Radverkehrskonzept Kreis Unna – ein hierarchisiertes Kreisradnetz für den Alltagsverkehr

21. Januar 2021: Von Dipl.-Geogr. Birgit Heinekamp, FB Mobilität, Natur und Umwelt, Kreis Unna, M. Sc. Johannes Pickert und M. Sc. Dennis Stocksmeier, Projektleiter Radverkehr, Planersocietät

Der fahrradfreundliche Kreis Unna schreibt die bestehende Planung zum Kreisradverkehrsnetz von 2013 mit Unterstützung des Gutachterbüros Planersocietät bis Mitte 2021 fort. Das Kernziel ist die bessere Vernetzung im Alltagsradverkehr der Kommunen des Kreises untereinander und mit den Nachbarkreisen und -kommunen. Die Aktualisierung wurde erforderlich, um die zahlreichen Neuplanungen und Aktivitäten zur Stärkung des Radverkehrs im Kreis in das Planwerk zu integrieren. Zu nennen sind hier vor allem die Planungen für den Radschnellweg Ruhr RS1, das Radwegesanierungsprogramm des Kreises Unna und zahlreiche kommunale Aktivitäten. Die Kommunen, Baulastträger sowie der ADFC werden durch eine umfangreiche Information und Beteiligung in Kommunalworkshops, zu Netzkonzeption und Maßnahmenentwicklung intensiv in den Prozess eingebunden.

Das Ziel: ein attraktives Radverkehrsnetz für mehr Radverkehr
Als fahrradfreundlicher Kreis strebt der Kreis Unna eine attraktive und umweltfreundliche Mobilität für alle Menschen an. Basis dafür sind die Klimapolitischen Leitlinien des Kreises, die auf regionaler Ebene zur Erreichung des 1,5°-Ziels der Pariser Klimakonferenz beitragen sollen. Ebenso ist eine gute soziale Teilhabe durch günstige Mobilität für den Kreis Unna mit seinem hohen Anteil an Menschen, die auf Transfereinkommen angewiesen sind, wichtig.
Dazu werden Rad- und Fußverkehr als leicht nutzbares Basisangebot der Alltagsmobilität gestärkt; sie ergänzen den ÖPNV, der das Rückgrat des Umweltverbundes darstellt. Durch einen qualitativ hochwertigen Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur des Kreises und der Kreiskommunen soll der Anteil des Radverkehrs am Gesamt-Mobilitätsaufkommen erhöht werden. Zur weiteren Stärkung des Umweltverbunds befindet sich ein inter- bzw. multimodales Verkehrsangebot im Kreis Unna in der Umsetzung, welches die klimafreundlichen Verkehrsmittel z. B. über Mobilstationen und digitale Mobilitätsangebote eng miteinander verknüpft.

Das Zielnetz: bedarfsgerecht, hierarchisiert und integriert
Die Infrastruktur für den Radverkehr im Kreis Unna ist bereits gut ausgebaut, weist aber Lücken bei schnellen und regionalen Verbindungen auf. Der topographisch bewegtere Süden ist weniger gut für den Alltagsradverkehr erschlossen als der ins Münsterland übergehende Norden des Kreises. Ein priorisierter Ausbau des Radverkehrsnetzes ist deswegen erforderlich. Das bestehende Zielnetz von 2013 war für eine realistische und zeitnahe Umsetzung zu engmaschig und weitverzweigt.

Radverkehrskonzept 2013 – Zielnetz
Quelle: Kreis Unna

Folglich wurde ein reduzierteres Netz entwickelt auf Basis der wichtigen Siedlungsschwerpunkte mit mehr als 2.000 Einwohner*innen, der wichtigen ÖPNV-Verknüpfungspunkte wie Bahnhöfe, ZOBs und Mobilstationen, der Gemeinde- und Stadtzentren mit Einzelhandel und sozialer Infrastruktur und der wesentlichen Arbeitsplatzschwerpunkte wie Gewerbe und Industriegebiete. Für das neue Netz wurden alle bestehenden regionalen und kommunalen Planungen in ein gemeinsames Zielnetz integriert, um die Ressourcen zu bündeln. Der projektierte Radschnellweg Ruhr RS1 (ca. 24 km) wird als oberste Netzhierarchieebene übernommen. Zusammen mit dem abgestimmten, aber noch nicht flächenhaft ausgebauten Radhauptverbindungen (ca. 106 km) und Radanbindungen (ca. 60 km) des Regionalen Radwegenetzes in der Metropole Ruhr des Regionalverbands Ruhr (RVR) bildet der Radschnellweg das Rückgrat des Zielnetzes für den Radverkehr im Kreis Unna. Das Kreisnetz ergänzt diese ortsübergreifenden Radwege um die priorisierten Radhauptverbindungen im Kreisnetz (ca. 60 km) und Radanbindungen im Kreisnetz (ca. 230 km). Hinzu kommen noch ergänzende Freizeitradwege (ca. 21 km) mit einer hohen Bedeutung für den Alltagsradverkehr.

