Risiken mindern: Jeder an seiner Stelle!

27. Februar 2018: Von Dipl.-Ing. agr. Brigitte Wenzel, Rheinischer Landwirtschaftsverband

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) findet sich zunehmend in der medialen Berichterstattung. Das hat einen Vorteil: die drohende Gefahr rückt in das Bewusstsein vieler Menschen und sensibilisiert. Es hat aber auch Nachteile: die einen tun es als Hysterie ab, weil sie die Zusammenhänge nicht kennen und die enormen Konsequenzen einer solchen Tierseuche nicht abschätzen können. Einige andere könnten sich sogar aufgerufen fühlen, wieder aktiv Spendengelder für den Tierschutz zu generieren. Klar ist, um großen Schaden von Tieren und Wirtschaft und damit auch den Menschen fernzuhalten, müssen wir alle an einem Strang ziehen. Das gemeinsame Forderungspapier des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Bauernverbandes ist eine gute Basis dafür.

Wer viel hat, kann viel verlieren
Viele Fakten sind heute in der Bevölkerung nicht mehr bekannt. So scheint es Vielen nicht bewusst zu sein, dass Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land der EU ist. Obwohl wir Deutschen beim Pro-Kopf-Fleischverbrauch nur auf Platz 8 im EU-Ranking liegen, ergibt sich daraus natürlich ein großer Tierbestand. Insbesondere im Schweinebestand – trotz sinkender Nachfrage von Schweinefleisch ist es immer noch das beliebteste Fleisch der Deutschen – schätzt das Statistische Bundesamt für 2017 wieder einen leichten Anstieg auf über 27 Millionen Schweine. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei mittlerweile 120% und macht die Branche immer exportabhängiger, wobei das meiste von uns exportierte Schweinefleisch in andere EU-Mitgliedsstaaten geht. Das wird ignoriert, wenn selbst die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks kritisiert, die Schweinehaltung in Deutschland sei zu sehr auf den Export ausgerichtet und „nicht jeder chinesische Kühlschrank“ müsse mit deutschem Schweinfleisch gefüllt werden. Dennoch zählt bei Produkten mit geringen Margen jeder Euro, der erlöst werden kann, und so ist jeder Schweinehalter froh, dass wir nach Asien die Teile exportieren können, die hierzulande sowieso keiner essen würde, wie z.B. Schweinefüße.
Fast jeder vierte Deutsche lebt in NRW. Da macht es durchaus Sinn, dass auch nahezu jedes vierte Schwein in NRW gehalten wird, 90% davon in Westfalen-Lippe und 10% im Rheinland. Im Sinne der Wertschöpfung ist die Branche gut im bevölkerungsreichsten Bundesland angesiedelt. Eine starke Schlachthofstruktur – auch Europas größter Schlachthof liegt in NRW – und viele Unternehmen des vor- und nachgelagerten Bereiches stellen einen bedeutenden Teil unserer Wirtschaft dar. Rund ums Schwein werden Milliarden erwirtschaftet und entsprechend viele Familien verdienen ihren Lebensunterhalt in diesem Bereich. Es gibt deshalb nicht nur für die Landwirtschaft viel zu verlieren, wenn die Afrikanische Schweinepest hier auftreten würde. Aber natürlich sind insbesondere die Schweinehalter im eigenen Interesse aufgefordert, alles zu tun, was eine Einschleppung in ihre Betriebe verhindern kann. Sie müssen die bekannten Biosicherheitsmaßnahmen strikt einhalten, wenn es um Zugang von Personen und Fahrzeugen auf den Betrieb und in die Ställe geht. Dies gilt erst recht, wenn der Stall in einer Gegend liegt, die eine hohe Wildschweindichte hat oder wenn Landwirte selbst Jäger sind. Dass eine immer tiergerechter werdende Schweinehaltung immer häufiger Stroh und Heu wieder in die Ställe bringen lässt und somit die Hygiene gefährdet, ist dabei ein ungelöster Zielkonflikt. Aber selbst die beste Absicherung der Hausschweine garantiert Schweinehaltern leider nicht, verschont zu bleiben vor wirtschaftlichen Einbußen.

