Wirksame Vorsorge vor Naturkatastrophen im Märkischen Kreis

12. Juli 2022: von Dipl.-Ing. (FH) Petra Schaller, Klimaschutzbeauftragte, Märkischen Kreis

Stürme, Starkregenfälle, Hitzewellen und Trockenheit – große klimatische Herausforderungen, denen sich auch der Märkische Kreis stellen muss. Als wirksame Vorsorge vor solchen Naturkatastrophen ergreift die Kreisverwaltung deshalb unterschiedliche Maßnahmen.

Bereits im Jahr 2020 hat die Kreisverwaltung Überlegungen für die Erstellung eines Klimafolgenanpassungskonzeptes begonnen. Unter dem Titel „Teilkonzept Wasser“ sollte die Anpassung an zwei Klimafolgen besonders im Fokus stehen: Häufiger auftretender Wassermangel und heftiger werdende Regenereignisse. Mit dem „Teilkonzept Wasser“ hat die Kreispolitik am 2. Juni 2021 der Verwaltung den Auftrag erteilt, ein Teilkonzept „Wasser“ erstellen zu lassen. Mit der Unterschrift von Marco Voge, Landrat Märkischer Kreis, Birgit Tupat, Bürgermeisterin der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde, und 14 Bürgermeistern der kreisangehörigen Städte und Gemeinden trat die entsprechende Kooperationsvereinbarung in Kraft.


Bürgermeisterkonferenz bringt Teilkonzept „Wasser“ auf den Weg.
Quelle: Alexander Bange/Märkischer Kreis

Klimaschutz als gemeinsame Aufgabe: Das „Teilkonzept Wasser“ wurde von Landrat Marco Voge gemeinsam mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Städte und Gemeinden des Märkischen Kreises bei der Bürgermeisterkonferenz im Juni 2021 verabschiedet. 

Ausgangslage
Das Teilkonzept „Wasser“ zeigt beispielhaft: Klimaschutz ist ein wichtiges Thema für den Märkischen Kreis. In unterschiedlichen Bereichen der Kreisverwaltung wie dem Gebäudemanagement, dem Fuhrpark oder der IT/Digitalisierung gehören Maßnahmen zur CO2-Reduzierung oder Energieeinsparung zum Arbeitsalltag. Bereits seit 2011 beschäftigt der Märkische Kreis die Klimaschutzbeauftragte Petra Schaller. Ihre zentralen Aufgaben: Intern sowie extern den Klimaschutz durch Beratung und Projekte aktiv steuern und mitgestalten. Nachdem unter ihrer Führung im Jahr 2013 das erste, kreisweite Klimaschutzkonzept verabschiedet und erfolgreich umgesetzt wurde, stand die Frage im Fokus: „Wie geht es weiter?“
Dabei zeigt sich mit Blick auf die besondere Geographie und Topografie des Märkischen Kreises: Durch seine engen Kerbtallagen, den enormen Wasserreichtum und die historisch gewachsene Bebauung entlang der Wasserläufe weist der Märkische Kreis eine ganz spezifische Situation auf. Diese führt bei „zu viel Wasser“ wie Starkregen oder Hochwasser zu weitreichenden Problemen. Zusätzlich haben drei sehr trockene Sommer von 2018 bis 2020 gezeigt, dass auch „zu wenig Wasser“ in Bereichen wie Land- oder Forstwirtschaft zu Schwierigkeiten und zu Konkurrenzdenken um die kostbare Ressource führen kann. Nicht zuletzt hat auch die Borkenkäferplage mit abgeholzten Waldflächen in Hanglagen und tief aufgerissenen Waldwegen durch Harvester (Holzvollernter) die kritische Situation weiter verstärkt.