 

Geplantes Radverkehrsnetz für den Kreis Unna (Entwurf 2021)  
Quelle: Planersocietät/Kreis Unna

Aufgabe des insgesamt ca. 310 km langen geplanten Kreisnetzes ist die Verbindung der Kommunen untereinander und mit den Nachbarkreisen bzw. -kommunen und die Verdichtung des noch relativ grobmaschigen regionalen Radverkehrsnetzes. Bei den in der Hierarchie direkt unter dem Radschnellweg stehenden Radhauptverbindungen (RVR und Kreisnetz) wird eine hohe Anzahl von Radfahrenden zwischen 500 und 2.000 pro Tag angenommen. Auf der unteren Hierarchieebene Radverbindungen (RVR und Kreisnetz) werden maximal 500 Radfahrende pro Tag erwartet. Die Prognose der Radfahrenden ergibt sich u. a. aus den erschlossenen Einwohner*innen und Pendelverflechtungen. Bei der Ermittlung der Radverkehrspotenziale wurde auf die Methodik zurückgegriffen, welche schon beim Regionalen Radwegenetz in der Metropole Ruhr des RVR angewendet wurde.
Durch die bevorzugte Führung des Kreisnetzes an oder auf Kreisstraßen wird eine möglichst gute Umsetzbarkeit durch den Kreis Unna gewährleistet. Gleichzeitig erfolgt eine tiefe Integration des Netzes und des aktuellen Radwegeausbauprogramms des Kreises Unna (Kreisstraßenbauprogramm/Radwege) und eine Bündelung und Priorisierung der eingesetzten finanziellen und planerischen Ressourcen. Damit können mittel- und langfristig prioritär gute Verbindungen mit möglichst hohen Qualitätsstandards insbesondere im schnellen Alltagsnetz garantiert werden. Diese Verbindungen sind die Grundlage für die geplante Erhöhung des Radverkehrsanteils am Modal Split.

Die Qualitätsstandards: durchgehend hohe Qualität auf langen Strecken
Das geplante Kreisnetz soll schnellen, sicheren und komfortablen Radverkehr mit möglichst wenigen Wartezeiten ermöglichen. Dazu werden hohe Qualitätsstandards definiert, die sich einerseits an die RVR-Planungen zu den Regionalen Radverbindungen anlehnen und andererseits durch die Vorgaben eines aktuellen Kreistagsbeschlusses des Kreises Unna definiert werden. Gemäß diesem Beschluss ist bei der Sanierung von Zweirichtungsradwegen außerorts grundsätzlich eine Breite von 3,0 m anzustreben. Durchgängig asphaltierte Oberflächen sind ganzjährig sicher und komfortabel nutzbar und können auch im Winterdienst einfach maschinell gereinigt werden. Randmarkierungen und Beleuchtung (ggf. nur auf Radhauptverbindungen) sichern die Befahrbarkeit auch bei Dunkelheit und erhöhen die soziale und gefühlte Sicherheit. Knotenpunkte sind besonders auf Radhauptverbindungen zu verbessern, um den Radverkehr zu beschleunigen, z. B. durch Bevorrechtigungen an untergeordneten Knotenpunkten, den Wegfall von Anforderungsampeln und die Prüfung von Grünen Wellen für den Radverkehr. Hindernisse wie z. B. Poller, Umlaufsperren und fehlende Absenkungen sind aus dem Kreisnetz konsequent zu entfernen.

