Seife, Duschbad, Parfum – ein Fall für die Lebensmittelüberwachung?

14. Dezember 2021: Von Dr. Mathias Boese, Fachtierarzt für öffentliches Veterinärwesen und Leiter der Lebensmittelüberwachung und Ralf Wüstkamp, Staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker, stellv. Leiter der Lebensmittelüberwachung, StädteRegion Aachen

Neben der immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Lebensmittelüberwachung gehören zu den Aufgaben des Kontrollpersonals der Lebensmittelüberwachungsbehörden noch weitere, eher unbekannte Gebiete des Verbraucherschutzes. Auch für die Überwachung der Bedarfsgegenstände (von Verpackungsmaterialien für Lebensmittel bis hin zu Erotikspielzeug), Tabakerzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel oder das weite Feld der kosmetischen Mittel sind die Kreise und Städte in NRW zuständig. Deren Tätigkeit wird am Beispiel der StädteRegion Aachen dargestellt.

Grundlagen der Überwachung von kosmetischen Mitteln
Die rechtlichen Anforderungen für kosmetische Mittel sind mit der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel (EU-KosmetikV) unionsweit harmonisiert. Allein diese Verordnung umfasst derzeit 391 Seiten (!). Sie regelt stoffliche Zusammensetzung, Hygieneanforderungen, Kennzeichnung, Werbung und Inverkehrbringen kosmetischer Mittel. In Bezug auf die Werbung für kosmetische Mittel – bei der immer mal wieder durch Firmen Grenzen ausgetestet werden – wird die Kosmetikverordnung notwendigerweise durch die Verordnung (EU) Nr. 655/2013 ergänzt. Hinzu kommen noch rein nationale Regelungen wie die deutsche Kosmetikverordnung. Diese Vielzahl von Regelungen führt dazu, dass dieses Gebiet keineswegs nebenbei bearbeitet werden kann.

In der StädteRegion Aachen unterliegen aktuell 76 Herstellerbetriebe für kosmetische Mittel der Überwachung. Bei insgesamt über 6700 kontrollpflichtigen Betrieben erscheint das nicht viel. Jedoch gehören internationale Unternehmen dazu, wie Dr. Babor oder Mäurer & Wirtz, die unter anderem die Markeninhaber von Klassikern wie „4711 Kölnisch Wasser“ und „Tabac original“ sind. Hinzu kommen noch eine Vielzahl von gewerblichen Anwendern (Nagelstudios, Friseursalons, Kosmetikstudios), der stationäre Einzelhandel, der Online-Handel von Kosmetika und Kleinstunternehmen, die z.B. Seifen handwerklich herstellen.
Für die Überwachung von Kosmetika sind Fachexpertise und das Verständnis für komplexe Zusammenhänge über die Wirkung von Stoffen erforderlich. Dazu bedarf es z.B. für die Kontrolle von Herstellern und Importeuren in der Behörde spezialisierten Fachpersonals, das über eine wissenschaftliche Ausbildung verfügt. In der Städteregion Aachen bearbeitet deshalb ein Lebensmittelchemiker federführend diesen Bereich. Dieser wird unterstützt durch Tierärzt_innen, Lebensmittelkontrolleur_innen und Verwaltungspersonal.

Kontrolle von Herstellerbetrieben von Kosmetika und die Risikobeurteilung
Grundsätzlich dient jede Kontrolle eines Betriebes - egal ob Lebensmittel, Bedarfsgegenstand oder kosmetisches Mittel – dazu, Verbraucher_innen vor Gefahren für die Gesundheit, aber auch vor Täuschung und Irreführung zu schützen. Deshalb finden die Kontrollen der Lebensmittelüberwachung fast ausnahmslos unangekündigt statt.  Das Kontrollpersonal hat dazu zu den Betriebszeiten ein Betretungsrecht für alle Betriebsräume. Bei Regelkontrollen werden unter anderem die hygienischen und baulichen Gegebenheiten eines Herstellungsbetriebes überprüft. Um das Vorgehen NRW-weit zu harmonisieren, wurde 2019 durch das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz eine einheitliche Checkliste für die Kontrollen verfügt. Diese wurde zusammen mit Vertretern aus den Kreisen und Städten erarbeitet; auch die StädteRegion Aachen war daran beteiligt. Damit besteht eine einheitliche Beurteilungsgrundlage, um zu überprüfen, ob die Betriebe über eine gute Herstellungspraxis (GMP) verfügen.