Abgeholzte Wälder und aufgerissene Waldwege: Auch in den Wäldern im Märkischen Kreis zeigen sich die Folgen von Trockenheit und Borkenkäferbefall.
Quelle: Guido Bartsch/Märkischer Kreis

Wichtige Maßnahme: Klimafolgenanpassungsteilkonzept (KFATK) mit dem Schwerpunkt „Wasser“
Um dieser Problematik entgegenzuwirken, lässt der Märkische Kreis ein Klimafolgenanpassungsteilkonzept (KFATK) mit dem Schwerpunkt „Wasser“ erstellen. Beauftragt wurden die beiden Büros „Hydrotec Ingenieurgesellschaft für Wasser und Umwelt mbH“ und „Infrastruktur und Umwelt“. Das Ziel: Die kreisweit auftretenden Hauptgefahren für den Wasserhaushalt und die Wasserwirtschaft ermitteln und analysieren. Auf dieser Grundlage sollen zugeschnittene Handlungsempfehlungen und Maßnahmen für den Märkischen Kreis erarbeitet werden. In engem Austausch läuft eine kreisweite Betrachtung der verschiedenen Szenarien (zu wenig Wasser, zu viel Wasser) als entscheidendes Mittel zur Analyse der regionalen Wasserversorgung und des Starkregenrisikomanagements.

Lokale Maßnahmen an Beispielen des Klimawandels
An unterschiedlichen Situationen zeigt sich die Arbeit der Kreisverwaltung wie folgt:

  • Die Starkregenflut am 14./15. Juli 2021

Im Hochwasserschutz sind Kreis und Kommunen gut gerüstet. So finden regelmäßig Übungen des Katastrophenschutzes statt. Die Krisenmanagementstrukturen sind gut eingespielt. Alle Beteiligten kennen die Hochwassergefahren- und -risikokarten (www.flussgebiete.nrw.de) und sind für „normale“ Hochwasserereignisse gut vorbereitet.
Das Sturmtief „Bernd“, auch bekannt unter der Starkregenflut vom 14. und 15. Juli 2021, übertraf allerdings alle bisher gekannten Dimensionen. Innerhalb von 72 Stunden fielen beispielsweise in der Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde 182,4 mm und in Altena 174,9 mm Regen auf ein stark begrenztes Gebiet. Kleine Bäche und Wasserläufe aus den Wäldern schwollen zu reißenden Gewässern an und schoben Geröll, Geschiebe und Erde durch die engen Täler nach unten. Sie rissen alles mit, was im Weg war: Autos, Erdgas-Tanks und Mauern. Die Gewalt des Wassers brachte Gebäude zum Einsturz, unterspülte Leitungen und Straßen und sorgte für 1.550 Einsatzstellen. Die Kreisleitstelle sowie die Stäbe für außergewöhnliche Ereignisse (SAEs) in den Städten und Gemeinden kamen zum Dauereinsatz. Die SAEs bestanden noch aus der Zeit der Corona-Pandemie, so dass die operativ-taktische Einsatzleitung auf bewährte Strukturen zurückgreifen konnte. Diese Strukturen haben eine professionelle, schnelle Reaktion auf die Auswirkungen der Starkregenereignisse ermöglicht. 2.000 Einsatz- und 350 überörtliche Kräfte waren im gesamten Kreisgebiet unterwegs. Leider waren auch zwei verstorbene Einsatzkräfte zu beklagen. Die schweren Schäden, die am stärksten in Altena, Lüdenscheid, Iserlohn, Werdohl und Neuenrade zu verzeichnen waren, konnten ein Jahr nach der Katastrophe schon an vielen Stellen behoben werden.


Das Wasser drückte von unten in ein Gebäude und riss den Boden weg.
Quelle: Kristin Kirsebauer/Märkischer Kreis


Eine Auswirkung der Starkregenereignisse vom 14. und 15. Juli im Märkischen Kreis war eine weggerissene Fußgängerbrücke zu einer Firma in Schalksmühle. Die Zerstörung verdeutlicht die Kraft des Wassers und die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Hochwasserschutz.
Quelle Kristin Kirsebauer/Märkischer Kreis

  • Das Klimafolgenanpassungsteilkonzept „Wasser“ im Märkischen Kreis

Als weitere Maßnahme zur Hochwasser- und Starkregenvorsorge erstellt der Märkische Kreis seit dem 1. Oktober 2021 das Klimafolgenanpassungsteilkonzept (KFATK) „Wasser“. Es beinhaltet die Ermittlung von sensiblen Schwerpunkten bei der Wasserversorgung sowie die Erstellung von Starkregengefahrenkarten mit detaillierter Modellierung der Wassermassen. Diese Gefährdungsanalyse zeigt nach Fertigstellung grundstücksgenau den möglichen Verlauf und Stand des Wassers bei Starkregenereignissen. Vor allem wird sie aber die Städte und Gemeinden in die Lage versetzen, kommunenübergreifend geeignete Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Auf dieser Grundlage werden kommunenscharfe Maßnahmenkataloge erarbeitet.

