„Raus aus der Routine!“ -Selbsterkenntnis und neue Standards für ein besseres Klima

11. März 2019: von Sarah Rensner, Klimaschutzmanagerin des Kreises Coesfeld

Ist Klimaschutz im Alltag bereits möglich, wenn kleine Routinen verändert werden? Mit dieser Frage, die auch in Sachen Umwelt- und Naturschutz ganz grundlegend ist, beschäftigen sich aktuell die Klimaschutzbeauftragten des Kreises Coesfeld und der Städte und Gemeinden im Kreisgebiet. Routinen sind überlebenswichtig. Sie helfen uns, den Alltag zu bewältigen. Doch wir können es uns nicht mehr leisten, einfach wie in der Vergangenheit weiterzumachen – so verführerisch es auch erscheinen mag.

 „Festhalten am Bewährten kann den Blick auf Neues vernebeln, egal ob es sich um gesellschaftliche Entwicklungen, die eigene Gesundheit oder umweltbewusstes Verhalten handelt“, betonen Sarah Ludwiczak, Klimaschutzmanagerin der Stadt Olfen, und Petra Volmerg, Klimaschutzmanagerin der Gemeinde Senden. Es sei wichtig, Routinen immer wieder zu durchbrechen. Aber wie gelingt dies am besten? Was können wir dafür tun? Genau hier setzte eine Abendveranstaltung unter dem Motto „Raus aus der Routine“ an, zu der die Klimaschutzbeauftragten gemeinsam eingeladen hatten.

Umweltwissenschaftler Dr. Michael Kopatz aus Wuppertal war Referent des Abends in Olfen.
Quelle: Kreis Coesfeld

Die große Publikumsresonanz im Leohaus in Olfen zeigte, dass das Thema „Klimawandel“ auf immer mehr offene Ohren trifft. „Ökoroutine – damit wir tun, was wir für richtig halten“, war der Titel des Abends, dem sich Umweltwissenschaftler Dr. Michael Kopatz als Referent widmete. Der ausgewiesene Fachmann und Buchautor ist wissenschaftlicher Projektleiter am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Zu seinen gegenwärtigen Arbeitsfeldern gehören kommunaler Klimaschutz, Maßnahmen zur Vermeidung von Energiearmut, zu Arbeit und Nachhaltigkeit, aber auch Impulse für eine grundsätzliche Lebensstilwende.
„Es sind auch die kleinen Dinge, die uns weiterbringen. Und an vielen Stellen tun wir dem Klima etwas Gutes, wenn wir einfach nichts tun“, betonte Kopatz – und es gelang ihm auf Anhieb, das Publikum mit seiner launigen Darstellung des „Ist-Zustandes“ und der Beschreibung der zukünftigen Herausforderungen in seinen Bann zu ziehen. „Expansion ist eines unserer Problemstellungen. Größere Häuser, mehr Straßen, mehr Flüge – warum das alles? Wenn wir mit dem auskommen, was wir haben, und Limits setzen, dann ist für die Zukunft schon viel gewonnen“, unterstrich Kopatz und beschrieb eine gelebte Schizophrenie, die an vielen Stellen deutlich werde: „Über 90 Prozent der Bürger sprechen sich für den Klimaschutz aus, aber geflogen wird so viel wie nie zuvor. Ein Grill darf gerne mal 800,- EUR kosten, aber das Fleisch wird zu Dumpingpreisen gekauft.“ Verbesserte, schrittweise eingeführte Standards helfen laut Kopatz allen. Wenn etwa Bio Standard wird, dann müsse sich niemand mehr an der Ladentheke entscheiden; und wenn es nur 100 Starts und Landungen am Tag auf einem Flughafen gibt, dann müsse man sich danach richten und nicht noch mehr Landebahnen bauen, um noch mehr zu fliegen.  