Diese Checkliste deckt alle Aspekte ab vom Organigramm, über die Anzahl an Handwaschbecken, die Auswahl der Rohware bis hin zur Zusammenarbeit mit den Behörden, Vorgehensweisen bei der Mängelbeseitigung oder falls es zu einer europaweiten Schnellwarnung mit Rückruf eines Produktes kommen sollte. Verknüpft ist jeder Checkpunkt mit Punktwerten, so dass am Ende der Kontrolle ein Gesamtwert ermittelt wird. Dieser entscheidet dann, wann die nächste Kontrolle ansteht. Einfach formuliert: Bei einem guten Punktewert sind weniger Kontrollen nötig, bei einem schlechten Punktewert wird engmaschiger kontrolliert. Eine Gebührenpflicht für Regelkontrollen von Kosmetikbetrieben – so wie sie schon seit Jahren für die Plankontrollen von Lebensmittelbetrieben besteht – gibt es jedoch nicht.


Kontrolle bei dem Kosmetikhersteller Fa. Barbor in Aachen.
Quelle: Dr. Babor GmbH & Co. KG, Neuenhofstraße 180, 52078 Aachen, Sara Pille

Umfangreiche Dokumentationen müssen überprüft werden
Ein wichtiger Unterschied zu einer Kontrolle im Bereich der Lebensmittel ist die Überprüfung der speziellen Dokumentation. Gesetzlich verpflichtend ist für jedes kosmetische Mittel eine sogenannte Produktinformationsdatei (PID) durch den Kosmetikunternehmer (verantwortliche Person) zu führen. Bei der PID handelt es sich um ein umfassendes Dokument, welches unter anderem die ausführliche Beschreibung des kosmetischen Mittels inklusive der Herstellungsmethode, die Sicherheitsbewertung und auch anerkannte Wirksamkeitsnachweise bei Werbeaussagen beinhaltet. So eine PID ist natürlich ein Geschäftsgeheimnis und stellt hohe Anforderungen an den Datenschutz z.B. bei der behördlichen Kontrolle. Gleichwohl ist sie auf Anforderung am Ort der verantwortlichen Person - also im Betrieb - zur Einsicht zur Verfügung zu stellen. Für die Routinekontrolle bedeutet dies, dass so ein Besuch angekündigt werden muss. Eine Prüfung einer PID kann im Einzelfall mehrere Stunden in Anspruch nehmen.

Zusätzlich muss jedes Produkt, bevor es in der EU angeboten werden darf, einzeln im Kosmetikportal der EU (CPNP) online notifiziert sein. Diese Eintragungen müssen die Unternehmer erledigen. Die Behörde hat ebenso entsprechende Zugänge zu diesem Portal, um die Einträge zu überprüfen.

Amtliche Proben als Routine und bei Verdachtsfällen
Um Parameter wie die mikrobiologische Beschaffenheit, die korrekte Kennzeichnung oder auch das Vorhandensein von unerlaubten Zusätzen (z.B. Konservierungsstoffe) zu überprüfen, werden regelmäßig Proben gezogen. Gemäß den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung sind dies pro 1000 Einwohner 0,5 Pflichtproben aus dem Bereich der kosmetischen Mittel, der Tabakerzeugnisse und der Bedarfsgegenstände. Für die Städteregion Aachen sind das immerhin nahezu 300 Planproben pro Jahr allein für diese Produkte, wenn auch im Vergleich deutlich weniger als die 2.700 Lebensmittelproben jährlich. Die Kosmetikproben werden an die darauf spezialisierten Sachverständigen der Chemischen- und Veterinäruntersuchungsämter weitergeleitet und dort untersucht. Für Nordrhein-Westfalen gibt es zwei Kompetenzzentren für kosmetische Mittel. Diese sind in Hürth und Detmold angesiedelt. Die Untersuchung der Proben ist für die Betriebe gebührenfrei. Sie erhalten allerdings auch keine Entschädigung für die teilweise durchaus hochpreisigen Produkte, wenn sie als Probe gezogen werden. Bei Beanstandungen von Proben wird der Betrieb informiert, bei erheblichen Abweichungen drohen Bußgeldverfahren, in Ausnahmefällen - wenn der Verdacht auf eine Straftat vorliegt - erfolgt die Abgabe an die Staatsanwaltschaft.
Bei Verbraucherbeschwerden zu Kosmetika können zielgerichtet sogenannte Beschwerdeproben zur Untersuchung eingesandt werden. Ein eklatantes Beispiel hierzu war die Beschwerde einer jungen Verbraucherin. Diese hatte sich zur Verschönerung mit Henna – ein mit Wasser angerührtes Pulver aus den Blättern des Hennastrauches, das als kosmetisches Mittel einzuordnen ist – Verzierungen auf der Haut angebracht. Kurze Zeit später erlitt sie massive allergische Hautreaktionen, die erst Wochen später unter starker Narbenbildung abheilten. (Abb. 1) Die daraufhin gezogenen Proben zeigten, dass das Hennapulver mit dem verbotenen Para-Phenylendiamin (PPD) versetzt war. PPD ist innerhalb der Europäischen Union für Hautfarben wegen bekannter möglicher allergischer Reaktionen verboten. Das importierte Produkt wurde daraufhin auf behördliche Anordnung vom Markt genommen und eine europaweite Verbraucherwarnung erfolgte.


