Schuldnerberatung während der Corona-Krise – Kreis Steinfurt setzt bei Hilfen auf Bewährtes und Neues

16. Dezember 2021: Von Simone Cool, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kreis Steinfurt

Der Bedarf an Beratungsgesprächen wächst. Nicht erst seit Corona verzeichnet die Schuldnerberatungsstelle des Kreises Steinfurt steigende Zahlen. Doch auch die Pandemie bringt viele Menschen in finanzielle Nöte und den Beraterinnen im Amt für Soziales und Pflege weiteren Zulauf. 

2019 waren es 607 Anfragen, in denen die Expertinnen im Sachgebiet Soziale Dienste hilfesuchende Menschen mit Informationen versorgt, in offenen Sprechstunden oder ausführlichen Gesprächen zur jeweiligen finanziellen Situation oder zur Insolvenz beraten haben. Ein Jahr später waren es 14 Fälle mehr. Anfang Dezember 2021 verzeichnet die Beratungsstelle 671 zu bearbeitende Anfragen. Der Trend ist eindeutig!

Bewährte Wege der Beratung
Kurzarbeit, Überstundenabbau, Stellenstreichungen oder mangelnde Aufträge bei Selbstständigen können finanzielle Krisen hervorrufen. Gerade in diesen herausfordernden Zeiten will die Beratungsstelle gerne helfen, sagt Simone Strotmeier, eine der beiden Beraterinnen: „Die Not ist bei Vielen groß. Deshalb halten wir unser kostenloses Beratungsangebot so gut es geht aufrecht und für jeden offen.“  Unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Hygienekonzepte gestaltet es sich aktuell aber etwas anders, erklärt Teamassistentin Sonja Reinke: „Die Gespräche laufen hauptsächlich über das Telefon. Auch kommunizieren wir viel per E-Mail. Offene Sprechstunden mit persönlichem Kontakt fallen zurzeit aus. Beratung per Video kommt für die meisten unserer Klientinnen und Klienten nicht infrage, weil sie schlichtweg kein Geld für die nötige Technik haben. Über die Entwicklungen im Kontakt mit Banken, Gläubigern etc. informieren wir auch per Brief.“ Im digitalen Zeitalter eine selten gewordene Art der Kommunikation – das ist der Beratungsstelle bewusst. „Viele denken sich wahrscheinlich ‚wie umständlich‘, aber unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass wir gerade in der andauernden Pandemie gut damit fahren. Wir nehmen auch diesen ‚Umstand‘ gerne in Kauf, wenn wir den Menschen damit helfen können“, betont Reinke.


Während der Corona-Pandemie laufen die Gespräche der Schuldnerberatung hauptsächlich über das Telefon. Teamassistentin Sonja Reinke unterstützt die Beraterinnen u. anderem bei der Abfrage der jeweiligen Daten.
Quelle: Kreis Steinfurt, Dorothea Böing

Die in den Telefonaten abgefragten Daten und angeforderten Unterlagen werden mit dem Einverständnis der Betroffenen gespeichert. Damit ist der grundlegende Anfang zur Hilfe gemacht. Die Beraterinnen und Teamassistentinnen versuchen immer so schnell wie möglich Lösungen zu finden. Durch gewisse Umstände können diese aber nicht immer umgehend erfolgen, berichtet Beraterin Katrin Rietbrock aus Erfahrung: „In den meisten Fällen haben unsere Klienten nicht nur den Überblick über ihre Finanzen verloren, sondern auch den Überblick über die Gläubiger. In solch einem Fall wird von unseren Klienten eine kostenlose SCHUFA-Auskunft angefordert. Diese ist dann nach etwa vier bis sechs Wochen bei uns.“ Bei einigen Verschuldeten führt der Weg alternativlos zum Pfändungsschutzkonto. Diese Zahlen sind drei Jahre infolge konstant: 87 Bescheinigungen in 2019, 88 in 2020 und 86 bis Anfang Dezember.

Neues Projekt zur Prävention

(v.l.): Sonja Reinke und Simone Strotmeier besuchten im Rahmen des Präventionsprojekts „Bist du was, dann hast du was“ drei 9. Klassen.
Quelle: Kreis Steinfurt

In der Schuldnerberatung wird seit einigen Jahren beobachtet, dass der Anteil der Klientinnen und Klienten zunimmt, die im Niedriglohnsektor tätig sind. Mit dem Projekt „Bist du was, dann hast du was“ soll dieser Entwicklung entgegengewirkt werden. Das Gemeinschaftsprojekt mit dem Sozialdienst katholischer Frauen Ibbenbüren ist im Rahmen der Kommunalen Präventionskette des Kreises Steinfurt für Neuntklässlerinnen und –klässler entwickelt und Ende 2020 erfolgreich an Schulen durchgeführt worden – dank finanzieller Unterstützung durch das Land und trotz der Einschränkungen durch die Pandemie. „In dem Projekt geht es darum, die Schülerinnen und Schüler zu motivieren, einen möglichst guten Schulabschluss zu absolvieren und eine Berufsausbildung zu machen. Ein wichtiger Baustein, um Armut vorzubeugen“, erklärt Frank Winter, Sachgebietsleiter Soziale Dienste. Das Konzept besteht aus drei Hauptmodulen: „Was kostet mein Leben? - Was passiert, wenn ich meine Schulden nicht bezahle?“, „Versicherungen - Sinn oder Unsinn“ und „Kostenfalle Smartphone“. Geplant ist, dieses Projekt in 2022 weiterzuführen, wenn die beantragten Fördermittel dafür bewilligt werden.

Hilfreiche Unterstützung durchs Ehrenamt
Darüber hinaus laufen seit Jahren zwei andere Präventionsprojekte: Ehrenamt in der Schuldnerberatung richtet sich unter dem Motto „Ohne Moos nix los!“ an Schülerinnen und Schüler der achten, neunten und zehnten Klassen. Das Ziel ist, die Finanzkompetenz Jugendlicher zu stärken, indem sie über Schuldenfallen und Verschuldungsrisiken informiert werden. Die Freiwilligen helfen auch Familien. Sie prüfen Versicherungs- und Handyverträge, sortieren Post, stellen Haushaltspläne auf und nehmen in enger Kooperation mit den Schuldnerberaterinnen Miete-, Gas-, Strom- und Kreditrückstände unter die Lupe. Immer geht es darum, die Ausgaben zu reduzieren.

Die Schuldnerberatungsstelle des Kreises ist für vier der insgesamt 24 Städte und Gemeinden zuständig. In den anderen Kommunen beraten und betreuen die Schuldnerberatung Stroetmanns Fabrik, die Diakonie WesT e.V, der Sozialdienst katholischer Frauen Ibbenbüren und der Caritasverband Rheine Menschen in finanzieller Schieflage.


Simone Cool
Quelle: Kreis Steinfurt