Sicherung exzellenter beruflicher Aus- und Weiterbildungsangebote im ländlichen Raum

25. April 2023: Von Gabriele Böker, Leiterin der Abteilung Schule und Kultur, Kreises Höxter

Die berufliche Bildung ist von entscheidender Bedeutung für die Fachkräftesicherung und die Stärkung der lokalen Bildungs- und Wirtschaftsstandorte. Dabei steht der ländliche Raum vor besonderen Herausforderungen, da hier der demografische Wandel und der ausgedünnte öffentliche Personennahverkehr immer mehr zu einer Existenzbedrohung der Ausbildung vor Ort führen und damit das bereits spürbare Fachkräfteproblem verschärfen.

Der Kreis Höxter beschreitet vielfältige neue Wege, um die wohnortnahe berufliche Aus- und Weiterbildung in den Berufskollegs zu halten und trotz der Rahmenbedingungen, die sich durch die Landesgrenzregion des Kreises verschärfen, zukunftsfit aufzustellen. Mit Blick auf den demografischen und digitalen Wandel werden neue Kooperationen verwirklicht, zukunftsweisende Organisationsformen erprobt und innovative Lehr- und Lernkonzepte umgesetzt. Mit schulübergreifenden Kooperationen auch über die Landesgrenze NRWs hinweg, modernen Organisationsformen, innovative Lehr- und Lernkonzepten und der gemeinsam vorangetriebenen Digitalisierung stellt sich der Schulträger mit seinen Berufskollegs dabei immer wieder neu aktiv den aktuellen Herausforderungen.

Regionales Bildungszentrum Berufliche Bildung im Kreis Höxter 
Im Rahmen des Schulversuchs „ Regionale Bildungszentren (RBZ)“ haben sich die beiden Berufskollegs in Trägerschaft des Kreises Höxter, das Berufskolleg Kreis Höxter mit den beiden Standorten in Brakel und Höxter und das Johann-Conrad-Berufskolleg in Warburg, zum „Regionalen Bildungszentrum Berufliche Bildung im Kreis Höxter (RBZB)“ zusammengeschlossen. Schulträger, Schulleitungen und RBZB-Geschäftsstelle bilden das Lenkungsteam und setzen in der Laufzeit des Schulversuchs von 2021 bis 2025 gemeinsame Ziele um.
So lernen beispielsweise Schülerinnen und Schüler standortübergreifend in einem Blended-Learning-Setting in den Ausbildungsgängen „Industriemechanik“ und „Einzelhandel“. Ziel ist, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, inwiefern Blended-Learning-Konzepte in der fachspezifischen beruflichen Bildung eingesetzt werden können, um neue Ansätze für eine wohnortnahe Beschulung zu erhalten und zugleich auch eine effektivere Nutzung der unterschiedlichen Technologie-Investitionen an den Standorten für alle Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen.
Möglich ist dieser hybride standortübergreifende Unterricht durch eine exzellente digitale Ausstattung der Berufskollegs und eine enge Zusammenarbeit der Lehrkräfte beider Schulen. Eine moderne digitale Ausstattung allein reicht jedoch nach den bisherigen Erfahrungen nicht aus, um die digitalen Herausforderungen in der beruflichen Ausbildung gewinnbringend meistern zu können. Unterstützung erfährt die neue Lernform im Rahmen des Schulversuchs durch je einen „Bildungscoach für Digitalisierung“. Sie helfen und coachen Lehrkräfte und Auszubildende bei der Erweiterung ihrer Kompetenzen in neuen digitalgestützten Lernwelten und sind aktiver Teil der Organisations- und Unterrichtsentwicklung der Schulen im Rahmen des digitalen Transformationsprozesses.
Die Bildungscoaches für Digitalisierung arbeiten schulübergreifend an gemeinsamen Themen der Digitalisierung und Medienkompetenzerweiterung, bieten niederschwellige Fortbildungen und Beratungen für Schülerinnen sowie Schüler an und begleiten Lehrkräfte auf Wunsch in ihrem Unterricht, um diese bei der Initiierung bzw. Umsetzung von Lernsettings unter besonderer Berücksichtigung digitaler Medien zu unterstützen.
Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Förderung der Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern. Sie bieten Sprechstunden zu digitalen Fragen an und entwickeln digitale Selbstlernangebote. Der Einsatz dieses innovativen Instrumentes, das im Rahmen des Schulversuchs RBZ implementiert wurde, ermöglicht im Schulbetrieb eine andere Organisationsform, um die Unterrichtsdigitalisierung gewinnbringend und zielgerichtet voranzutreiben.