Beteiligungsformate
Zentral bei den Maßnahmen zur Vorsorge vor Naturkatastrophen ist für den Märkischen Kreis der Dialog und die Zusammenarbeit mit Akteuren aus unterschiedlichen Fachbereichen. Dazu zählen in erster Linie die Städte und Gemeinden, Politik, Unternehmen, Verbände, Institutionen und die Zivilgesellschaft.

Wie diese Zusammenarbeit funktioniert, wird an zwei Veranstaltungen im April 2022 für die Zielgruppen der Kommunen und der Wasserversorger deutlich. Bei dem Auftakt einer Workshop-Reihe im Juni 2022 ging es um die Ermittlung örtlicher Betroffenheit. Fast 140 lokale Punkte wurden ermittelt. Ein weiterer Workshop zur Entwicklung von Maßnahmen wird im November stattfinden.

Beispielhaft für den Dialog mit der Zielgruppe der Bürgerinnen und Bürgern des Märkischen Kreises ist die „Wasser-Tour MK“. Dabei besuchte Landrat Marco Voge mit mehr als 30 Bürgerinnen und Bürgern in einem Bus der Märkischen Verkehrsgesellschaft (MVG) besondere Orte, die alle mit dem Thema „zu viel oder zu wenig Wasser“ zu tun haben.
So zeigte der Löschzug 4 der Freiwilligen Feuerwehr in Lüdenscheid-Brügge, welche Probleme mit dem Löschen von Bränden in zu trockenen Wäldern verbunden sind. Weiterhin berichteten die Ehrenamtlichen über die neuen Herausforderungen für Einsatzfahrzeuge und technisches Equipment durch die Starkregenflut. Das Thema Wasserversorgung und die verschiedenen Schritte der Wasseraufbereitung wurden am Wasserwerk Trekkinghausen, das von den Stadtwerken Lüdenscheid betrieben wird, thematisiert. Mit der Station oberhalb der Versetalsperre erläuterte Jörn Hevendehl, Fachgebietsleiter des Regionalforstamtes Märkisches Sauerland, mit Blick auf die abgeholzten Wälder die Folgen des Klimawandels für den Wasseraushalt in der Region und den Wald. Den Abschluss der „Wasser-Tour MK“ bildete die Kläranlage Schlittenbachtal, betrieben vom Ruhrverband. Hier standen Bedeutung und Funktionsweise der Kläranlage im Fokus. Weiterhin gab es Tipps zur Vermeidung von Abwasserverunreinigungen.

Mit Blick auf die Zukunft plant der Märkische Kreis im September 2022 eine digitale Bürgerbeteiligung. Dabei sollen Ideen, Anregungen und Erfahrungen mit Klimawandelfolgen wie Starkregen oder Trockenheit auf einer Homepage eingetragen werden können. Auch lokale Maßnahmenvorschläge sind möglich. Zusätzlich wird eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Wasser und… (zum Beispiel Feuerwehr, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger, Landwirtschaft)“ vorbereitet.

Fazit
Der Märkische Kreis lässt frühzeitig ein Klimafolgenanpassungsteilkonzept „Wasser“ für ein großes Gebiet von fast 1.060 Quadratkilometern erstellen. Mit unterschiedlichen Projekten und Dialogen ergreift die Kreisverwaltung damit Maßnahmen zur effektiven Vorsorge. Auch die weitere Kooperation mit allen 15 kreisangehörigen Städten und Gemeinden wird für alle Beteiligten Klarheit über die Umsetzung von Maßnahmen bringen. Mit der Zusammenarbeit wird ein präventiver Beitrag dazu geleistet, dass alle für kommende Starkregenereignisse gerüstet sind.


Petra Schaller
Quelle: Märkischer Kreis