Alleen-Radweg Kreis Unna – optimierter Ausbau und Ausgestaltung einer ehemaligen Bahntrasse    
Quelle: Kreis Unna

Die Maßnahmen: Umfangreicher Ausbaubedarf
Das komplette Kreisnetz und Teile des Zielnetzes (RVR, RS1) wurden für eine präzise Maßnahmenentwicklung mit dem Fahrrad befahren und mit Foto- und Videoaufnahmen dokumentiert. Die Befahrungsergebnisse sind in einer GIS-Datei aufbereitet und können so allen Baulastträgern und sonstigen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Aus der Bestandsanalyse, den Kfz-Verkehrsbelastungen, den zulässigen Höchstgeschwindigkeiten und den definierten Qualitätsstandards wurden detaillierte Maßnahmenvorschläge für alle Strecken des Kreisnetzes sowohl innerorts als auch außerorts entwickelt. Auch für verbesserungswürdige Knotenpunkte wurden Musterlösungen zur Sicherung und Beschleunigung des Radverkehrs entwickelt. Als Maßnahmen werden der Neubau von Radwegen (96 km), der Ausbau von Radwegen und Fahrradstraßen (114 km) und die Markierung von Radfahrstreifen, Schutzstreifen und ggf. Piktogrammketten (49 km) vorgeschlagen. 30 km des Bestandsnetzes erfüllen die aufgestellten Qualitätskriterien schon heute, hier sind lediglich die Nachrüstungen von Beleuchtung und Randmarkierungen und die Verbesserung einzelner Knotenpunkte erforderlich. Bei bestehenden Radwegen ist ein gestaffelter und sukzessiver Ausbau bei anstehenden Erneuerungsarbeiten sinnvoll, um vorher bedeutendere Netzlücken zu schließen. Der größte Teil der umzusetzenden Maßnahmen befindet sich an Kreisstraßen außerorts, wo der Kreis selbst gute eigene Umsetzungsmöglichkeiten hat. Geringere Teile sind in der Baulast von Land und Bund oder den Kommunen. Schwierig sind hinsichtlich einer schnellen Umsetzung vor allem die Ortsdurchfahrten bzw. innerörtlichen Streckenabschnitte, da diese nur in Ausnahmefällen genügend Flächen für eine bauliche Radverkehrsinfrastruktur bieten und erhebliche Nutzungskonflikte mit anderen Verkehrsmitteln vorliegen. Hier werden vermehrt Markierungslösungen und Reduktionen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, z. B. auf 30 km/h, vorgeschlagen.

Der Beteiligungsprozess: enge interne und externe Zusammenarbeit
Der gesamte Erarbeitungsprozess ist geprägt von einer intensiven Zusammenarbeit der beteiligten Akteure. Sowohl die gute innerbehördliche, kreisinterne Abstimmung mit dem Fachbereich Bauen und dessen Kreisstraßenbauprogramm (mit integrierten Kreisradwegesanierungsprogramm) als auch der Einbezug der Kreiskommunen bis hin zur Berücksichtigung der Einbindung der Nachbarkreise und -kommunen tragen zu einem abgestimmten und tragfähigen Radverkehrskonzept bei. Die intensive Diskussion mit allen Beteiligten hat entscheidende Impulse zur Hierarchisierung des Netzes und zu den möglichen Maßnahmen gegeben. Positiv auf die Erarbeitung des Radkonzeptes ausgewirkt hat sich vor allem der seit vielen Jahren bestehende Arbeitskreis Radverkehr unter Geschäftsführung des Kreises Unna. Im AK Radverkehr kommen halbjährlich die Radverkehrsbeauftragten der kreisangehörigen Kommunen sowie Vertreter von Straßen.NRW, Regionalverband Ruhr, Emschergenossenschaft/Lippeverband  und ADFC zu einem intensiven fachlichen Austausch zusammen. Diese langjährige Zusammenarbeit hat entscheidend zum Erfolg der Abstimmung beigetragen. Zusätzlich hat sich auch der Einsatz von Online-Kartenanwendungen als vorteilhaft erwiesen, mit denen Netz, Bestandserhebung und Maßnahmen im Detail vor- und nachbearbeitet werden konnten.

Weitere Schritte
Das Konzept ist so weit fertig gestellt, dass ab März die offizielle politische Beteiligung der Städte und Gemeinden und sonstigen Beteiligten erfolgen kann. Die Beschlussfassung durch den Kreistag ist für Herbst 2021 vorgesehen. Parallel laufen Baumaßnahmen an Kreisstraßen, die bereits im Kreisstraßenbauprogramm enthalten sind. Hier gilt es künftig, nach Auslaufen des derzeitigen Ausbauprogramms (2023) eine weitergehende Priorisierung zum Schließen der Netzlücken auf den Radhauptrouten vorzunehmen.

Weitergehende Informationen finden Sie unter http://www.kreis-unna.de/radfahren

Birgit Heinekamp

Quelle: Kreis Unna

Johannes Pickert
Quelle: Privat

Dennis Stocksmeier

Quelle: Planersocietät