Der Kreis Höxter realisiert derzeit in direkter Nachbarschaft zu seinem Berufskolleg Kreis Höxter in Brakel in enger Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft Höxter-Warburg den Bildungscampus Handwerk, ein hochmodernes, innovatives Bildungszentrum für Handwerksberufe.
Quelle: RSK Architekten

Bildungscampus Handwerk - bundesweit einzigartige Lernortkooperation
In enger Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft Höxter-Warburg realisiert der Kreis Höxter derzeit in direkter Nachbarschaft zu seinem Berufskolleg Kreis Höxter in Brakel ein hochmodernes, innovatives Bildungszentrum für Handwerksberufe: den Bildungscampus Handwerk.
Es entsteht ein lichtdurchfluteter Neubau mit einer Nutzfläche von rund 3.600 Quadrat­me­tern mit Schulungsräumen und einer Vielzahl von Werkstätten und Laboren, die durch ihre Ausstattung mit neuester und digitaler Technik eine zeitgemäße und zukunftsweisende handwerkliche Ausbildung in den Bereichen Sanitär sowie Heizungs- und Klimatechnik, Tischler und Holzverarbeitung, Metall- und Elektrotechnik ermöglichen sollen.
Ab 2024 lernen hier die Fachkräfte von morgen im Rahmen einer Lernortkooperation gemeinsam unter einem Dach. Markenkern ist eine enge Verzahnung der schulischen und überbetrieblichen Ausbildung. Davon sollen nicht nur die beiden Bildungsträger durch die Bündelung der Ressourcen und die Nutzung von Synergien profitieren, sondern auch die Auszubildenden und die Ausbildungsbetriebe in der Region.
Ermöglicht wird diese Lernortkooperation durch eine Förderung von 80 Prozent aus Mitteln der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe (GRW).

Moderne Lernorte: Digi Lab Being Social
Diese im Jahr 2022 realisierte Schulbaumaßnahme entspricht den neusten sozialpädagogischen und mediendiaktischen Standards für den sozialen Bildungsbereich. Ziel war es, für den Bereich Gesundheit und Soziales eine praxisnahe, ergebnisorientierte offene und moderne Lern- und Laborumgebung zu bauen unter Berücksichtigung einer zeigemäßen Raum- und Farbgestaltung.
Ein breites Spektrum an Lernmethoden und Unterrichtskonzepten und die wachsende Bedeutung informellen Lernens erfordern Räume, die einen unkomplizierten Wechsel zwischen Instruktion, Einzel- und Gruppenarbeit und Präsentation von Lernergebnissen ermöglicht. Dieses wurde bei der Ausstattung und Umgestaltung von zwei Etagen im Bestand des Berufskollegs Kreis Höxter am Standort Brakel berücksichtigt. Hier bieten Lernzentralen, Ruhearbeitsräume, Lern- und Besprechungskuben vielfältige Möglichkeiten des Lernens und Lehrens.


Mit dem Digi Lab Being Social ist eine offene und moderne Lern- und Laborumgebung für den Bereich Gesundheit und Soziales mit einer zeigemäßen lichtdurchfluteten Raum- und Farbgestaltung entstanden.
Quelle: Irina Jansen/Kreis Höxter

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurden in die Realisierung des zukunftsweisenden Digi Lab Being Social rund 1,2 Millionen Euro mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der GRW-Förderung sowie mit Eigenmitteln des Schulträgers investiert.
Das moderne und offene Raumkonzept findet großen Zuspruch bei den Studierenden der Fachschule des Sozialwesens und auch den Lehrkräften.