Allergische Reaktion nach Henna Tattoo.
Quelle: Städteregion Aachen A 39

Neue Entwicklungen – neue Herausforderungen für die Kontrolle
Kosmetika werden ständig weiter- oder neu entwickelt. Sie unterliegen sowohl hinsichtlich Inhaltstoffen als auch der Vermarktung durchaus auch Trends. Daran müssen sich auch die Überwachungsbehörden anpassen, um bei diesem spannenden Feld auf Augenhöhe mit den Betrieben zu bleiben.
Die Diskussion um Abfallvermeidung und Einsparung von Verpackungsmaterial wird beispielsweise auch von der Kosmetikindustrie und dem Handel aufgegriffen. Neuerdings gibt es Systeme zur Selbstabfüllung von kosmetischen Mitteln in „Unverpackt Läden“ aber auch in Drogeriefilialen. (Abb. 2) Grundsätzlich gelten auch hier alle Vorgaben, die die EU-KosmetikV und die nationale Gesetzgebung einfordern. Gerade bei solchen Abfüllstation ist die Einhaltung einer guten Hygiene äußerst wichtig, da der Abfüllprozess aus den sehr reinen Betriebsräumen der industriellen Produktion in die Selbstbedienung des Einzelhandels ausgelagert wird. Bei der Kontrolle und Beurteilung dieser Systeme sind deshalb die Sicherheitskonzepte penibel zu prüfen und ebenso, ob die Information des Kunden im Geschäft ausreichend ist. Das betrifft nicht nur die Informationen zur Bedienung einer Station, sondern auch die vollständige Kennzeichnung des jeweiligen Produktes beispielsweise zu allen Inhaltsstoffen, dem Mindesthaltbarkeitsdatum sowie besonderen Angaben zum Gebrauch.


Kontrolle einer Selbstabfüllstation für kosmetische Mittel in einem Unverpackt-Laden in Aachen.
Quelle: Städteregion Aachen A 39

Fazit und Ausblick
Kosmetische Mittel sind ein wichtiges Aufgabengebiet des amtlichen Verbraucherschutzes und das Miteinander von Industrie / Handel und Überwachung bleibt spannend. Die Hersteller entwickeln immer wieder neue Produkte und setzen damit Trends (Cannabidiolhaltige Kosmetika, oder sogenannte Naturnahe Kosmetik). Diese führen ebenso wie neue Konzepte (Kosmetika zum Selbermachen, auch im Bereich Kinderspielzeug) und Vertriebswege (Abfüllstationen, Online-Handel) dazu, dass die Arbeit in diesem Bereich nicht langweilig wird. Spezialisiertes Kontrollpersonal in den Lebensmittelüberwachungsbehörden der Kreise und kreisfreien Städte ist hierbei unerlässlich, um ein hohes Niveau beim Gesundheitsschutz zu sichern.
So viel zum spannenden Thema Kosmetik-Überwachung aus der StädteRegion Aachen oder kurz gesagt: „Wir können nicht nur süß, sondern auch schön!“

Dr. Mathias Boese
Quelle: StädteRegion Aachen
Ralf Wüstkamp