Strukturen ändern – nicht die Menschen
„Das Konzept in der Ökoroutine funktioniert bereits in der Praxis. Es hat nur kaum jemand mitbekommen“, erläuterte Kopatz. So seien Elektrogeräte, Häuser und auch Autos heute effizienter – und dies, weil die gesetzlichen Standards erhöht wurden. Hier sei deshalb vor allem die Politik in der EU gefragt, um gleiche Standards zu schaffen. „Statt nur mit moralischen Appellen von den Bürgern das ‚richtige‘ Verhalten einzufordern, ist es viel effektiver, die Produktion standardisiert zu verbessern und damit gleichzeitig Wettbewerbsdruck für die Unternehmen zu minimieren“. Aber natürlich müsse sich auch jeder an die eigene Nase fassen, versuchen, seine eigenen Routinen zu ändern, mit offenen Augen durch die Welt gehen und dafür auch manchmal unbequeme Wahrheiten in Kauf nehmen. „Ich komme viel herum, aber ich habe in unserem Land noch keine Straße erlebt, die man ohne großen Geländewagen nicht bezwingen könnte. Und ist es sinnvoll, auch im Sommer den Wäschetrockner laufen zu lassen, weil ein Wäscheständer den Garten unattraktiv macht?“

Wie wäre es mit „Gegenwerbung“
“Wir machen alles mit, dabei müssten wir kollektiv ‚es reicht!‘ sagen“, kritisierte Kopatz. Der Referent führte dem Publikum vor Augen, dass etwa jährlich 30 Mrd. EUR ausgegeben würden, damit Menschen Dinge kaufen, die sie eigentlich überhaupt nicht brauchen. „Das funktioniert genauso gut, wie das Sponsoring. Und dann frage ich mich, warum auf der Urkunde meiner kleinen Tochter im Rahmen einer Sportveranstaltung der Schule steht: ‚Die Schule und McDonalds gratulieren‘.“ Sport ist also gut, um Fastfood abzutrainieren?

Beispiele für den Schritt nach vorn

 

Haben die Routinen fest im Blick: Die beteiligten Klimaschutzbeauftragten der Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld mit Klimanetzwerkern der EnergieAgentur.NRW.
Quelle: Kreis Coesfeld

 Nach dem Sommer 2018 mit Hitzewellen, Dürreperioden, Waldbränden und den aktuellen Diskussionen in den Medien zu Dieselfahrverboten und zur Nutzung von Kohle wollen die Klimaschutzbeauftragten zum Nachdenken anregen, aber vor allem auch Möglichkeiten aufzeigen, welchen Beitrag jeder einzelne im Sinne der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes leisten kann. Daher hatten auch die vielen Gäste und Aussteller in Olfen nach einem spannenden Vortrag die Gelegenheit, das Thema eingehend zu diskutieren und ihre Beispiele für geänderte Ökoroutine vorzustellen. Ob Elektroautos, Einkauf von Bioware, Umstieg aufs Fahrrad oder Solarstromerzeugung: Viele Beispiele zeigten, dass ein Umdenken in vielen Köpfen im Gange ist.

Der ADFC Lüdinghausen, das Biologische Zentrum Lüdinghausen, der BUND, die Verbraucherzentrale, Carsharing Nottuln und die Caritas boten an diesem Abend zusätzlich zahlreiche Informationen und Gesprächsmöglichkeiten.  Persönliches Engagement vor Ort in Form von kleinen Projekten, Fahrrad-Demos oder aktive Unterstützung von unabhängigen Organisationen im Umweltbereich können dabei Ansatzpunkte sein.

Die Klimamanager der einzelnen Kommunen haben der Bevölkerung mit diesem Abend gemeinsam ein Forum für Informationen, Kontakte und Gespräche geboten. Und dies wird sicherlich nicht die letzte Veranstaltung dieser Art sein, denn das Interesse der Bürgerinnen und Bürger ist groß – und nicht nur das der engagierten Klima-, Natur- und Umweltschützer. Also: Fortsetzung folgt!

Sarah Rensner - Quelle: Kreis Coesfeld