Die Fachkräfte von morgen lernen mit modernster, IT-gestützter Technik.
Quelle: Kreis Höxter

tec4you-lab - von der Idee zum Produkt
Das Schülerlabor im Berufskolleg Kreis Höxter in Brakel wird nicht nur für den Berufsschulunterricht im Bereich Metalltechnik genutzt. Es ist auch ein außerschulischer Lernort, der Jugendlichen die Grundsätze von naturwissenschaftlicher und technischer Forschung näherbringt.
Im tec4you-lab des Berufskollegs Kreis Höxter können junge Menschen den Weg von der Idee bis zum Produkt eigenständig erarbeiten und erleben. Dazu wurde bereits 2013 dieses moderne zdi-Schülerlabor eingerichtet, das den Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufen I und II die Möglichkeit bietet, an einem Tag im Berufskolleg am Standort Brakel eine Firma zu simulieren.
Am Ende steht ein fertiges Produkt, das die Jugendlichen mit nach Hause nehmen können. Hierdurch sollen Schülerinnen und Schüler die Arbeits- und Geschäftsprozesse direkt kennenlernen und erfahren.

Kooperation über Landesgrenzen hinweg
Bei seiner agilen Schulpolitik für die Wirtschaftsregion im Dreiländereck arbeitet der Kreis Höxter auch über Landesgrenzen hinweg mit dem niedersächsischen Schulträger, dem Landkreis Holzminden, zusammen. So entsteht derzeit am Berufskolleg Kreis Höxter und der Georg von Langen-Schule im niedersächsischen Nachbarkreis Holzminden mit Mitteln der Förderung der Digitalisierung der Schulen in NRW im Rahmen einer länderübergreifenden Maßnahme ein gemeinsames „Vernetztes Zukunftslabor Digitalisierung“ mit einer Gesamtinvestitionssumme von rund 1,8 Millionen Euro.
Hierdurch wird an beiden berufsbildenden Schulen in Zusammenarbeit mit örtlichen Wirtschaftspartnern sowie Hochschulen ein länderübergreifendes Digitalisierungslabor für Schülerinnen und Schüler geschaffen. Dort werden Kompetenzteams disziplinär und interdisziplinär von der Entwicklung des Produkts bis hin zur Vermarktung eng zusammenarbeiten.
Für die Bereiche Produktentwicklung und Produktion werden jeweils Labore eingerichtet, eines für Automatisierungsprozesse am Standort Brakel mit einem „digitalen Zwilling“ in Holzminden und einem AR/VR-Labor in Holzminden.
Das Ziel des Digitalisierungslabors ist eine cyber-physische Produktionsanlage, die aus bewährten industriellen Technologien besteht mit digitalen Fertigungs- und Produktionstechnologien und auch AR/VR-Technologie vereint.


Die Fachkräfte von morgen lernen mit modernster, IT-gestützter Technik.
Quelle: Irina Jansen/Kreis Höxter

Diese Kooperation ermöglicht es den Schulen Vereinbarungen zu treffen, an welchem der Schulstandorte in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen die Beschulung von dualen Ausbildungsberufen stattfindet. Die Kooperationspartner versuchen hierdurch rückläufige Ausbildungsgänge wohnortnah in der Region zu halten, die ansonsten geschlossen werden müssten.

Zukunft der Berufskollegs existentiell für die Fachkräftesicherung
Trotz dieser enormen Anstrengungen und innovativen Wege sorgt sich der Kreis Höxter um die Zukunftsfähigkeit seiner Berufskollegs und der für die Fachkräftesicherung so wichtigen dualen Ausbildung. Insbesondere die derzeit starren Regelungen zu Klassenmindestgrößen sowohl beim Erhalt als auch bei der Neueinrichtung von Ausbildungsgängen führen zunehmend zur Reduzierung bis hin zum Verlust von Ausbildungsangeboten vor Ort und behindern die Entwicklungsfähigkeit der Berufskollegs und damit auch die der heimischen Wirtschaft. In Anbetracht der Fachkräfteproblematik darf es daher nicht zu einer noch weiteren Ausdünnung der Ausbildungsangebote kommen. Zudem müssen auch unbedingt wieder neue innovative Ausbildungsgänge in ländlichen Berufskollegs neu etabliert werden können, wenn die heimischen Unternehmen diese Arbeitskräfte zur Weiterentwicklung benötigen.
Daher setzt sich der Kreis Höxter gemeinsam mit dem Hochsauerlandkreis für eine Sicherung und Stärkung der ländlichen Berufskollegs ein und fordert mehr Freiräume für deren Weiterentwicklung, um auf regionalspezifische Anforderungen der Unternehmen vor Ort reagieren zu können


Gabriele Böker
Quelle: Kreis Höxter