In den letzten Jahren wurde eine Akzeptanz der Schweinehaltung zunehmend mit einer Stroheinstreu verknüpft. Diese Haltungsform stellt aber immer noch eher die Ausnahme dar. Das Stroh muss aber qualitativ hochwertig sein, damit keine neuen Probleme entstehen.

 

Stroh oder Heu gelten als optimales Beschäftigungsmaterial für Schweine in Ställen ohne Einstreu. Insbesondere vor dem Hintergrund des geforderten Kupierverzichts wird die Zahl der Betriebe vermutlich steigen, die organisches Material in die Ställe bringen.
Quelle für beide Bilder: RLV

Ein infiziertes Wildschwein wäre schon zu viel
Denn schon allein ein infiziertes Wildschwein in Deutschland hätte gravierende Auswirkungen und das für lange Zeit. Insbesondere Drittländer wie China, Südkorea, Thailand und Japan würden aus Deutschland kein Schweinefleisch mehr importieren. Das Konzept der Regionalisierung, das in der EU gilt, würde von asiatischen Staaten nicht akzeptiert werden, solange es andere Handelspartner gibt, deren Länder frei von der Schweinepest sind. Diese Handelssperre würde auch deutlich länger dauern, als bei der Klassischen Schweinpest, die zuletzt 2009 in NRW auftrat. Weil damals nur Wildschweine betroffen waren und es einen Impfstoff gegen die Klassische Schweinepest gab, konnte man durch Impfköder das Virus in der Wildschweinepopulation wenigstens wieder verdrängen. Bei der ASP, die durch einen komplett anderen Erreger übertragen wird, konnte bisher noch nicht einmal in Ansätzen ein Impfstoff entwickelt werden. Wenn wir ins Baltikum schauen, wo sich der Erreger seit nun schon vier Jahren hält, wird jedem die aussichtslose Situation schnell klar. Nach einem Ausbruch wieder frei zu werden und somit nach Asien exportieren zu können, wäre eine Herausforderung für viele Jahre. Hohe wirtschaftliche Verluste (sinkende Schweinepreise, Zusatzkosten durch Freitestungen etc.) würden bereits wirksam, wenn diese ausschließlich für Haus- und Wildschweine gefährliche Tierseuche auch nur ein Wildschwein in Deutschland betreffen sollte. Wir sind deshalb schon heute darauf angewiesen, dass unsere Jäger bei der Jagd auf Schwarzwild konsequent unterstützt werden. Die Wildschweindichte in Deutschland soll die höchste weltweit sein. Durch NRW zieht sich ein Band mit der höchsten Wildschweindichte, es gibt einen Nationalpark und außerdem zahlreiche Autobahnen, über die Millionen PKW und LKW auch aus Osteuropa fahren und an deren Rastplätzen sie Pause machen. Die Gefahr einer Viruseinschleppung z.B. durch ein Salamibrot ist in einer Zeit, wo zahlreiche Wildschweine immer dichter an menschliche Infrastruktur kommen, um auch im Müll noch wertvolles Protein zu finden, wirklich nicht zu unterschätzen. Die Experten vom Friedrich-Loeffler-Institut machen deutlich, dass der Mensch die größeren Entfernungen mit dem Virus zurücklegt. Das Risiko, dass der Erreger z.B. über Produkte von infizierten Tieren aus einer Hausschlachtung in Osteuropa verschleppt wird, die in der Natur entsorgt werden, muss daher durch Aufklärung gesenkt werden. Die Landesbauernverbände im DBV hatten schon 2014, als die ASP im Baltikum erstmals nachgewiesen wurde, ihren Mitgliedern Informationen für Saison-Arbeitskräfte in der Landwirtschaft bereitgestellt. Es sollte verhindert werden, dass aus Unachtsamkeit durch mitgebrachte Rohprodukte vom Schwein die Seuche eingeschleppt wird. Diese Informationen stehen in vier Sprachen unter http://www.rlv.de/schwein-wichtig zum Download bereit.


