des Rassismus“ (Mark Terkessidis) in Form von allgemein akzeptierten Aussagen, wie die Ausländer so sind.

Für Nordrhein-Westfalen hat das novellierte Teilhabe- und Integrationsgesetz hier einen wichtigen Fortschritt gebracht. In der Präambel bekräftigt die Landesregierung, dass „jeglichen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, Abstammung, Herkunft, Religion, sexueller und geschlechtlicher Identität oder Behinderung wie zum Beispiel Antisemitismus, Rassismus, Antiziganismus und antimuslimischem Rassismus entschieden entgegenzutreten ist und Betroffene von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen Diskriminierung zu stärken sind“.

Die Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung wird hier also als wichtiger Bestandteil von gelingender Integrationsarbeit benannt.

Umsetzung bei der StädteRegion Aachen
Auch der damalige Kreis Aachen hat sich zu Beginn der 2000er Jahre mit dem Phänomen Rassismus zunächst vor allem als ideologisches Element des modernen Rechtsextremismus befasst. Hintergrund war, dass in der Region eine der militantesten rechtsextremen Gruppierung, die Kameradschaft Aachener Land, massiv Präsenz zeigte.
Landesmittel wurden dazu genutzt, die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus zu stärken. Es entstand das damalige Projekt „Miteinander im Kreis Aachen – gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“. Neben der Förderung von Einzelprojekten wurde im Rahmen der Landesförderung eine erste kleine Studie über die Einstellung von Kindern und Jugendlichen zu „Fremden“ erstellt. Nach dem Auslaufen der Landesförderung entschied der Kreis das Projekt „Miteinander“ aus eigenen Mitteln weiter zu finanzieren. Er war damit einer der ersten Kreise, die sich mit eigenen Finanzmitteln in einem Projekt gegen Rassismus engagiert haben.

In der zwischenzeitlich zwanzigjährigen Projektlaufzeit wurde „Miteinander“ stetig überarbeitet.
Eine wichtige Erkenntnis aus dem Projektverlauf war, dass neben der Auseinandersetzung mit dem organisierten Rechtsextremismus der Region die Themen „Rassismus der Mitte der Gesellschaft“ und „Alltagsrassismus“ stärker in den Vordergrund der Arbeit gestellt werden sollten. So wurde im Jahr 2005 unter anderem ein Preis für Initiativen eingeführt, die sich besonders nachhaltig für ein gutes Miteinander in der Region einsetzen.

Im Jahr 2011 – unmittelbar nach Aufdeckung des NSU-Komplexes – wurde der Projektstatus von „Miteinander“ aufgehoben und das Programm mit Gründung des Kommunalen Integrationszentrums StädteRegion Aachen 2013 dort angegliedert.

Seit 2017 setzt die StädteRegion Aachen außerdem das Landesprojekt „NRWeltoffen“ um, das sich ebenfalls mit Rassismus und Rechtsextremismus beschäftigt. Im Rahmen dieses Förderprogramms wurden 2017/18 eine qualitative und 2021 eine quantitative Erhebung zu Rassismuserfahrungen in der Region durchgeführt.

Im Jahr 2021 wurde eine neue Konzeption für „Miteinander“ erarbeitet, die im Sommer des Jahres durch den Städteregionstag beschlossen wurde.

Die aktuelle Arbeit des Programms beruht auf drei Säulen, denen Unterthemen zugeordnet sind.  


Projekt „Miteinander“ der StädteRegion Aachen
Quelle: StädteRegion Aachen

Eine besondere Rolle im Programm spielt der Ansatz des Empowerments. „Das Grundverständnis von Empowerment geht davon aus, dass Menschen selbst in der Lage sind, sich gegen diskriminierende, herabwürdigende Situationen abzugrenzen und zu wehren. In Empowerment-Ansätzen wird das Vertrauen in die eigene Stärke, Resilienz und Abwehr gezielt angesprochen, bestärkt und weiterentwickelt, um Gefühlen und Situationen von Machtlosigkeit/Ohnmacht entgegenzuwirken.“ (Enggruber)

Die Idee des Empowerments wird im Rahmen von „Miteinander“ auf verschiedenen Ebenen umgesetzt.
Die StädteRegion Aachen stellt aus ihren freiwilligen Mitteln Zuschüsse zur Förderung von Maßnahmen und Veranstaltungen Dritter zur Verfügung. Die Entscheidung über eine mögliche Förderung trifft der Programmbeirat, in dem eine Vielzahl von gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren vertreten ist. Der Beirat steuert darüber hinaus die grundsätzliche Ausrichtung des Programms. Durch den Einbezug von zivilgesellschaftlichen Initiativen oder Migrantenorganisationen in dem Gremium soll die Perspektive von Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, besondere Berücksichtigung finden.   

Rassismuskritische Arbeit als Querschnittsaufgabe im KI
Neben den dargestellten Programmen, die sich explizit inhaltlich mit Rassismus und Diskriminierung befassen, versucht das KI StädteRegion Aachen Rassismuskritik vor allem als grundlegende Perspektive auf die gesamte Arbeit einzunehmen.
Alle drei Bereiche des KI „Integration durch Bildung“, „Integration als Querschnittsaufgabe“ und das „Kommunale Integrationsmanagement“ setzen diesen Ansatz um. Rassismuskritik in diesem Sinne ist nicht als ein Fachgebiet von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anzusehen, sondern ständige Aufgabe des gesamten Teams.
Dazu finden regelmäßig Schulungen und Seminare statt. Neben dem Wissen um Rassismus und Diskriminierung geht es dabei vorwiegend um Sensibilität und eine reflexive Haltung in Bezug auf die eigenen Vorurteile.
Ziel ist es, Standards für alle Bereiche des KI zu setzen, um die Arbeit möglichst rassismus- und diskriminierungssensibel zu gestalten. Erkenntnisse aus dieser Arbeit werden auch in Maßnahmen für die gesamte Verwaltung umgesetzt. Denn auch wenn das Thema speziell beim KI verortet ist: Als Beitrag gelungener Integration ist die Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung letztlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und öffentliche Verwaltungen spielen dabei eine entscheidende Rolle. 


Silke Peters
Quelle: StädteRegion Aachen