Zweisprachiges Mitarbeiterinfo des RLV
Quelle: RLV

Es ist nachvollziehbar, dass die Menschen, die ihre Heimat der Arbeit wegen für Monate verlassen, sich etwas Vertrautes von zuhause mitbringen.  Da in Osteuropa das eigene Schwein im Hinterhof noch an der Tagesordnung ist und somit vermutlich auch die Speiseresteverwertung in diesem Bereich nicht abgeschafft wurde, ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, dass unsichere Schweinefleisch- oder Wildschweinefleischprodukte den Weg zu uns finden.  Vor dem Hintergrund ist es gut zu erfahren, dass die bisherigen Diskussionen in Bund und Ländern, aber auch in Städten und in den Kreisen schon erhöhte Wachsamkeit hervorgerufen haben. Auch Behörden und Arbeitgeber aus anderen Wirtschaftsbereichen interessierten sich für diese Infozettel und verteilen sie in ihren Betrieben. So hatte kürzlich sogar ein Ordnungsamt aus Mecklenburg-Vorpommern beim RLV nach diesen Informationen gefragt, um sie den örtlichen Logistikunternehmen für ihre Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Weil Deutschland als Transit- und Zielland für Millionen Fahrzeuge und Arbeitskräfte aus Osteuropa für die Erregereinschleppung viele Möglichkeiten hat, hoffen wir sehr, dass dieses Beispiel auch in anderen Behörden Nachahmer findet.

Kommunikation als Schlüssel
Die zahlreichen neuen Fälle in Polen seit Beginn des Jahres steigern die Sorgen der Landwirte. Es besteht dennoch kein Grund, hilflos zu warten, bis das Virus bei uns ankommt und sich nur auf den Tag X vorzubereiten. Wenn es auch beruhigend ist, dass Bund und Länder Kommunikationsübungen zwischen den verschiedenen Behörden abhalten, um sich auf den ersten Fall vorzubereiten, so gibt es auch noch Punkte in der Präventionsphase, die verbessert werden könnten. Die Landwirte, Behörden und Jäger haben bereits in zahlreichen Treffen auf Bundesebene, in den Ländern und Kreisen die Lage besprochen und überlegt, wie man gemeinsam vorgehen kann. Die Meinungsvielfalt über geeignete Maßnahmen ist groß, durch den stetigen Austausch lernen die Beteiligten aber und entwickeln mehr Verständnis für die Situation des anderen. Alle sind sensibilisiert und sollten ihrer jeweiligen Rolle bei der Prävention nun auch gerecht werden können. Jeder an seiner Stelle. Es ist klar, dass das gemeinsame Ziel nur über Vorschriften nicht zu erreichen ist. Wir müssen die Kommunikation als Schlüssel wieder mehr pflegen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!  Eine indirekte Art der Kommunikation wäre z.B. eine Übernahme der Trichinenuntersuchungskosten für alle Stücke, für die wir uns in NRW einsetzen. Damit könnte die zeitraubende und demotivierende Diskussion, ob ein Frischling wirklich ein Frischling ist und somit ein Jäger den vom Land bereitgestellten Zuschuss bekommt oder nicht, leicht umgangen werden. Das wäre ein Signal!
In den ganzen Diskussionen bleiben aber noch folgende Fragen unbeantwortet: Warum sind trotz der enormen Bereitschaft der Jäger zum Teil Drückjagden abgesagt worden? Gibt es wirklich zu wenig Unterstützung von einzelnen Behörden für Maßnahmen wie Temposchilder? Oder liegt es allein am schlechten Absatz von Wildbret? Wie können wir hierbei für Entlastung sorgen? Ist es nicht endlich Zeit, für eine professionelle Wildfleischvermarktung in NRW oder sogar Deutschland? Was fehlt, um den Privathaushalt wie auch den Großkunden mit Wild aus der Region zu versorgen? Und wer spricht mit den Köchen in den Kantinen, dass Wildgulasch von Hirsch und Känguru derzeit das völlig falsche Signal sind? Hier ist noch eine Menge Kommunikation gefragt. Der gesunde Menschenverstand gebietet es, dass jeder zumindest versucht, seinen persönlichen Einfluss geltend zu machen. Dann könnten unsere bereits begonnenen Maßnahmen besser ineinandergreifen. Die ASP hätte in Deutschland keine Chance.